An manchen Stellen im Kanalsystem wachsen die Wurzeln in die Querschnitte.

© Gemeinde Ascheberg

49 Prozent an private Firma: Gemeinde Ascheberg gründet Abwassergesellschaft

rnAbwasser in Ascheberg

Die Gemeinde Ascheberg schafft es nicht mehr alleine: Sie gründet zum 1. Januar 2023 eine Abwassergesellschaft, um das Kanalsystem in den drei Ortsteilen sanieren zu können, bevor der Schaden zu groß wird.

Ascheberg

, 14.10.2021, 15:05 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Überforderung war den Vertretern der Gemeindeverwaltung am Donnerstagvormittag anzusehen. Und sie räumen ein: Die Gemeinde schafft es nicht mehr alleine, das Abwassersystem in den drei Ortsteilen allein instand zu halten. Zumindest nicht, wenn man weitermache, wie bisher, erklärte Bürgermeister Thomas Stohldreier beim Pressetermin im Bürgerforum des Rathauses. Weitermachen wie bisher, das würde bedeuten, 300.000 Euro pro Jahr in die Kanalisation zu investieren. Pflaster draufkleben, da wo es am dringendsten nötig ist. Nicht mehr.

Aber so weitermachen wie bisher will die Gemeinde nicht. Deshalb hatte der Rat der Gemeinde im nicht-öffentlichen Teil seiner Sitzung Anfang Oktober mit „großer Mehrheit“, so Stohldreier, beschlossen, eine neue Abwassergesellschaft (GmbH) zum 1. Januar 2023 zu gründen und 49 Prozent der Anteile an einen externen Partner mit eigenem Fachpersonal und Ingenieuren zu veräußern. Die Mehrheit mit 51 Prozent und damit auch das letzte Wort solle in jedem Fall bei der Gemeinde bleiben.

Gemeinde kann Sanierungsbedarf nicht mehr allein abarbeiten

„Wir können diesen Sanierungsbedarf mit unserem Personal nicht abarbeiten“, sagte Christian Scheipers vom Tiefbauamt der Gemeinde. Alleine einen Nachfolger für seinen Vertreter zu finden, habe 1,5 Jahre und vier Ausschreibungen gedauert. Und eine weitere Vakanz kündige sich im Tiefbau auch schon an. Nicht nur reiche das Personal der Gemeinde jetzt schon nicht aus, auch das bisher investierte Volumen, das bisher pro Jahr investiert worden sei, reiche bei dem sich anstauenden Sanierungsbedarf nicht mehr aus.

Hier haben sich zwei Kanalstücke voneinander gelöst und es ist eine Versatzlücke entstanden.

Hier haben sich zwei Kanalstücke voneinander gelöst und es ist eine Versatzlücke entstanden.

121 Kilometer Abwasserkanäle gibt es laut Verwaltung in der Gemeinde Ascheberg. Kurzfristig müssten 4,1 Kilometer dringend saniert werden, mittelfristig sind es aktuell laut Scheipers 12,8 Kilometer. 31,9 sind es bei den langfristig nötigen Maßnahmen. Vor allem diese ersten beiden Posten will die Gemeinde auf unter einen Kilometer herunterarbeiten. Das ginge, so Scheipers, wenn die neue Gesellschaft anstelle der bisherigen 300.000 Euro 800.000 Euro pro Jahr investiere. So könne man bis 2032 insgesamt 30 Kilometer Kanalnetz sanieren. Bliebe man bei der alten Strategie, schaffe man bis dahin 15,76 Kilometer. Bis dahin würden sich dann 39 Kilometer kurz- und mittelfristige Sanierungsmaßnahmen anstauen.

Hier seien Wurzeln in die Querschnitte gewachsen, da haben sich Lücken aufgetan. Aus einem weiteren Kanalrohr ist eine Scherbe herausgebrochen. „In Schulnoten haben wir derzeit eine 2-. Wenn wir bei unserer bisherigen Strategie bleiben eine 4-. Und mit der neuen Strategie eine 2+“, so Klaus van Roje (Fachbereichsleiter Bauen und Wohnen). Nicht zu vergessen sei auch, dass der Wohnraumbedarf immer weiter steige und sich damit auch das Kanalnetz noch weiter vergrößere.

In diesem Rohr hat sich eine Scherbe gelöst.

In diesem Rohr hat sich eine Scherbe gelöst. © Gemeinde Ascheberg

Gemeinde begründet Nicht-Öffentlichkeit mit Verfahrensvorgaben

Kommende Woche soll die Ausschreibung europaweit veröffentlicht werden, um einen erfahrenen Partner zu finden, der mit der Gemeinde über einen Zeitraum von 25 Jahren die Gesellschaft leitet. Endet der Vertrag, könne der Partner seine Anteile nicht ohne Zustimmung der Gemeinde weiterveräußern. „Bei Auflösung geht die Gesellschaft zu 100 Prozent zurück an die Gemeinde“, so Scheipers. Das sei auch der Fall, wenn der Partner Insolvenz anmelde. „Die Gemeinde hat jederzeit Zugriffsrecht.“

Durch die Gründung der Gesellschaft ergäbe sich keine Steigerung der Abwassergebühren, versicherten die Gemeindevertreter. Bei einem größeren Investitionsvolumen könne das aber auf lange Sicht geschehen. Durch die Gesellschaft verspricht sich die Gemeinde auch wieder mehr Ressourcen für andere Tiefbauprojekte wie den Straßenendausbau und die Ortskernumgestaltung.

Auf die Kritik, warum die Gemeinde über diesen Beschluss nicht eher öffentlich informiert habe, entgegneten die Vertreter: „Wir wussten überhaupt noch nicht, wo die Reise hingeht.“ Man sei sehr gerne transparent, aber hier sei man an Vergaberechtsvorgaben gebunden. Auch habe man keine verfahrenstechnischen Fehler machen wollen.

Die alte gegen die neue Strategie: mit 8 Millionen Euro in 10 Jahren ließe sich der Sanierungsstau laut Gemeinde auflösen.

Die alte gegen die neue Strategie: mit 8 Millionen Euro in 10 Jahren ließe sich der Sanierungsstau laut Gemeinde auflösen. © Spiller

  • Kommende Woche wird die Gemeinde die Ausschreibung für einen Partner in der Gesellschaft veröffentlichen.
  • Bis Ende November dann haben die Firmen Zeit, sich zu bewerben.
  • Dann werden die Unterlagen der Teilnehmer ausgewertet.
  • Die Fimen, die für die Gemeinde Ascheberg in Frage kommen, bekommen bis Ende Dezember/Anfang Januar die Ausschreibungsunterlagen zugesandt samt Verschwiegenheitserklärung.
  • Wenn die Firmen ihre Angebote eingereicht haben, geht es in ein bis drei Verhandlungsrunden.
  • Im April/Mai soll dann der Vergabevorschlag für einen Partner nicht-öffentlich beschlossen werden.
  • „Wir hoffen, dass wir das bis zur Sommerpause hintereinander bekommen“, so Bürgermeister Thomas Stohldreier.
  • Das Altvermögen soll alleinig in Gemeindehand bleiben.
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