Herbern steht zwischen Angst und Akzeptanz Bürgerbeteiligung zur Flüchtlingsunterkunft

Flüchtlingsunterkunft: Bürger stehen zwischen Angst und Akzeptanz
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Der Aufschrei und die Überraschung waren groß, als die Bürgerinnen und Bürger erfuhren, dass in Herbern eine neue Unterkunft für Geflüchtete gebaut werden soll. 100 Menschen sollen hier ein Zuhause auf Zeit finden - zu viele, befanden die Herberner. Bei einer ersten Bürgerbeteiligung im vergangenen Jahr legte die Gemeindeverwaltung die Planung offen und bat die Menschen, ihre Sorgen, Nöte und Anregungen einzubringen. Diese werden in die Planung einbezogen.

„Stellen Sie sich bitte in Herbern keine große Sammelunterkunft vor, wie Sie sie vielleicht aus dem Fernsehen oder anderen Medien kennen. Wir werden ein Objekt bauen, das von außen und von innen aussieht wie ein Mehrfamilienhaus“, hatte Bürgermeister Thomas Stohldreier versprochen. Mittlerweile sind die Planungen weit fortgeschritten, es ist klar, dass die neue Unterkunft am Mühlenberg optisch in den dörflichen Charakter integriert werden soll. Auch eine eventuelle Nachnutzung und Umwandlung in bezahlbaren Wohnraum ist fest eingeplant.

Aschebergs Bürgermeister Thomas Stohldreier spricht vor einem Tisch mit acht Menschen und einer Bühne im Hintergrund in ein Mikrofon.
Bürgermeister Thomas Stohldreier (links) gab eine Zusammenfassung des Projektes, bevor Planungsbeteiligte das Wort ergriffen. © Laura Oswald-Jüttner

Vier massive Baukörper

Die Planung steht, die heimische Helsti Massivhaus- und Immobilien GmbH zeichnet hierfür verantwortlich. Nachdem der Gemeinderat das Projekt nun beschlossen hat, hatten Bürger erneut die Chance, sich zu beteiligen. Allerdings kamen am Donnerstagabend (20. März) nur gut 50 Personen in die Aula der Profilschule in Herbern. Das Projekt wurden noch einmal vorgestellt, dieses Mal bekamen die Menschen die geplanten Gebäude zu sehen. Die meisten zeigten sich positiv überrascht. Vier massive Baukörper gruppieren sich um einen Innenhof, baulich fügt sich alles ins Dorfbild ein.

Stohldreier betonte noch einmal: „Wir haben eine Aufnahmepflicht und möchten den Menschen eine langfristige Lösung bieten.“ Andere Kommunen kaufen kurzlebige Wohncontainer oder nutzen nach wie vor Turnhallen - beides teuer und alles andere als nachhaltig. Zur Finanzierung des Projekts werde ein zinsloser Kredit von der NRW-Bank verwendet.

Eine Frau in einer dunkelblauen Jacke spricht in ein Mikrofon. Weitere Menschen sitzen um die herum.
Einwohner teilten ihre Sorgen und Anregungen zur geplanten Flüchtlingsunterkunft an Münsterstraße/Mühlenberg/Försthövel-Waterforwinkel mit. © Laura Oswald-Jüttner

Alle möglichen Förderungen

Christian Scheipers, Fachgruppenleiter Technische Dienste bei der Gemeindeverwaltung, erklärte, dass bei der Planung Baulinien, Traufhöhen und Firsthöhen der umliegenden Häuser berücksichtigt wurden, damit sich die neuen Gebäude möglichst harmonisch ins Ortsbild einfügen. Heike Möller von der Fachgruppe Hochbau erklärte, dass alle Grundrisse identisch seien, um Kosten, Zeit und Ressourcen zu verringern. „Alle Förderungen, die möglich sind, werden wir nutzen“, fügte sie hinzu.

Dann war es an den Besuchern, Fragen zu stellen oder Impulse zu geben, die in die Planung einfließen. Ein Anwohner zeigte sich „überrascht, dass es tatsächlich gelungen ist, den Anregungen zu folgen, und ich finde die Lösung super gelungen“. Ein weiterer Gast fragte, warum die Häuser nicht direkt mit Balkonen und Terrassen ausgestattet würden, sondern erst angebaut werden, wenn die Häuser nicht mehr als Flüchtlingsunterkunft dienen, sondern in dauerhaften Wohnraum umgebaut werden. Seiner Ansicht nach könnte es zu laut und „zu drubbelig“ werden, wenn sich 100 Personen gleichzeitig im Innenhof aufhalten. Scheipers erläuterte, dass es überdachte Bereiche geben werde, in denen sich die Bewohner aufhalten können, sodass die Menschen nicht gezwungen seien, sich im Innenhof aufzuhalten.

Besonders die Sorge vor Lautstärke treibt die Anwohner um. Eine direkte Anwohnerin findet es zwar gut, dass die Unterkunft aus Massivhäusern bestehen soll, mache sich aber Gedanken, wie sich die Situation darstellt, wenn die Bewohner draußen rauchen oder grillen. Lärm und Geruchsbelästigung seien dann die Folge.

Heike Möller (hinten) von der Fachgruppe Hochbau erklärte anhand der Grundrisse die Aufteilung der Häuser. Gesche Ahmann, Nils Weber und Christian Scheipers (von links) hören zu.
Heike Möller (hinten) von der Fachgruppe Hochbau erklärte anhand der Grundrisse die Aufteilung der Häuser. Gesche Ahmann, Nils Weber und Christian Scheipers (von links) hören zu. © Laura Oswald-Jüttner

Baumbestand bleibt

Es gibt Überlegungen, die Häuserbelegung hinsichtlich der Lärmbelästigung zu überdenken. Heike Möller sagte, dass Familien mit Kindern von der Straße weg untergebracht werden sollten, während alleinreisende Geflüchtete näher an der Straße wohnen können. Thomas Stohldreier wies darauf hin, dass viele Pläne situationsabhängig entschieden werden müssen.

Fragen nach dem Erhalt des Baumbestandes kamen ebenfalls auf. Nach derzeitigem Stand bleiben die Bäume bestehen, auch wenn jetzt natürlich nicht absehbar sei, ob alle Bäume gesund sind oder es nicht doch zu Beschädigungen durch Baufahrzeuge kommt. Eine Abholzung sei nicht vorgesehen. „Was passiert mit der Zuwegung? Wenn da etliches an Baufahrzeugen durchfährt, muss die Straße ja verbreitert werden. Was ist mit den Parkplätzen?“, fragte ein Anwohner. Zudem würde die Straße durch den Baustellenverkehr ja auch beschädigt.

Scheipers informierte darüber, dass die Straße Forsthövel-Waterforwinkel bisher ein drei Meter breiter Wirtschaftsweg sei. „Ich gehe davon aus, dass die Straße erst mal wieder als asphaltierte Straße hergestellt wird.“ Mit einem kompletten Ausbau rechne er ungefähr zum Zeitpunkt der Fertigstellung. Auch Parkplätze werde es geben, aber die würden erst einmal nicht in großer Zahl benötigt, denn nur die wenigsten Geflüchteten besitzen ein Auto.

Baubeginn 2026

Eine Anwohnerin wollte wissen, ob dann auch das Angebot des ÖPNV ausgebaut werde, wenn deutlich mehr Menschen von A nach B wollen. Ein zusätzlicher ÖPNV sei nicht notwendig, das Radfahren werde als bevorzugte Mobilitätslösung gesehen. Außerdem bediene der „Kommit Bus“ der Linie K 10 das Fahrgastaufkommen, war Stohldreier sicher.

Insgesamt erhielt das Vorhaben positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung. „Aber eine Grund-Angst bleibt“, äußerte ein direkter Anwohner. Wie schon vor einem Jahr machen sich die Menschen Gedanken über einen Anstieg der Kriminalität. Auch gibt es Bedenken, dass die Menschen mit ihrem Zuhause auf Zeit pfleglich umgehen. Die Politik betonte auch am Donnerstag noch einmal: „Sprechen Sie uns an, wir kümmern uns.“

Der Zeitplan sieht vor, dass Ende dieses bis Anfang nächsten Jahres die Baugenehmigung erteilt wird. Baubeginn könnte dann in der ersten Hälfte 2026 sein, bis 2027 soll die Unterkunft vollendet sein.