Haftbefehl gegen Obdachlosen erlassen Er beschäftigt Justiz und Polizei seit Jahren

Haftbefehl gegen Obdachlosen: Er beschäftigt Justiz und Polizei seit Jahren
Lesezeit

Er taucht mal in Heek auf, dann wieder in Schöppingen und auch im Kreis Steinfurt ist er kein Unbekannter. Er ist ohne festen Wohnsitz und hat Verwandte in Schöppingen. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln seit Jahren und immer wieder gegen den Mann. Jetzt wurde gegen ihn ein Haftbefehl erlassen. Der Justiz blieb keine andere Wahl.

Zahlreiche Straftaten in den zurückliegenden Jahren sollen auf das Konto des Mannes gehen. Das bestätigt die Staatsanwaltschaft Münster auf Anfrage. Oberstaatsanwalt Dirk Ollech spricht von einer „Vielzahl aktueller Verfahren“. Ebenso sei auch schon eine „Vielzahl“ eingestellt worden. Etwa, wenn sie für die Gesamtstrafe keine Rolle mehr gespielt hätten.

Leichenwagen-Diebstahl

Das belegt, wie oft der obdachlose Mann schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Und es noch immer tut. Die Polizei bestätigt auf Anfrage, dass gegen den Mann wegen einer „Vielzahl weiterer Delikte“ ermittelt werde. „Weiterer“ deshalb, weil die Polizei die Informationen der Redaktion bestätigt, dass der Diebstahl des historischen Leichenwagens aus Nienborg Ende August 2022 auf das Konto des Wohnungslosen ging.

Der Fall sorgte seinerzeit für überregionale Aufmerksamkeit. Nach einer Irrfahrt durch den Kreis Borken und Steinfurt konnten Polizeibeamte den Mann am 1. September in Ellewick verhaften und den Fiat 600 T sicherstellen. Aufmerksamen Zeugen war zuvor das gesuchte Auto aufgefallen. Sie brachten es zum Anhalten.

Diesen Leichenwagen klaute der Obdachlose Ende August 2022 in Nienborg. Dafür wurde er bereits rechtskräftig per Strafbefehl verurteilt.
Diesen historischen Leichenwagen klaute der Obdachlose Ende August 2022 in Nienborg. Dafür wurde er bereits rechtskräftig per Strafbefehl verurteilt. © Privat

Im Wagen fanden die Beamten Drogen und Diebesgut aus weiteren Straftaten. Einen Führerschein hatte der Obdachlose nicht. Das deckt sich mit Angaben der Staatsanwaltschaft Münster, die im Kern seit 2018 gegen ihn ermittelt. Unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung, Beleidigung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Besonders in den Jahren 2021 bis 2023 hätten sich die Straftaten, die angeklagt wurden, gehäuft. Für den Diebstahl des Leichenwagens wurde der Mann bereits rechtskräftig per Strafbefehl verurteilt. Zahlen kann er die Strafe nicht. Er ist ohne festes Einkommen und lebt primär von Sozialhilfe.

Nicht vor Gericht erschienen

So wurde es vor dem Amtsgericht Ahaus kommuniziert, wo sich der Obdachlose in dieser Woche für drei Straftaten Ende 2022 in Heek (Diebstahl und Sachbeschädigung) hätte verantworten sollen. Doch erschienen ist der Mann nicht. Trotz seiner Wohnungslosigkeit soll die Zustellung der Ladung über die Gemeinde Schöppingen funktioniert haben.

Dass der Wohnungslose dort kein Unbekannter ist, bestätigt Bürgermeister Franz-Josef Franzbach auf Nachfrage. Der Mann habe Verwandte in der Gemeinde. Auch in der Nachbargemeinde Heek ist der Mann bekannt. „Den kennen wir natürlich auch“, so Bürgermeister Franz-Josef Weilinghoff.

Das Amtsgericht Ahaus erließ gegen den Obdachlosen einen Vorführungshaftbefehl, da dieser unentschuldigt der anberaumten Verhandlung ferngeblieben war.
Das Amtsgericht Ahaus erließ gegen den Obdachlosen einen Vorführungshaftbefehl, da dieser unentschuldigt der anberaumten Verhandlung ferngeblieben war. © Till Goerke

In Heek soll der Obdachlose zuletzt auch auf dem Schützenfest negativ aufgefallen sein. Der Schützenverein selbst hielt sich dazu seinerzeit auf Nachfrage bedeckt. Mehrere Gäste der Party schilderten der Redaktion aber, dass der Mann im Festzelt für Aufsehen gesorgt habe.

Dass die Ermittlungen gegen den Mann aufgrund seiner Obdachlosigkeit und damit seines nicht immer klaren Aufenthaltsortes nicht ganz einfach sind, bestätigt die Polizei. Sehr hilfreich seien in diesen Fällen aber die Bezirksbeamten, die natürlich die Sache in der jeweiligen Kommune im Blick hätten. In diesem Fall inklusive der bevorzugten Aufenthaltsorte.

Vorführungshaftbefehl

Und um genau diese wird es jetzt auch zeitnah ganz explizit gehen. Denn da der Obdachlose, der immer wieder zur Flasche greifen soll, einfach unentschuldigt nicht zur anberaumten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Ahaus erschienen ist, hat der Richter einen Vorführungshaftbefehl erlassen.

Grundlage dafür ist Paragraf 230 der Strafprozessordnung. Darin heißt es: „Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen [...]“.

Polizei am Zuge

„Es geht darum, dass eine ordnungsgemäße Verhandlung stattfinden kann“, erklärt der Direktor des Amtsgerichts Ahaus, Benedikt Vieth, im Gespräch mit der Redaktion. Nach Erlass eines Vorführungshaftbefehls durch ein Gericht ist es Sache der Polizei, die betroffene Person zu ergreifen.

Im besagten Fall muss die Polizei nun den Obdachlosen so passend aufgreifen, dass die nächste anberaumte Verhandlung am Amtsgericht stattfinden kann. Wie genau dabei die Polizei vorgeht, ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Polizei-Sprecher Markus Hüls betont aber: „Es ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, da ist Fingerspitzengefühl verlangt.“ Es gebe dabei kein festes Vorgehen. Letztlich liegt es im Ermessensspielraum der Polizei, den richtigen Zeitpunkt abzupassen.

Ein Haftaufenthalt bis zur nächsten Verhandlung ist dabei laut des Direktors des Amtsgerichts Ahaus nicht ausgeschlossen. Wie es nach der Verhandlung mit dem Wohnungslosen weitergeht, ist offen. Denkbar ist zunächst, dass alle Anklagen gegen den Mann zusammengefasst werden. Ebenso steht im Raum, die Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung zu prüfen.