Hospizgruppe Ascheberg: Angst nehmen und Zeit schenken Zwischen Sterbebegleitung und Aufklärung

Hospizgruppe Ascheberg: Angst nehmen und Zeit schenken
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Seit mehr als 25 Jahren begleiten die Ehrenamtlichen der Hospizgruppe Ascheberg sterbenskranke Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt. Vier von ihnen gewähren einen Einblick in ihre Arbeit. Mechthild Maurer, eine der beiden Koordinatorinnen, erklärt, dass die Hospizgruppe derzeit aus sieben aktiven Mitgliedern besteht, wobei sich bereits neue Interessenten angemeldet haben, zu einem der nächsten Treffen zu kommen.

Im Gegensatz zu größeren Städten ist die Gemeinde Ascheberg noch sehr familiär geprägt. Elisabeth Mangels, hauptberuflich Bestatterin, weiß, dass die Menschen hier nach Möglichkeit im Kreise ihrer Lieben sterben. Zwischen zehn und 15 Menschen begleitet die Hospizgruppe im Jahr. Manchmal komme es aber vor, dass nicht der Sterbende die Begleitung benötigt, sondern die Angehörigen. Sie müssen verstehen, dass es in Ordnung ist, loszulassen, traurig zu sein.

Berentet und verwitwet

Die Motivation der Mitglieder ist von tiefgreifenden, persönlichen Erfahrungen geprägt. Bärbel Olbrich, seit 2023 dabei, entschied sich, nach dem Tod ihres Mannes der Hospizgruppe beizutreten, um anderen die Unterstützung zu geben, die sie selbst erfahren hatte. Die Arbeit auf der Palliativstation beeindruckte sie so sehr, dass sie deren Engagement fortführen wollte. „Es kommt einer am Zimmer vorbei und fragt, ‚brauchst du was, kann ich was für dich tun?‘, das fand ich einfach toll. Da habe ich gedacht, ich muss auch irgendwas machen.“

Margret Theermann war Krankenschwester und hat mehr als 20 Jahre in einem Altenheim gearbeitet. „Ich konnte 2019 in Rente gehen und habe nach einem halben Jahr gedacht, mir fehlt was, ich muss was tun. Im Altenheim habe ich oft genug gesehen, dass die Leute einsam gestorben sind, weil keiner da war von den Angehörigen. Wir als Personal hatten keine Zeit. Und das war der hauptsächliche Antrieb zu sagen, ich schließe mich der Hospizgruppe an.“ 2021 war es dann so weit.

Eigene Probleme verschwinden

Sie erinnert sich an eine ihrer ersten Begleitungen. Ein älterer Herr aus Davensberg, körperlich schlecht, dafür aber geistig noch sehr gut drauf. „Ich habe ihm aus der Zeitung vorgelesen. Er interessierte sich hauptsächlich für Tennis, weil er früher selbst gespielt hatte. Er musste dann wissen, wie die Spiele ausgegangen waren. Im Sommer bin ich mit ihm im Rollstuhl draußen gewesen. Die Frau konnte währenddessen einkaufen fahren oder auch andere Sachen erledigen.“ Bis zum Schluss begleitete Theermann ihn.

Mechthild Maurer kam 2013 über einen Vortrag zur Hospizgruppe. Damals nahm sie sich vor, sich zu engagieren, wenn sie Zeit habe. Nachdem sie ein anderes Ehrenamt aufgegeben hatte, war der Weg frei. Wann immer sie nach ihrer Motivation gefragt werde, antworte sie: „Weil es mir Spaß macht. Da komme ich zur Ruhe. Man geht in die Familien - und dann steht die Zeit still. Alle Probleme, die man selber hat, sind weg, weil man dann wirklich auf diesen Menschen fokussiert ist. Ich habe selber immer einen ganz stressigen Tag und das tut mir einfach immer gut.“

Andrea Mennemann sitzt auf einer runden Bank auf dem Friedhof in Ascheberg, Matthias Wenge steht daneben.
Andrea Mennemann von der Friedhofsverwaltung und Matthias Wenge vom Bauhof haben Ende 2022 eine neue Rundbank für Begegnungen auf dem Friedhof Ascheberg angelegt. Dort können die Besucher des Friedhofs in Ruhe verweilen und miteinander ins Gespräch kommen. © Gemeinde Ascheberg (Archiv)

Trauertreff

Elisabeth Mangels hat täglich mit dem Tod zu tun, denn sie ist Bestatterin. Da sei es anfangs auch nicht so einfach gewesen, eine Begleitung zu machen. Als Bestatterin im Ortskern von Ascheberg wäre es möglicherweise unpassend, hier zu begleiten. Also entschied sie sich, ihre erste Begleitung in Herbern zu machen. Seit 15 Jahren ist sie fester Teil der Gruppe. Bis heute besuche sie das Grab der Dame auf dem Friedhof.

Neben der Begleitung sind die Mitglieder der Hospizgruppe Ascheberg auch anderweitig aktiv. Vor etwa zwei Jahren wurde der Trauertreff ins Leben gerufen. Damit schaffen sie einen Raum, in dem Trauernde sich austauschen und ihren Gefühlen Ausdruck verleihen können. Die Teilnehmenden des Trauertreffs finden zu einem gemeinsamen Miteinander und unterstützen sich gegenseitig im Alltag. Für das Angebot seien sie dankbar. Alle acht Wochen ist freitags ein Treffen im Pfarrheim St. Lambertus in Ascheberg. Das nächste ist am 30. Mai von 16 bis 18 Uhr.

„Hospiz goes Kindergarten“

Ein absolutes Herzensprojekt ist seit 2017 „Hospiz goes Kindergarten“. Elisabeth Mangels erläutert, dass es wichtig ist, Kindern ehrlich und direkt, aber in kindgerechter Sprache, Antworten auf ihre Fragen über den Tod zu geben. „Kinder fragen direkt, und wir müssen ehrlich antworten, ohne Ängste zu schüren“, erzählt Mangels. So erklären die Ehrenamtler den Kindern, was es bedeutet, wenn jemand stirbt. Da werde nicht gesagt, Opa sei eingeschlafen, denn das schüre wiederum Ängste vor dem Schlafen bei Kindern.

Die Fragen der Kinder muten dabei für Erwachsene unter Umständen befremdlich. Was ist der Himmel? Kann ich da Playstation spielen? Warum hat ein Sarg Griffe? All diese Fragen beantwortet die Hospizgruppe. Dazu besichtigen die Kinder auch das Bestattungsinstitut, können Särge und Urnen anschauen und auch anfassen. Ein Kind habe sogar mal gefragt, ob es sich in einen Sarg legen dürfe. Es durfte und erzählte dann zu Hause, dass so ein Sarg sehr bequem sei.

Eine Hand hält einen Flyer der Hospizgruppe Ascheberg vor einen Monitor, auf dem ebenfalls ein Flyer aufgerufen ist.
Die Hospizgruppe Ascheberg bietet zusätztlich zu den Begleitungen auch einen Trauertreff an. © Laura Oswald-Jüttner

Letzte-Hilfe-Kurs

„Wir wissen es nicht, warum Menschen plötzlich sterben und das können wir auch nicht sagen. Aber wir können den Kindern sagen, sie sind tot, sie kommen nicht wieder. Aber sie haben ihre Seele, das, was bleibt“, so Mangels. Manchmal reiche das schon aus. Nach anfänglicher Skepsis hat sich das Projekt etabliert, und die Familien fragen schon, wann es weitergeht. „Es gibt vorher immer einen Elternabend, an dem alles vorab besprochen wird“, erklärt Elisabeth Mangels und fügt hinzu: „Das schönste Feedback war für uns als Hospizgruppe von einer Mutter, deren Kind bei einem Trauerfall in der Familie kam und sagte ‚Mama, du musst nicht traurig sein, ich helfe dir, ich weiß, wie das geht‘. Das war schön und hat uns wirklich Auftrieb gegeben.“

Ein weiteres Standbein: Aufklärung. Dazu bietet die Hospizgruppe, ähnlich den „Friedhofsgesprächen“ in Werne, verschiedene Informations-Veranstaltungen an. Manchmal stehen sie auf dem Markt, bieten sonntags nach der Messe Kaffee, Kuchen und Unterstützung an oder bieten Kontakt auf dem Friedhof an. Dabei möchten die Mitglieder vor allem sensibilisieren. „Melden Sie sich frühzeitig, nicht erst, wenn Sie oder Ihr Angehöriger krank sind“, appellieren die Damen. Oder: „Lasst euch palliativ einschreiben. Viele wissen gar nicht, was das ist, welcher Arzt da unterstützt. Man kann vieles abnehmen. Und das ist auch Teil der Öffentlichkeitsarbeit, die wir auch machen. Wir haben auch schon einen Letzte-Hilfe-Kurs für die Angehörigen angeboten. Darin wird erklärt, wie ich mit dem Sterbenden umgehe, was ihm guttut und was ich als Angehöriger tun kann“, erklärt Mechthild Maurer. Gemeinsam mit Elke Overmeyer ist sie Koordinatorin und Ansprechpartnerin. Zu erreichen sind bei unter den Telefonnummern 02593/60191 und 02599/2269. Da Anrufbeantworter geschaltet sind, werden Anrufer gebeten, eine Nachricht zu hinterlassen.

Angelegenheiten geregelt

Das alles habe aber auch dazu geführt, dass jeder und jede sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandergesetzt hat. Alle haben ihre Angelegenheiten geregelt, weil sie die Familie nicht damit belasten möchten. Blumen, Musik, Gebet - alles schon geklärt. Die Hospizgruppe Ascheberg ist eine vor zweien im Kreis Coesfeld, die komplett auf ehrenamtlicher Basis arbeitet und sich ausschließlich über Spenden finanziert. Sie ist der Kirchengemeinde St. Lambertus Ascheberg angeschlossen.

Der Kontakt mit den Menschen, das Mitgefühl und die Nähe sind es, was diese Arbeit ausmacht. So hinterlässt die Gruppe nicht nur bei den Menschen, die sie direkt betreuen, sondern bei allen Beteiligten einen nachhaltigen Eindruck. Sie zeigen, dass Offenheit im Umgang mit Tod und Trauer nicht nur ein Tabu auflösen kann, sondern auch die Gesellschaft darauf vorbereitet, dass irgendwann dieser letzte Weg ansteht - für jeden Einzelnen.