Nach Bekanntwerden des Geheimtreffens mit AfD-Politikern Neonazis durch das Recherchenetzwerk Correctiv, bei dem es um die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland ging, ist der Ruf nach einem AfD-Verbotsverfahren laut geworden. Wir haben Mitglieder aller Ascheberger Rats-Fraktionen gefragt, wie sie dazu stehen.
Die CDU
„Auch ich war erschrocken und zutiefst angewidert, als ich von dem Treffen von AfD-Politikern und anderen Rechtsextremisten erfahren habe, in dem es darum ging, wie man vermeintlich ,nicht-deutsche‘ Menschen aus unserem Land vertreiben kann“, antwortet Maximilian Sandhowe, CDU-Vorsitzender in Ascheberg. Diese Vorgänge seien „erschreckend, menschenverachtend und geschichtsvergessen“. Er verurteilt es, „dass Mitglieder der CDU sich in irgendeiner Weise mit solchen Leuten zusammentun“.

Zu einem möglichen AfD-Verbot sagt er: „Fakt ist, dass alle demokratischen Parteien gefordert sind, unsere Verfassung gegenüber rechtsextremen Kräften und gerade auch gegenüber der AfD zu schützen. Ich glaube aber nicht, dass sie am besten durch Verbote von politischen Gruppen oder Parteien geschützt wird. Der Staat hat seit den 1990er-Jahren viele rechte Gruppen verboten, die Probleme sind heute aber größer denn je. Die historischen Erfahrungen zeigen uns auch, dass sich Ideologien und Gedanken nicht verbieten lassen.“ Die gleichen Schwierigkeiten sieht er auch für einzelne AfD-Politiker.
Sandhowe sei der festen Überzeugung, dass es „aber gerade jetzt Aufgabe aller politischen Verantwortlichen ist, die AfD politisch zu stellen und zu bekämpfen, statt über ein Verfahren zu sprechen, dessen Ausgang zurzeit mehr als ungewiss ist“. Das beste Mittel gegen die AfD sei eine Politik, die die „Sorgen und Nöte der Menschen in unserem Land im Blick hat und nicht mit sich selbst beschäftigt ist“.
Mit einer ausgewogenen Einwanderungspolitik, sagt er, könne man „den leidvollen Höhenflug dieser gefährlichen Partei schnell wieder beenden“.
Freie Wähler Ascheberg
Stephan Heitbaum, Vorsitzender der Freien Wähler Ascheberg e.V. sagt: „Ein Parteiverbot würde wahrscheinlich die AfD bekämpfen, aber es bekämpft nur die Symptome und nicht die Ursache. Verfassungsfeindliche, rechtsextreme Anschauungen sitzen heute leider tief in Teilen der deutschen Gesellschaft. Diese Haltungen können nicht mit einem Verbot angegangen werden.“ Auch wenn es kleine AfD mehr gebe, werde die nächste Partei „mit denselben verfassungswidrigen Ansichten kommen“, meint er, solange sich die etablierten Parteien nicht mit „den Herausforderungen“ auseinandersetzten.
In Bezug auf Björn Höcke vertritt er folgende Meinung: „Ein Entzug der Grundrechte ist eine gute Option und sollte auf jeden Fall geprüft werden. Die Hürden hierfür sind aber sehr hoch. Wichtig ist, dass aus der Bevölkerung heraus eingefordert wird, dass die Demokratie wehrhaft sein soll. Es ist gut, dass sich immer mehr Menschen Gedanken machen, gegen die AfD vorzugehen und auch gegen einzelne Akteure der AfD. Björn Höcke ist nachweislich ein Faschist und dieser hat in politischen Ämtern nichts zu suchen.“

Auf lokaler Ebene möchte er die Sorgen und Nöte seiner Mitmenschen ernst nehmen und versuchen zu helfen, „sofern man kommunal die Möglichkeiten dazu“ habe. „Wir können nur jeden Bürger animieren, für Freiheit und Demokratie einzustehen und bei demokratischen Parteien oder Vereinigungen mitzuhelfen“, so Heitbaum.
Die SPD
„Demokratie muss sich mit allen Mitteln verteidigen“, antwortet SPD-Vorsitzender Volker Brümmer auf Anfrage. „Aber eine Meinung, die Spaltung der Gesellschaft, kann nicht durch ein Verbot verändert werden.“ Man müsse die Menschen mitnehmen und sie auf demokratische Vereinbarungen zurückführen.

In Sachen Björn Höcke empfindet es Brümmer als richtig, die Dinge auf gesetzlichem und verfassungsschutzrechtlichen Weg zu prüfen. „Das ist nicht im politischen Diskurs zu klären“, sagt er. Ganz persönlich ist es ihm wichtig, „demokratische Fehlentwicklungen ganz deutlich zu benennen und sich davon abzugrenzen. „Ich versuche das an jeder Stelle. Kaum eine Partei hat den Antifaschismus so verinnerlicht wie wir.“
Bündnis 90/ Die Grünen
„Die AfD bundesweit als Partei zu verbieten, ist keine Lösung, um rechtsextreme Gesinnung und deren Sog für tief verunsicherte Angstwähler zu verhindern“, sagt Carsten Senne, Fraktionsvorsitzender der Ascheberger Grünen. „Stattdessen erhielten AfD-Funktionäre jahrelang eine Bühne, um sich aufzuspielen im Lichte der gesellschaftlichen und medialen Aufmerksamkeit. Das Ergebnis kommt für die anstehenden Wahlen zu spät. Es bestärkte die AfD-Wählenden in ihren Ängsten des Nicht-Gesehen-und-Abgebügelt-Werdens eines vermeintlich ungerechten Staates.“
Ein Verfahren gegen Björn Höcke zur Grundrechtsverwirkung sieht er jedoch als „Signal, dass die Demokratie wehrhaft ist und einen Missbrauch von Grundrechten zu ihrer eigenen Abschaffung nicht duldet“. Dadurch sei er zwar „als Strippenzieher“ nicht ausgebremst. „Dennoch braucht es manchmal Signale der Wehrhaftigkeit und rote Linien des Erträglichen“, so Senne. „Letztere hat Björn Höcke durch ungeheuerliche Reden, Hass und Nazi-Vokabular längst überschritten. Hier sollten wir über das Bundesverfassungsgericht tätig werden.“
Bürgerinnen und Bürger seien nun gefragt, sich als Mehrheit zu Wort zu melden. „Wir sollten uns dabei nicht wie das Kaninchen vor der Schlange verhalten, nicht gegen, sondern für etwas aufstehen. Es geht nicht darum, eine Alternative zur Alternative für Deutschland zu sein, sondern selbstbewusst sichtbar zu werden als Mehrheit in einer demokratischen, freien, bunten Gesellschaft.“
Die FDP
Jochen Wismann, Fraktionsvorsitzender der Ascheberger FDP, ist wenig überzeugt von einem Verbot der AfD. „Ein Verbotsverfahren löst das Problem nicht. Es steht eine zu signifikante Wählerschaft dahinter.“ Man solle sich vielmehr fragen, woher die große Zustimmung zur AfD kommt. „Oft sind das Protestwähler, die sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen fühlen“, sagt Wismann. „Diese Bevölkerungsgruppe muss mitgenommen werden. Sonst bekommen, falls die AfD verboten wird, ähnlich gelagerte rechte Parteien Zulauf. Das Problem würde sich also nur verlagern.“

Einem Verfahren, Björn Höcke seiner Grundrechte zu entheben, steht Wismann offen gegenüber: „Wenn es das Grundgesetz gerichtsfest hergibt, sollte man das machen“, sagt er. „Aber auch da habe ich meine Zweifel. Vermutlich ist die Hürde sehr hoch.“
Auf lokaler Ebene in Ascheberg gebe es derweil keine Anzeichen für ein „AfD-Wählerpotential“. „Ein solches Wählerpotential bringt sich in die Lokalpolitik nicht ein“, sagt der FDP-Politiker. „Deshalb habe ich hier vor Ort auch keine Sorge vor einem Rechtsruck. Ich bin überzeugt, dass wir die Ascheberger Lokalpolitik so gestalten, dass sich keine AfD bildet.“
Unabhängige Wählergemeinschaft
Dr. Christoph Koch, erster Vorsitzender der UWG antwortet: „Ein AfD-Verbot ist sinnvoll, damit nicht weiter unter dem Deckmantel einer demokratischen Partei menschenverachtender Populismus betrieben werden kann.“ Darüber hinaus heißt er es gut, „in einem juristischen Verfahren Hetzern und Feinden der Demokratie das passive Wahlrecht“ abzusprechen, „insbesondere, wenn diese die Grundrechte anderer maßgeblich bedrohen.“ „Vielleicht gelingt auf diesem Wege, was in der politischen Auseinandersetzung bislang nicht gelungen ist: aufzuzeigen, dass man sich nicht hinter der Demokratie verstecken kann, wenn man diese gleichzeitig von innen heraus in den Grundfesten angreift“, so Koch.
Sein ganz persönlicher Weg sei es „in Alltagsgesprächen den Menschen aufzeigen, wie inhaltslos die Argumente dieser politischen Organisation, wie wirkungslos die vorgeschlagenen Maßnahmen sind“. Für ihn gilt: „Erinnern, immer wieder erinnern an das, was war. Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen und Deportationsfantasien dürfen auf deutschem Boden nie wieder Raum gewinnen.“