Gegen den Fachkräftemangel in Ascheberg Elf Azubis aus Kamerun arbeiten bei Wecon

Gegen den Fachkräftemangel: Elf Azubis aus Kamerun arbeiten bei Wecon
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In Deutschland fehlen Fachkräfte. Einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zufolge aus dem Jahr 2024 verliert Deutschland bis 2035 insgesamt sieben Millionen Fachkräfte, weil die Generation der Babyboomer nach und nach in Rente geht. Und leicht sind junge Menschen nicht immer für eine Ausbildung zu gewinnen. Eine Lösung, auf die das Ascheberger Unternehmen Wecon setzt, sind Azubis aus Kamerun. Aktuell werden elf Männer und Frauen in dem Betrieb zu Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikern, Metallbauern, Fachkräften für Lagerlogistik sowie zu Technischen Produktdesignern und Industriekaufleuten ausgebildet. Drei weitere arbeiten als Gesellen oder Vorarbeiter in dem Betrieb.

Diesen Weg geht das Ascheberger Unternehmen seit bereits fast zehn Jahren. 2016 startete Wecon eine Kooperation mit dem Studienkolleg in Etall, Kamerun. Im selben Jahr kam der erste Auszubildende nach Ascheberg. Bis heute hat die Firma insgesamt 23 Männer und Frauen aus Kamerun ausgebildet, über alle internationalen Herkunftsländer gesehen sind es seither sogar 57 Azubis.

Hendrik Hemker ist Geschäftsführender Gesellschafter der Wecon GmbH.
Hendrik Hemker ist Geschäftsführender Gesellschafter der Wecon GmbH. © Wecon

Doch dafür gilt es für sowohl für die Bewerberinnen und Bewerber als auch für das Unternehmen einige Hürden zu überwinden. „Die Azubis müssen zu Wecon ein Sprachniveau von mindestens B2 (B1 ist die gesetzliche Mindestanforderung) mitbringen, da dies aus unserer Erfahrung für eine gelingende Integration im Betrieb und in der Schule erforderlich ist. Erfahrungen und Freude mit und an technischen Themen sind uns besonders wichtig, damit die Bewerber später im Berufsleben auch erfolgreich werden können“, erklärt Thomas Simonis aus der Marketing- und Unternehmenskommunikation von Wecon auf Anfrage.

Für Wecon selbst ist vor allem die Bürokratie eine Herausforderung, wenn es um die Anstellung der Azubis aus Kamerun geht. Der Aufwand hier sei „leider hoch, da für die Einreise und den Ausbildungsbeginn zahlreiche Formalitäten erledigt werden müssen, wie zum Beispiel die Einholung einer Vorabzustimmung der Bezirksregierung“. Das erfordert Unterlagen wie den Lebenslauf, Zertifikate über vorhandene Deutschkenntnisse, den Ausbildungsvertrag sowie einen Nachweis über den künftigen Wohnort.

Fehlender Wohnraum

Die Wohnsituation gestalte sich ebenfalls nicht leicht. „Indirekte Belastungen entstehen auch durch die Unterstützung der Azubis bei der Unterbringung. Die allgemeine Wohnraumknappheit hat die Investition in Unterbringungsmöglichkeiten notwendig gemacht, in denen die Wecon-Auszubildenden WG-Zimmer anmieten können, um nicht auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen zu sein“, so Simonis weiter.

Doch trotz aller Herausforderungen lohne sich der Aufwand am Ende: „Die Azubis sind sehr motiviert und die Auffassungsgabe ist allgemein gut, auch weil sprachliche Barrieren mit einem B2 Sprachniveau kaum relevant sind. Das Ausbildungsverhältnis unterscheidet sich insofern zu Menschen aus der Region, als dass die ausländischen Azubis anfangs natürlich Zeit benötigen, um sich zu akklimatisieren, besonders im ersten Ausbildungsjahr. Nach dieser Eingewöhnungszeit läuft die Ausbildung jedoch sehr gut“, erklärt Simonis.

Doch warum ist eine Ausbildung in Ascheberg beziehungsweise in Deutschland generell so beliebt unter den ausländischen Azubi-Anwärtern? „Deutschland hat einen guten Ruf als Ausbildungsstandort, besonders wegen des dualen Ausbildungssystems. Viele Azubis aus Kamerun haben bereits ein Bachelorstudium absolviert und sehen in der Ausbildung bei Wecon eine Möglichkeit, sich in einem technologisch immer noch führenden Industrieland weiterzuentwickeln und ihre beruflichen und damit persönlichen Perspektiven durch einen deutschen Gesellenbrief deutlich zu verbessern“, so der Unternehmenssprecher.

Und an Perspektive nach der erfolgten Ausbildung scheint es auch nicht zu fehlen. Einige der Azubis seien bei Wecon geblieben, erklärt Simonis. Von den insgesamt 57 Ausgebildeten mit internationalem Hintergrund seien bisher 38 Menschen übernommen worden. „Diejenigen, die Wecon nach abgeschlossener Ausbildung beziehungsweise in der Gesellenzeit verlassen, suchen meist den Weg zu ihren eigenen Familienangehörigen in Deutschland. Von den fertig ausgebildeten Kollegen ist bislang keiner in sein Heimatland zurückgekehrt.“

Erleichterungen seit 2023

Und was können andere Firmen aus den Erfahrungen des Ascheberger Unternehmens mitnehmen? „Wecon rät anderen Unternehmen, mutig zu sein und es auszuprobieren. Trotz der bürokratischen Herausforderungen und anfänglicher Schwierigkeiten sind die Vorteile groß, und die Azubis aus dem Ausland bringen viel Motivation und Potenzial mit. Es erfordert Geduld, aber der Aufwand lohnt sich, insbesondere wenn man sich als Unternehmen proaktiv mit den Herausforderungen auseinandersetzt“, erklärt Simonis.

Vermehrt auf ausländische Fachkräfte zu setzen, dazu rät auch die Heinrich-Böll-Stiftung. Um den deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Kräfte attraktiver zu machen, hat die Bundesregierung seit 2023 daran gearbeitet, die bürokratischen Hürden nach und nach zu senken. Am 1. Juli 2024 hat Deutschland die sogenannte Chancenkarte eingeführt. Mit ihr sollen ausländische Arbeitssuchende, die Deutsch mindestens auf A1-Niveau oder Englisch auf B2-Niveau sprechen sowie eine zweijährige Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss mitbringen, leichter Jobs in Deutschland finden können.

Neu ist bereits seit dem 1. März 2024, dass im jeweiligen Ausbildungsstaat anerkannte Berufs- oder Hochschulabschlüsse sowie eine mindestens zweijährige Berufserfahrung als Voraussetzung reichen, um auch in Deutschland zu arbeiten. Dies war bisher nur für IT-Fachkräfte möglich.