Die Nachricht hat in Heek förmlich wie eine Bombe eingeschlagen. Wut, Frust und Unverständnis machen sich breit. Der voraussichtliche Antragskorridor der geplanten Wasserstoffleitung von Emsbüren nach Dorsten (Thyssengas) würde für die Gemeinde Heek gravierende Folgen haben.
Thyssengas selbst bezeichnet diesen Korridor auf Anfrage als „raumverträglichste Variante“. Diese fokussierte Variante ist jedoch für Heek – und dabei speziell den Ortsteil Nienborg – praktisch ein K.-o.-Kriterium für die weitere, perspektivische Siedlungsentwicklung nach Osten.
Teures Großprojekt
Ein Schritt zurück. Thyssengas plant den Bau einer rund 100 Kilometer langen Wasserstoffleitung von Emsbüren nach Dorsten. Bis Ende 2029 soll das Projekt abgeschlossen sein. Die Leitung selbst gehört zum von der Bundesnetzagentur genehmigten Wasserstoff-Kernnetz und soll das Emsland mit dem Ruhrgebiet verbinden. Es geht um Versorgungssicherheit.
Gut 364 Millionen Euro soll das Projekt kosten, wie Thyssengas selbst bereits mitgeteilt hat. Der Korridor- und Trassenverlauf wird dabei auch durch den Kreis Borken verlaufen und dabei neben Legden auch Nienborg stark treffen, wie sich jetzt herausgestellt hat.
650-Meter-Korridor
Im November 2024 gab für den Leitungsbau die sogenannte Antragskonferenz, die für die Raumverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Diese soll laut Thyssengas im dritten Quartal 2025 starten.
Derzeit, so teilt Thyssengas dieser Redaktion mit, erarbeite man dafür die Antragsunterlagen. Der Fernleitungsnetzbetreiber hat zwei je 650 Meter breite Korridore mit Hinweisen aus der Antragskonferenz ermittelt, in denen einmal die 40 Meter breiten Trassen liegen könnten.
Zurück zur Gegenwart. Und der Wut und dem Unmut in Heek. Ausgelöst durch den von Thyssengas favorisierten Trassenverlauf. Wichtig: Ein finaler Entschluss fällt erst nach der Raumverträglichkeitsprüfung samt Öffentlichkeitsbeteiligung. Zuständig hierfür ist die Bezirksregierung Münster.
Allerdings spricht schon jetzt vieles dafür, dass es auch am Ende jene Variante wird, die Thyssengas aktuell als „raumverträglichste Variante“ bezeichnet. Einfach, weil der kürzere Alternativkorridor laut Heeker Verwaltung Natur- und Artenschutzbelangen im Wege stehe.

Beide Korridore kommen von Ochtrup aus auf Nienborg zu, wie den aktuellen Planunterlagen zu entnehmen ist. Mit dem Unterschied, dass der von Thyssengas favorisierte Verlauf unmittelbar an der Wohnbebauung im Osten Nienborgs vorbeiführt. Dichter dran geht nicht mehr.
Abgesehen davon, dass die Heeker Verwaltung – wie sich im jüngsten Bauausschuss zeigte – die bisherige, spärliche Kommunikation seitens Thyssengas kritisiert, ist auch der Ärger über den geplanten Trassenverlauf groß.
Selten sind in politischen Sitzungen in Heek derart kritische Töne seitens der Verwaltung zu hören. Und auch die Lokalpolitik zog mit. Man müsse aufstehen und sich gegen den geplanten Trassenverlauf wehren, man dürfe nicht alles einfach hinnehmen, es sei Zeit, sich juristisch zu wehren.
„Hier soll die Planungshoheit der Gemeinde drastisch beschnitten werden“, wetterte der Ausschuss-Vorsitzende Hermann-Josef Schepers (SPD). Ralf Weichert (DB) stellte klar: „Wir dürfen uns nicht einfach immer alles gefallen lassen. Wir müssen uns jetzt wehren, bevor es zu spät ist.“
Keine Verhinderung möglich?
Die Verwaltung teilte mit, dass man Thyssengas bereits das Missfallen mitgeteilt habe, musste aber auch einräumen, dass die Möglichkeiten, es zu verhindern, gering seien. „Wir werden es wohl nicht verhindern können“, machte Bürgermeister Franz-Josef Weilinghoff deutlich.
Auch der Umstand, dass weder in Heek noch im Kreis Borken Dialogmärkte zur geplanten Leitung stattfinden sollen, sorgte für Unverständnis. Immerhin wird der Kreis von der Leitung stark betroffen sein. Laut Verwaltung fehle es Thyssengas dafür an „personellen Ressourcen.“
Doch kann das sein? Darauf angesprochen, teilt der Fernleitungsnetzbetreiber mit, dass im Vorfeld der Raumverträglichkeitsprüfung vier Dialogmärkte (Bürgerinformationsveranstaltungen) „im Projektraum“ durchgeführt würden. In Dorsten, Coesfeld, Wettringen und Emsbüren.
Diese Veranstaltungen stünden allen Interessierten offen. Mit den gewählten Kommunen sei eine „angemessene räumliche Abdeckung sichergestellt“. Die Frage, warum es im Kreis Borken keine solche Infoveranstaltung gibt und ob dies am Personalmangel liegt, beantwortet Thyssengas nicht.
Aber der Fernleitungsnetzbetreiber teilt mit, dass man „aktuell mit der Gemeinde Heek im Austausch“ sei. Und stellt zudem in Aussicht, den aktuellen Stand des Leitungsvorhabens „im öffentlichen Teil einer der künftigen Ratssitzungen vorzustellen“. Daran kann also auch jeder Bürger teilnehmen.
Des Weiteren solle es im Vorfeld des späteren Planfeststellungsverfahrens sowie der späteren Bauphase der Leitung „weitere Dialogmärkte bzw. Kommunikationsangebote entlang des Korridores bzw. der Trasse“ geben.
Ob dann der Kreis Borken oder Heek dabei sein werden, ist offen. So oder so muss Thyssengas sich auf Widerstand aus der Dinkelgemeinde einstellen. Die Lokalpolitik beauftragte die Verwaltung, mit den ebenfalls (stark) betroffenen Nachbarkommunen Legden und Ochtrup Kontakt aufzunehmen.
Ziel soll es sein, eine Resolution gegen den geplanten Trassenverlauf auf den Weg zu bringen. Auch soll der Städte- und Gemeindebund kontaktiert werden, um ausloten, welche rechtliche Handhabe möglich sein könnte.
Diesen Artikel haben wir ursprünglich am 14. April 2025 veröffentlicht.