Adriane Feldkämper ist eine echte Kämpfernatur. Die 40-jährige Friseurmeisterin wagte 2017 den Schritt in die Selbstständigkeit. Damals stellte sie einen Nutzungsänderungsantrag für ein Zimmer in ihrem Wohnhaus und empfing fortan Kunden zum Haareschneiden. Das lief gut, aber nach einiger Zeit wurde klar, dass der Durchlauf zu Hause nicht mehr zu bewältigen war. „Mitten in der Pandemie - zwischen den beiden Lockdowns - erhielt ich die einmalige Chance, diese Räume hier zu mieten“, erzählt Feldkämper, deren Salon sich an der Südstraße in Herbern befindet. Die Herausforderung reizte sie, also schlug sie zu.
Ohne Personal, aber dafür mit viel Lust und einem handwerklich versierten Ehemann nahm sie den Aufbau des Salons in Angriff. Heute sagt sie: „Das war eigentlich Glück, denn durch die Einrichtung des Geschäfts hatte ich etwas zu tun, sonst wäre ich wahnsinnig geworden.“ Schließlich eröffnete sie auch mitten in der Pandemie. Ihre Familie trug sämtliche Entscheidungen mit.

Gut gewirtschaftet
„Ich war schon immer ein sparsamer Mensch. Durch gutes Wirtschaften konnte ich ein gutes Polster an Ersparnissen aufbauen. Deshalb habe ich es auch ohne staatliche Hilfen durch Corona geschafft“, freut Feldkämper sich. Die Zeit sei nicht immer leicht gewesen, schließlich sei auch sie, deren Spezialität Haarverlängerungen und -verdichtungen sowie Farben sind, nicht um Preiserhöhungen herum gekommen. Dass die manchem Kunden ins Kontor geschlagen haben, verstehe sie durchaus. „Aber ich trage die Verantwortung für sechs Mitarbeiter, und die sollen gut von ihrem Gehalt leben können. Eher nehme ich einen Euro mehr vom Kunden, damit zufriedene Mitarbeiter habe“, bekräftigt die 40-Jährige. Die Preiserhöhungen habe sie stets rechtzeitig angekündigt, weil sie es vermeiden, wollte, ihre treuen Kunden vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Während Feldkämpers Stammkunden fast ausnahmslos zurückkehrten, zeichnet der Friseur- und Kosmetikverband NRW ein anderes Bild. Laut dem Vorsitzenden Harald Esser hätten die Kunden wegen der hohen Inflation nun finanzielle Sorgen. Das führe dazu, dass die Häufigkeit der Friseurbesuche abgenommen habe.

Löhne angleichen
Eva-Maria Michels ist stellvertretende Obermeisterin der Friseur-Innung im Kreis Coesfeld, und betreibt in Coesfeld einen eigenen Salon. Auch sie hat beobachtet, dass die Intervalle zwischen zwei Friseurbesuchen länger werden. Sie ist vor allem enttäuscht von der Rolle, die die Bundesregierung gespielt hat: „Die Soforthilfen sind uns unter falschen Voraussetzungen versprochen worden. Es hieß erst, dass sie rückzahlungsfrei sind.“ Darauf hätten sich viele Kollegen verlassen. „Dann ist uns angeboten worden, dass wir Einkommens- und Gewerbesteuer stunden können während des Lockdowns.“ Wer sich darauf eingelassen habe, zahle jetzt zum Teil doppelt zurück.
Michels sieht die Politik in der Pflicht, dass im gesamten Handwerk „endlich die Löhne erhöht werden“, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Die Nachwuchsgewinnung sei eine „riesengroße Katastrophe“, dieses Jahr haben im gesamten Kreis Coesfeld nur 15 oder 16 Gesellinnen und Gesellen ihre Friseur-Lehre erfolgreich abgeschlossen.
Wertvolle Dienstleistung
Für die Zukunft wünscht die stellvertretende Innungsmeisterin sich, dass die Mehrwertsteuer für körpernahe Dienstleistungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt wird. „Dadurch könnten wir schon was reißen. Außerdem muss die Dienstleistung wieder wertvoller werden.“ Das bedürfe aber auch eines Umdenkens bei den Kunden. Natürlich würden die nicht jede Preiserhöhung kommentarlos tragen, aber manchmal gehe es einfach nicht anders.
Adriane Feldkämper möchte ihre Kollegen ermutigen, sich zu trauen, ihre Preise zu erhöhen. „Klar wird das nicht jedem gefallen, aber die meisten Kunden werden wiederkommen.“
Die Herbernerin hat es geschafft, ihren Salon gesund durch die Krise zu bringen. Im kommenden Jahr will sie sich sogar vergrößern. Ab Ostern sind Umbauarbeiten geplant. Die Kunden werden rechtzeitig informiert.
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