Bedeutungen von Straßennamen in Herbern Einzelne erinnern an den Holocaust

Heimatverein forscht zu der Bedeutung von Straßennamen in Herbern
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Straßenbenennungen dienen in erster Linie der Orientierung. Im Zusammenhang mit der Hausnummerierung tragen sie dazu bei, jegliche Liegenschaften ausfindig zu machen und die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus stellen Straßennamen „über Jahrhunderte hinweg ein kollektives Gedächtnis dar", heißt es in einer Empfehlung zur Straßenbenennung des Deutschen Städtetags.

Demnach sind Straßenbenennungen ein Teil der Erinnerungskultur. Sie spiegeln die „aktuellen Verhältnisse, die Weltanschauung und Kultur bis hin zu den Herrschaftsverhältnissen der entsprechenden Zeit wider." Schließlich werden historische Personen, Orte und Ereignisse zu unterschiedlichen Zeiten verschieden bewertet.

In der Gemeinde Ascheberg gibt es aktuell mehr als 300 Straßen. Davon befinden sich 128 Straßen in Herbern. Das teilt eine Mitarbeiterin der Gemeinde Ascheberg auf Anfrage dieser Redaktion mit. Heinz Ringelkamp vom Heimatverein Herbern hat die Bedeutung alter sowie neuer Straßennamen in Herbern erforscht und auf Info-Schildern zusammengefasst. Durch einen Zuschuss der Bezirksregierung in Form des Heimatschecks konnte der Heimatverein Herbern nun 40 Schilder als Ergänzung an die vorhandenen Straßenschilder anbringen.

Alle Straßennamen haben eine Bedeutung

Heinz Ringelkamp forscht bereits seit einem Jahr zu der Bedeutung von Straßennamen. Seine Intention damit ist, historische, weniger bekannte Persönlichkeiten aus Herbern vorzustellen. Oft wurden historische Personen, die jeder kennt, als Namensgeber für Straßen verwendet – etwa „Freiherr vom Stein" oder „Gerhard Hauptmann". Andere Namen wie „Christoph Wessel" oder Maria Lemming" sind vielen fremd, hatten aber zu Lebzeiten eine Bedeutung für Herbern und verdienen es, nicht vergessen zu werden.

Doch Ringelkamp analysiert nicht nur diejenigen Straßennamen, die auf historischen Persönlichkeiten beruhen. „Viele andere Straßennamen haben auch spannende Bedeutungen, die mir zuvor gar nicht so bewusst waren", sagt er. Denn Bezeichnungen für Straßennamen werden nicht zufällig gewählt. „Sie haben alle irgendeinen Hintergrund. Da steckt immer etwas hinter."

Deshalb hießen früher auch viele Straßen Kommunalweg oder -straße. Denn so wurden alle Straßen benannt, für die noch kein geeigneter Name gefunden worden ist. „Man hat sich die Zeit dafür genommen, einen sinnvollen Namen auszusuchen."

Keine einfache Recherche

Die Bedeutung von Straßennamen herauszufinden, ist allerdings eine ziemlich herausfordernde Aufgabe, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Möchte Ringelkamp den Hintergrund eines Straßennamens herausfinden, informiert er sich zuerst in den Büchern des Heimatforschers Josef Farwick. Findet er in diesen keine passende Antwort, versucht er sein Glück über die Suchmaschine Google.

Gelegentlich muss er sich zusätzlich an die Gemeinde Ascheberg wenden, diese dann im Archiv nach den notwendigen Informationen sucht. „Man muss schon einiges hinterfragen. Wenn eine nämlich an einem Straßenschild angebracht wird, sollte diese auch definitiv stimmen", so Ringelkamp.

Kuriose Bedeutungen von Straßennamen

Über einige Bedeutungen von Straßennamen in Herbern war Ringelkamp ziemlich verwundert. Etwa ist er bei der Bernhardstraße davon ausgegangen, dass sie nach dem ehemaligen Bürgermeister Bernhard Spetsmann benannt worden ist. Das stimmt allerdings nicht, wie Ringelkamp nach einigen Recherchen herausgefunden hat. Die Bernhardstraße hat ihren Namen erhalten, weil dort Mitte des 20. Jahrhunderts besonders viele männliche Anwohner namens Bernhard gewohnt haben. „Ganz kurios, finde ich", sagt er.

Überrascht war Ringelkamp auch, als er über die Namensherkunft der ältesten Straße Herberns, der Altenhammstraße, erfahren hat. Diese hat tatsächlich nichts mit der Nachbarstadt Hamm zutun. „Hamm" stammt von dem Begriff „Hemmen", der eine alte Bezeichnung für eine Wiese ist. Damit besagt der Name, dass auf der anderen Straßenseite früher Wiesen waren, auf denen das Vieh der Dörfler weiden konnte.

Aschoffweg hat Bezug zum Holocaust

Einige Straßennamen Herberns sind auf die Zeit des Nationalsozialismus zurückzuführen – etwa der Aschoffweg. Zur Zeit des Holocausts wurde die Jüdin Marga Spiegel mit ihrer Tochter Karin auf dem Hof Aschoff von Heinrich Aschoff in Herbern versteckt. Dort konnten sie zwei Jahre unter falschem Namen leben und sich bis zum Ende des Krieges in Sicherheit bringen.

In vielen deutschen Städten wird über Straßennamen, die an Antisemiten oder Völkermord-Beteiligte erinnern, stark diskutiert. Infolgedessen wurde in Münster etwa die Pfitznerstraße in Margarete-Moormann-Weg umbenannt. Ausschlaggebend für den Beschluss war, dass der Komponist und Dirigent Hans Pfitzner eine Stütze des NS-Regimes im Bereich Kultur war und die höchsten Würden erreicht hat, die man in der NS-Kulturpolitik erreichen konnte.

In Herbern gibt es allerdings keinen Grund für solche Diskussionen. Denn dort gibt es keine Straßenbenennung, die etwa an Nationalsozialisten erinnert. Zumindest ist das weder Heinz Ringelkamp noch der Gemeinde Ascheberg bekannt. „Und wenn das so wäre, würden wir den entsprechenden Namen ändern. Das heißt nicht, dass man Geschichte vergessen soll. Aber das man solchen Menschen ein Denkmal setzt, indem man eine Straße nach ihnen benennt, muss meines Erachtens nach nicht sein", sagt Ringelkamp.

Philosophen und lokale Persönlichkeiten

„Auf dem Knapp" war eine frühere Bezeichnung für eine Anhöhe beziehungsweise einen Höhenrücken. Die „Edith-Stein-Straße" wurde nach der Deutschen Philosophin und Frauenrechtlerin mit jüdischer Herkunft Edith Stein benannt und die „Karl-Leisner-Straße" nach dem selig gesprochenen Märtyrer der katholischen Kirche Karl Leisner. Diese Straßennamen sind nicht nur in Herbern vertreten, sondern auch in vielen anderen deutschen Städten.

Doch einige der Straßenbezeichnungen Herberns sind sehr außergewöhnlich und in keiner anderen Stadt anders zu finden. „Straßen, die nach ehemaligen Kommunalpolitikern der Gemeinde benannt sind, gibt es wahrscheinlich nur in Herbern", sagt Ringelkamp. Ein Beispiel dafür ist die Heinrich-Oettigmann-Straße. Heinrich Oettigmann war von 1896 bis 1915 Rektor der ehemaligen Volksschule Herbern.

Die Christoph-Wessel-Straße ist etwa nach dem Mitbegründer vom SV Herbern und dem ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister benannt, der Clara-Samson-Weg nach der letzten ansässigen Jüdin in der Gemeinde. „Diese Straßennamen wird es woanders wohl nicht geben."

Neue Info-Schilder in Planung

Die 40 neuen Informationsschilder von Ringelkamp wurden bereits als Ergänzung an die vorhandenen Straßenschilder angebracht. Doch bei diesen soll es nicht bleiben. „Wir wollen noch weitere Straßennamen erläutern – zum Beispiel in den Bauernschaften", sagt Ringelkamp. Diesbezüglich verweist er auf die Talstraße, die im 19. Jahrhundert noch Jammertalstraße hieß. „Menschen, die in der Straße wohnten, hatten zwar ein Haus, aber keinen Garten und kein Vieh. Darum war das eine „Jammer"talstraße.