Das, was Paul und Thea Sorges haben, ist etwas ganz Besonderes: Das Ehepaar aus Ascheberg ist seit 70 Jahren verheiratet. Vor kurzem feierten die beiden - er ist 91 und sie wird am Samstag (21.1.) 88 Jahre alt - Gnadenhochzeit.
Die Geschichte des Ehepaares beginnt im Jahr 1952. Paul ist ausgebildeter Fliesenleger, hat im Familienbetrieb gelernt. Zusammen mit einem Kumpel schaut der damalige Selmer im Januar in einen Fliesentaschenkalender, in dem verschiedene Betriebe in Deutschland aufgelistet sind.
Da es im verschneiten Winter nur wenige Arbeitsaufträge in Selm gibt, entscheiden sie gemeinsam, bei einem Betrieb in Donaueschingen anzuheuern, nur wenige Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt. „Mit Werkzeugen und auf dem Motorrad sind wir dann dahin“, erzählt Paul. Dort habe man dann auch übernachten können, sei mit Essen versorgt worden.
Auf nach Ewattingen
Einer ihrer Aufträge führt sie in die rund 20 Kilometer entfernte Gemeinde Ewattingen. Die Aufgabe: Das Rathaus und vor allem die Bäder im Keller müssen plattiert werden.
Dort, in der Gemeinde, trifft das heutige Ehepaar erstmals aufeinander: Theas Schwester bringt den beiden Männern Frühstück, Thea und Paul sehen sich dabei das erste Mal. Theas Familie hat in der Gemeinde ein Baugeschäft, sie hat noch weitere neun Geschwister.
So richtig lernen die zwei sich aber erst auf einem Musikfest kennen - und es funkt. „Das haben wir nie bereut, wir sind unsere erste große Liebe“, erzählt Paul. Doch eine Hürde müssen die zwei, die gerade einmal Anfang 20 sind, erst einmal überwinden: Im September 1952 muss Paul zurück nach Selm, sein zeitlich begrenzter Job endet.
„Wir haben dann versucht, in Kontakt zu bleiben“, berichtet Paul - über Telegramm und Briefe. Doch dann beschließen die beiden: Sie wollen zusammen bleiben und heiraten. Am 8. Januar 1953 ist es dann soweit. „Der katholische Geistliche war uns sehr zugewandt, die Kirche brechend voll“, freut sich der 91-Jährige auch heute noch.
Im April 1953 bekommt das junge Ehepaar dann Nachwuchs: Ihre Tochter Ingrid kommt auf die Welt - zwei Mädchen und zwei Jungs folgen.

1966 geht’s nach Ascheberg
Die gemeinsame Zeit von Thea und Paul in Ascheberg beginnt aber erst im Jahr 1954, vorher wohnen die beiden zur Überbrückung noch in Ewattingen. 1966 zieht das Ehepaar dann in Pauls Elternhaus. „Die Mutter hat hier noch 30 Jahre mitgelebt“, so Paul. Die Eltern hätten sich damals sehr gefreut, dass sie zurück nach Ascheberg gekommen seien.
Bis zur Rente ist Paul im Fliesengeschäft des Bruders aktiv, welches heute unter dem Namen „Fliesenfachgeschäft Homann“ immer noch existiert. Darüber hinaus entwickeln beide Hobbys: Paul wirkt in der Kapelle Ascheberg mit, macht einen Jagdschein, züchtet die Hunderasse „Deutsch Drahthaar“ - mit Unterstützung seiner Frau.
Thea selbst arbeitet viel im Garten, in dem es viel Obst und Gemüse gibt, ist im Kegelclub aktiv und praktiziert Weichstickerei. Die gemeinsame Leidenschaft der beiden ist das Spazierengehen.
Gnadenhochzeit in voller Kirche
Nun, am 8. Januar 2023, ist es dann so weit: Paul und Thea feiern Gnadenhochzeit, 70 Jahre hat ihre Ehe gehalten - darüber sind sie so froh wie am ersten Tag. Und wie schon bei der Hochzeit 1953, ist die Kirche auch dieses Mal brechend voll. „Wir haben das gar nicht geglaubt, dazu hat auch noch die Sonne geschienen“, berichtet Thea.
Gefeiert hat man mit der Familie, es gab Überraschungsbesuche, viele Glückwünsche landeten auch im Briefkasten. Generell haben die beiden viele Bekannte. „Wenn man viel abgibt, bekommt man auch was wieder.“
Heute wohnt das Ehepaar immer noch allein in Pauls Elternhaus in Ascheberg. Wenn mal was ist, wohnt eine ihrer Enkelinnen direkt nebenan, ein Sohn und eine Tochter kommen ebenfalls aus der Gemeinde und ein Sohn wohnt dazu noch in Lünen. Insgesamt haben Thea und Paul elf Enkel und sieben Urenkel, drei ihrer Kinder sind schon selbst in Rente.

Haben sie ein Geheimrezept?
Doch wie haben die beiden es geschafft, 70 Jahre zusammenzubleiben? Haben sie ein bestimmtes Geheimrezept? Nicht wirklich, sagen sie - aber gestritten haben die zwei sich natürlich auch: „Es wäre ja auch unnormal, wenn das nicht so wäre. Wenn man sich aber mal gestritten hat, dann darf man das nicht mit in den nächsten Tag nehmen - abends muss dann auch gut sein“, berichtet Paul.
„Wie hat man früher so schön gesagt: Gewitter reinigt die Luft.“ Einer der ‚Reibungspunkte‘ waren die unterschiedlichen Essensgewohnheiten: „Es traf Eintopf auf Spätzle“, erzählt der 91-Jährige mit einem Schmunzeln.
Auch die beiden haben zwischendurch schwere Zeiten durchlebt, so hat etwa die Gesundheit immer mal wieder eine Rolle gespielt. Dabei sind sie allen dankbar, die über die Zeit ihres Lebens für sie da waren. „Wir haben auf unserem gemeinsamen Weg sehr viel Unterstützung bekommen.“ Am Ende hat die beiden bis heute nichts auseinanderbringen können und sie sind so froh wie am ersten Tag, sich gefunden zu haben.
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