Das Wichtigste in Kürze:
- Renate Behr aus Herbern warnt in Facebook-Gruppen vor einem Schockanruf, den sie erhalten hat.
- Bei dem Anruf gab sich jemand als ihre Tochter aus und behauptete, einen Unfall verursacht zu haben.
- Behr wurde misstrauisch, als der Anrufer den Namen ihrer Tochter nicht nennen konnte und letztlich auflegte, als er mit diesem Versuch scheiterte.
- Die Betrüger zielen darauf ab, von den Betroffenen Geld für vermeintliche Kautionen zu erpressen.
- Fälle von Schockanrufen werden regelmäßig bei der Polizei gemeldet.
„Achtung! Warnung! Dubioser Anruf!“ So beginnt ein Post von Renate Behr aus Herbern. Die Schriftstellerin weist in verschiedenen Facebook-Gruppen auf einen Schockanruf hin, den sie am Montagvormittag (22. April) erhalten hat. Demnach sei sie von einer unbekannten Nummer angerufen worden. Am anderen Ende meldet sich eine weibliche Stimme, völlig verheult, leicht hysterisch und behauptet, sie sei ihre Tochter. Behr fragt erst einmal, was denn überhaupt los ist.
„Ich hatte einen Unfall, ich habe eine Frau angefahren. Kannst du mich abholen?“, fragt die Stimme. Sie befinde sich bei der Polizei und wolle jetzt das Telefon an einen Beamten weiterreichen. „Das war mir schon ein bisschen komisch, weil keine meiner Töchter wegen eines Autounfalls so in Verzweiflung geraten würde. Das sind beides taffe Mädels“, erzählt Behr einen Tag später.

Wie heißt die Tochter?
Als Nächstes erklingt eine Männerstimme, nicht mehr ganz jung. Er stellt sich als Polizeihauptkommissar Jochen Schröder vor. „Er hat gefragt, ob ich Frau Behr aus Ascheberg sei. Weil man am Telefon nicht mit Ja antworten soll, sagte ich, das sei korrekt.“ Der Mann habe ihr dann noch einmal erklärt, ihre Tochter habe einen Unfall gehabt.
In dem Moment schaltet Renate Behr: „Ich habe ihn gebeten, mir den Namen meiner Tochter zu nennen. Er meinte dann, ich hätte doch eben mit ihr gesprochen. Ich sagte noch mal, er möge mir den Namen meiner Tochter sagen. Er entgegnete daraufhin: ‚Ach, dann ist die Anna gar nicht ihre Tochter?‘“, erzählt Behr immer noch wütend wegen der Unverfrorenheit. Sie teilte dem Mann mit, dass sie keine Tochter namens Anna habe, woraufhin die Person am anderen Ende der Leitung aufgelegt habe.
Geld für eine Kaution
Behr bittet ihren Ehemann, er möge am Router checken, ob es eine Möglichkeit gebe, den Anrufer zu identifizieren. Weil die Nummer aber unterdrückt war, habe er nichts herausfinden können. Im ersten Moment sei sie sehr froh gewesen, dass das Telefonat zu Ende war, denn ein wenig zittrig sei sie danach schon gewesen. „Im Nachhinein habe ich mich dann gefragt, ob ich das Gespräch vielleicht noch ein bisschen weiter hätte ziehen sollen. Denn ich bin sicher, dass ich später um Geldzahlungen, vielleicht für eine Kaution, gebeten worden wäre. Und die Geldübergabe hätte dann bestimmt nicht auf einer Polizeiwache stattgefunden“, so die 70-Jährige.
„Als Mutter weißt du, ob du mit deinem Kind sprichst, ich kenne die Stimmen meiner beiden Töchter.“ Und trotzdem: Was, wenn der Name, den der Anrufer genannt hat, zu einer ihrer Töchter gehört hätte? Hier muss Behr kurz nachdenken. Was sie dann gemacht hätte, kann sie heute nicht sagen. „Vielleicht hätte ich dann weiter telefoniert.“

Klassischer Schockanruf
Diese klassischen Schockanrufe sind mittlerweile allgegenwärtig. „Die Anrufer hoffen auf die sehr emotionale Art des ersten Anrufs, Zugang zu den Angerufenen zu bekommen. Im Normalfall soll der Angerufene eine Kaution für den Unfallverursacher hinterlegen, um eine Haft zu verhindern. Solche Betrugsmaschen werden bei uns regelmäßig, mehrfach wöchentlich, angezeigt. Glücklicherweise bleibt es in den meisten Fällen beim Versuch“, erläutert Kriminalhauptkommissarin Britta Venker, Sprecherin der Kreispolizeibehörde Coesfeld.
Nachdem Renate Behr ihre Geschichte bei Facebook gepostet hat, entschließt sie sich, über die Internetwache der Polizei NRW einen Hinweis auf die Betrugsmasche zu geben. Dort können Bürgerinnen und Bürger auch online eine Anzeige aufgeben, die dann an die zuständige Polizeibehörde weitergeleitet wird. Behr ist nicht sonderlich zuversichtlich, dass das zu einem Fahndungserfolg führt, aber so könne sie wenigstens Aufmerksamkeit wecken.
„Wenn ich mir vorstelle, dass die jetzt weiter wahllos irgendwelche Leute anrufen und mit der Masche vielleicht auch noch Erfolg haben könnten, wird mir schlecht.
Also passt bitte auf und warnt auch eure älteren Nachbarn. Danke“, beendet Renate Behr ihren Facebook-Post. Darunter sammeln sich zahlreiche Kommentare. Vielleicht trägt ihre Geschichte dazu bei, ein paar Menschen zu mehr Vorsicht zu bewegen.
Verhalten bei Schockanrufen
Das Bundeskriminalamt (BKA) rät in solchen Fällen:
- Folgen Sie nicht den Aufforderungen der Anrufer. Lassen Sie sich nicht in ein Gespräch verwickeln oder unter Druck setzen. Legen Sie einfach auf.
- Geben Sie am Telefon keine Details zu persönlichen oder finanziellen Verhältnissen preis.
- Rufen Sie Ihre tatsächlichen Angehörigen unter der Ihnen bekannten Nummer an.
- Denken Sie daran: Die Polizei oder vergleichbare Amtspersonen werden Sie niemals telefonisch um die Aushändigung von Bargeldbeträgen oder Wertsachen bitten.
- Übergeben Sie niemals Geld oder Wertgegenstände an Personen, die Sie nicht kennen.
- Lassen Sie grundsätzlich keine Unbekannten in Ihre Wohnung oder Ihr Haus.
- Falls Sie einen solchen Anruf erhalten haben, wenden Sie sich bitte umgehend an Ihre örtlich zuständige Polizeidienststelle, um den Vorfall zur Anzeige zu bringen.