Durchgesickert ist es bereits Anfang Februar 2024. Die Gemeinde Heek will in einem idyllischen Nienborger Wohngebiet ein Mehrfamilienhaus zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktionieren. Das hat die Gemeinde bereits seinerzeit auf Anfrage bestätigt. Jetzt werden die Details bekannt. Und: Die Nachbarschaft kritisiert das Vorhaben in einem Brief mit scharfen Worten.
Bereits im Februar lagen der Redaktion Informationen vor, dass das auserkorene Mehrfamilienhaus zentral im Schäpersgraben liegt. Einer gediegenen Siedlung mit vorwiegend Einfamilienhäusern. Mit Verweis auf ein laufendes Verfahren bestätigte die Verwaltung diese Informationen seinerzeit nicht.
Gemeinde muss handeln
Doch jetzt geht sie in die Offensive. Das Thema steht auf der Tagesordnung für die kommende Ratssitzung (15. Mai). Als Kenntnisnahme. Und Bürgermeister Franz-Josef Weilinghoff bezieht im Vorfeld der Sitzung auf Anfrage Stellung zur Anliegerkritik. Das dazugehörige Schreiben wurde der Redaktion bereits vor einigen Tagen zugespielt. Aber der Reihe nach.
Dass auch die Gemeinde Heek mit der Unterbringung von Flüchtlingen zu kämpfen hat, ist kein Geheimnis. Über 300 geflüchtete Menschen haben bisher in Heek eine Bleibe gefunden. Die Zuweisung erfolgt durch die Bezirksregierung nach einem Verteilerschlüssel, die Gemeinde muss darauf reagieren. Also auch entsprechenden Wohnraum schaffen.

Bis die zwei neuen Flüchtlingsunterkünfte (Stroot und Meteler Straße) gebaut und bezugsfertig sind, wird es noch eine Weile dauern. In Nienborg mutmaßlich länger als im Ortsteil Heek. Die Zuweisungen laufen weiter.
Darum ergriff die Gemeinde die sich bietende Chance und kaufte das zentral gelegene Mehrfamilienhaus im Schäpersgraben für „eine mittlere sechsstellige Summe“. Wobei der Kaufvertrag noch nicht unterschrieben sein soll. Laut Verwaltung mussten noch „Detailfragen“ mit dem Noch-Eigentümer geklärt werden. Das sei kürzlich erfolgt.
Ist das Objekt offiziell in den Besitz der Gemeinde übergegangen, will die Verwaltung beim Kreis Borken einen Antrag auf Genehmigung für „die Unterbringung von Flüchtlingen“ stellen. Auch ein Brandschutzgutachten muss noch erstellt werden. Im Genehmigungsverfahren soll auch die „maximale Nutzungszahl“ festgelegt werden.
300 Quadratmeter
Genau an dieser stößt sich die Nachbarschaft. Die Zahl 32 steht auf Basis einer vorläufigen Beurteilung des Kreises nach einer Begehung des Objektes im Raum. Die Gemeinde selbst spricht von „drei bis fünf Wohneinheiten“. Fünf „in der Spitze“. Vier Wohnungen plus eine (optionale) Dachgeschosswohnung stehen im Objekt bei rund 300 Quadratmetern zur Verfügung.
Aus dem Schreiben der Nachbarschaft im Nachgang an eine Anliegerversammlung im Rathaus (1. März) geht hervor, dass diese forciert, dass die maximale Zahl der Flüchtlinge in dem Objekt auf 10 reduziert werden soll. Auch, damit „ein kommunikativer und respektvoller Umgang möglich ist“.

Ein Ansinnen, das die Verwaltung strikt ablehnt. Nicht aus Willkür, sondern, weil zehn Bewohner auf 300 Quadratmeter „zu viel Platz für den einzelnen Bewohner“ bedeuten würden. Dabei geht es nicht darum, dass man das den Flüchtlingen nicht gönnt, sondern es geht um die Verhältnismäßigkeit zu anderen Unterkünften. Zu große Unterschiede sollen vermieden werden.
Die Sorge bei den Anliegern ist groß, dass in dem Mehrfamilienhaus vornehmlich alleinreisende, männliche Flüchtlinge untergebracht werden.
Dem steuert die Gemeinde entgegen. „Vorwiegend“ sollen Flüchtlingsfamilien dort einziehen, heißt es. Allerdings hat die Gemeinde keinen Einfluss darauf, welche Flüchtlinge (Alter/Geschlecht/Nationalität und mit oder ohne Familie) ihr zugewiesen werden. Es ist quasi eine Lotterie.
Kritische Worte
Das Schreiben der Nachbarschaft – unterzeichnet von 45 Personen – selbst ist strukturiert aufgebaut. Es schießt in der Wortwahl auch nicht über das Ziel hinaus. Bezogen auf Flüchtlinge. Anders als jenes, das sich gegen den Neubau der Flüchtlingsunterkunft in Nienborg richtete. In diesem Brief wurde Flüchtlingen pauschal Mord und Vergewaltigung unterstellt.
Aber: Auch die Nachbarschaft Schäpersgraben wählt kritische Worte, greift die Verwaltungsspitze verbal an. Was ist dran an der Kritik? Über die zentralen Punkte, die auf der Anliegerversammlung zur Sprache kamen und auf die sich das Schreiben bezieht, haben wir mit dem Bürgermeister gesprochen.
Auszug Schreiben: „Selbst das Recht auf freie Meinungsäußerung scheint von Ihnen nicht gewollt. [....] Sie können uns nicht in die Pflicht nehmen.“
Franz-Josef Weilinghoff: „Wir haben niemandem Honig um den Mund geschmiert. Ich habe schon deutliche Worte gewählt, aber natürlich hören wir uns auch die Meinung der Anlieger an. Wir verstehen auch, dass die Nachbarn nicht begeistert sind, aber es ist eine politische Entscheidung. Wir haben auch niemanden in die Pflicht genommen, sondern hoffen, dass die Anlieger beim Gelingen der Integration helfen können.“
Auszug Schreiben: „Unbequeme Fragen wurden belanglos kommentiert [...]. Die Konfrontation mit Fakten wurde unwirsch beiseitegeschoben.“
Franz-Josef Weilinghoff: „Den spontan vorgelegten Fragenkatalog auf der Versammlung haben wir vollständig beantwortet. Dass die Antworten nicht alle zufriedenstellen, ist auch klar. Wir können auch keine Ängste nehmen, aber erklären, warum wir was machen. Wir werden auch niemanden im Regen stehen lassen. Unser Sozialarbeiter wird auch vor Ort sein.“
„Gute Option“
Bleibt noch die Frage, warum die Wahl zur Unterbringung weiterer Flüchtlinge auf das Objekt im Schäpersgraben fiel? Dass diese Entscheidung auf Widerstand stoßen würde, hätte man sich ja im Vorfeld denken können.
„Es ist eine gute Option an dieser Stelle“, betont der Bürgermeister. Die Kaufsumme sei „ein sehr gutes Angebot“ gewesen. Und das Objekt könne auch gut wieder „abgestoßen“ werden. Sprich einer anderen Nutzung zugeführt werden. Es klingt also eher nach einer Übergangs- statt Dauerlösung.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 9. Mai 2024.