Es sind Szenen, die an Tragik nicht zu überbieten sind. Der 58-jährige Heeker bricht in Tränen aus, schluchzt und schlägt die Hände vor sein Gesicht. „Ich, ich wollte das doch alles nicht“, bricht es aus ihm heraus. Er ist sichtlich mitgenommen. Denn das, was er zu verantworten hat, kann er niemals wieder ungeschehen machen. Und auch nicht wieder gutmachen.
Rückblick. Es ist der 11. Oktober 2023, in den frühen Morgenstunden auf der B70 in der Heeker Bauerschaft Averbeck. Es ist noch dunkel, die Dämmerung setzt erst ganz leicht ein. Wenige hundert Meter vor der Kreuzung mit dem Schöppinger Damm will der Heeker mit seinem Pkw in eine Hofeinfahrt abbiegen. Eine Entscheidung mit fatalen Folgen.
Fehleinschätzung
Nach eigener Aussagen in der jüngst stattgefundenen Gerichtsverhandlung sah der 58-Jährige in einiger Entfernung einen Motorradfahrer aus Schöppingen (60) ankommen. Und doch dachte sich der Heeker, er schaffe das Abbiegemanöver nach links noch vorher. Ein Irrtum. Es krachte.
Bei der Kollision wurde der Kradfahrer meterweit durch die Luft in den angrenzenden Graben geschleudert. Nach Polizeiangaben seinerzeit an der Unfallstelle war der Schöppinger in die rechte Seite des Autos gerauscht. Mit „sehr schweren Verletzungen“ wurde der Mann ins Krankenhaus gebracht.
Pflegefall
Heute ist der Schöppinger ein Pflegefall, wie seine Frau hörbar mitgenommen während der Gerichtsverhandlung – der Heeker war wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt – auf Nachfrage der Richterin schilderte.
Sein Zustand sei „sehr schlecht“, er sei ein „schwerster Pflegefall“. Eine Kommunikation sei nicht mehr möglich. Nur anhand seiner Augen sehe man, dass er etwas mitbekomme. Worte, die den Heeker verzweifeln ließen.

Über seine Verteidigerin ließ er ausrichten, dass ihm alles „so leid tue“. Ihm sei der Unfall „sehr nahegegangen“. An ein normales Leben ohne Schuldgefühle sei nicht mehr zu denken. Stille im Saal. Die Spannung war greifbar.
Mit ruhigen und bedacht gewählten Worten leitete die Richterin dann die Verhandlung zu jenem Punkt, die bis heute Fragen aufwirft. War der Motorradfahrer zu schnell unterwegs? Der Verdacht stehe im Raum, sei aber nicht durch die Akten belegt, wie die Richterin anmerkte.
Vorläufige Einstellung
Ein Umstand, den die Ehefrau von den Zuschauerplätzen aus als „ausgeschlossen“ bezeichnete. Ihr Mann sei stets angepasst, sicher und vorsichtig gefahren. Wäre der Motorradfahrer allerdings tatsächlich zu schnell gewesen, dann wäre der Punkt der Fahrlässigkeit des Heekers vom Tisch.
Geklärt wird diese Frage wohl nicht mehr. Entsprechend brachte die Richterin eine vorläufige Verfahrenseinstellung ins Spiel. „Jeder sieht hier, dass Sie das Geschehene mitnimmt.“ Die Auflage: Der Heeker muss 3200 Euro an die Familie des Schöppinger Kradfahrers zahlen.
Der Rechtsbeistand der Familie, die als Nebenkläger auftrat, pochte zudem vehement darauf, dass dem Heeker die Fahrerlaubnis entzogen wird. Das lehnte die Richterin ab, da eben nicht klar sei, ob der Heeker nun fahrlässig gehandelt habe oder aber der Kradfahrer zu schnell gewesen sei.
Strafrechtlich ist die Sache für den Heeker jetzt vorläufig erledigt. Trotz offener Fragen. Zivilrechtlich ist das letzte Wort allerdings noch lange nicht gesprochen. Auf diese Trennung von Zivil- und Strafrecht wies auch die Richterin ausdrücklich am Ende dieser sehr emotionalen Verhandlung hin.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 5. August 2024.