Behindertenhilfe Herbern muss sich auflösen Gemeinnützigkeit aberkannt, Kapital zwangsgespendet

Behindertenhilfe Herbern muss sich auflösen und Kapital zwangspenden
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Michel Ullrich vom Verein Behindertenhilfe Herbern ist tief enttäuscht: „Man will Gutes tun, tut dies mit viel Engagement und Herzblut und bekommt nur Knüppel zwischen die Beine geschmissen.“ Gemeinsam mit Ehefrau Silvia und weiteren Mitstreitern gründete er 2017 den Verein.

Eigene Erfahrungen mit der schwerstbehinderten Tochter Pia waren der Auslöser für die Gründung. „Wir mussten immer für alles kämpfen; jede Behandlung, jedes notwendige Hilfsmittel bedeutete oftmals einen monatelangen Schriftverkehr, Arztbesuche etc. bis zur Bewilligung. Wir wollten andere Menschen mit Behinderung unterstützen, unser Wissen weitergeben und das Wichtigste: Hilfsmittel organisieren, die zwingend notwendig sind, aber von der Krankenkasse nicht bezahlt werden.“

Tandemfahrrad organisiert

Im Laufe der Jahre haben die Aktiven ein Auto für den Transport der eingeschränkten Menschen angeschafft oder auch ein Tandemfahrrad für ein Mädchen gekauft. Solche Dinge sind oftmals notwendig, damit sich behinderte Menschen nicht ausgegrenzt fühlen und am aktiven Leben teilnehmen können.

Der Verein finanzierte sich und diese Hilfen über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Jetzt, nach sechs Jahren, gibt Familie Ullrich auf. Der Grund: Als eingetragener Verein, der Spenden gegen Quittung entgegennehmen darf, muss er dem Finanzamt alle drei Jahre Ein- und Ausgaben für die sogenannte Körperschaftssteuer nachweisen. „Das haben wir auch getan. Im November bekamen wir die Bescheide von 2019, 2020 und 2021 zurück, dass alles ordnungsgemäß geführt war und die Bescheide somit auf null sind. Diese Bescheide haben wir am 25.11.2022 erhalten und uns sehr gefreut, dass wir augenscheinlich alles korrekt abgeliefert haben; also Nachweise über Zahlungseingänge, Spenden und Ausgaben für Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen ab einem Grad von mindestens 50 Prozent.“

Kein „Sparverein“

Im Februar erhielt Michael Ullrich dann als Vorsitzender des Vereins ein Schreiben vom Finanzamt, dass dem Verein die Gemeinnützigkeit mit Wirkung vom 25. November des vergangenen Jahres entzogen wird und das Kapital satzungsgemäß an die Caritas Werkstätten Nordkirchen zu überweisen ist.

„Ich habe echt gedacht ich fall vom Glauben ab. Ein Anruf beim Finanzamt brachte keinerlei Klärung oder Erklärung. Uns wurde lediglich vorgeworfen, dass wir ja ein Verein, aber kein Sparverein seien. Aber wo und wie sollten wir den während der Corona-Zeit Geld ausgeben? Letzten Endes war dieser Brief das i-Tüpfelchen, dass das Fass zum überlaufen und uns zum Aufgeben gezwungen hat. Wir haben einfach keine Kraft mehr gegen behördliche Mühlen zu kämpfen und geben auf“, sagt Ullrich.

Spende nach Nordkirchen

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Was für die Ullrichs nun das Ende eines Traums bedeutet, ist für die Caritas Werkstätten Nordkirchen ein ausgesprochen guter Tag und ein riesengroßer Grund zur Freude. Am Mittwochnachmittag haben Silvia und Michael Ullrich das Kapital des Vereins in Höhe von 12.427,78 Euro an Werkstattleiterin Katja Alfing und Präventionsfachkraft Ann-Katrin Küpper übergeben. „Das ist einfach großartig und wir bekommen so viele Möglichkeiten geboten, Projekte umzusetzen die wir schon länger geplant haben“, so Küpper. „Bei so einer Summe profitieren ganz viele davon.“ Wie das Geld eingesetzt wird, muss letzten Endes noch besprochen werden. Vielleicht die Anschaffung von Hühnern, um die sich die Beschäftigten der Werkstätten kümmern sollen. „Das heißt für unsere Beschäftigten Verantwortung für Hege und Pflege zu übernehmen. Das fordert und fördert“, so Alfing.

Von dem Elan mit dem Ullrichs zu Beginn der Gründung gestartet sind, ist nun am Ende nichts mehr übrig. Trotzdem ist das Ehepaar dankbar für alle Spenden, Mitglieder und Unterstützer.