Georadar enthüllt mysteriösen Hohlraum unter Altar in Heek Ritter begraben?

Geheimnisvolle Entdeckung in St.-Ludgerus-Kirche: Hohlraum unter Altar
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Es ist ein auf den ersten Blick ungewöhnliches Bild. Dort, wo sonst Bänke stehen, Gottesdienste gefeiert werden und gebetet wird, fliegt eine Drohne und allerhand weitere hochspezialisierte Technik kommt zum Einsatz. Die St.-Ludgerus-Kirche ist leergeräumt. Die Heeker Georadar GmbH ist in einem Spezialeinsatz und macht am Altar eine mysteriöse Entdeckung. So geschehen bereits im Mai 2023. Im September gab es erste Erkenntnisse.

„Gottesacker“

Zum Hintergrund: „Heilig Kreuz Heek“ ist der Name der Katholischen Kirchengemeinde für Nienborg, Ahle und Heek. Der Name bezieht sich dabei auf das über 800 Jahre alte Hochkreuz, das hinter dem Altar in der St.-Ludgerus-Kirche steht. Datiert wird dieses um 1200. Das Hauptschiff der Kirche entstand 1250.

Die Kirche St. Ludgerus steht für eine Jahrhunderte alte Geschichte der Menschen und Christen in der Dinkelgemeinde. Natürlich ist auch im Christentum der Tod Bestandteil des Lebens und der Religion. Bis zum Geist der Aufklärung - verbunden mit staatlichen Vorschriften - gab es bis zum 18./19. Jahrhundert eine enge Verbindung von Kirche und Friedhof.

Der sogenannte „Gottesacker“, also Grabfelder um die Kirche, sind typisch christlich. Genau so wurde es auch in Heek viele Jahrhunderte praktiziert, ehe von dem Kirchengebäude losgelöste Friedhöfe angelegt wurden. Auch die Menschen aus Nienborg wurden bis 1830 im Ortsteil Heek beigesetzt, da es bis dahin in Nienborg kein eigenes Begräbnisrecht gab.

Das Georadar-Team hat unter anderem das Hauptschiff der Kirche und den Chorraum, der nachträglich angebaut wurde, untersucht.
Das Georadar-Team hat unter anderem das Hauptschiff der Kirche und den Chorraum, der nachträglich angebaut wurde, untersucht. © Georadar Heek

Heißt, dass auch die Ritter und Adeligen von der Burg einst in Heek rund um die St.-Ludgerus-Kirche ihre letzte Ruhestätte bekamen. Die Landesburg Nienborg selbst wurde 1198 durch Fürstbischof Hermann II. von Katzenelnbogen errichtet und im Spanisch-Niederländischen Krieg 1593 zerstört.

Und was hat das jetzt mit den Arbeiten des Heeker Georadar-Teams in der Kirche zu tun? Eine ganze Menge. Das Team um Inhaber und Geschäftsführer Winfried Leusbrock nahm das Hauptschiff, den Chorraum und die Außenflächen der Kirche auf Wunsch von Pfarrer Josef Leyer Anfang Mai genau unter die Lupe.

Die St.-Ludgerus-Kirche kann auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken.
Die St.-Ludgerus-Kirche kann auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken. © Georadar Heek

Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Vor allem, wenn man etwas tiefer in die Geschichte der Heeker Kirche eintaucht. Waren die Außenbereiche der Kirche mit Blick auf die Georadaruntersuchungen unauffällig, sieht das im Chorraum, dort wo auch der Altar steht, anders aus.

Die Georadar-Wissenschaftler entdeckten unter diesem einen Hohlraum. Drei Meter lang und zwei Meter breit. Gelegen in einer Tiefe ab gut einem bis hin zu fünf Metern. Dass es sich dabei um einen „normalen“ Erdeinbruch handelt, schließt Winfried Leusbrock auf Basis der Auswertung aus.

Anfang Mai 2023 untersuchte das Georadar-Team mit Spezialtechnik über mehrere Stunden die Kirche. Die Kirchenbänke wurde dafür extra zur Seite geräumt.
Anfang Mai 2023 untersuchte das Georadar-Team mit Spezialtechnik über mehrere Stunden die Kirche. Die Kirchenbänke wurde dafür extra zur Seite geräumt. © Georadar Heek

„Das sieht eher wie eine Gruft aus“, sagt er, während er dem Gast der Redaktion die Auswertungen präsentiert. Über die Drohnenaufnahmen wurden mit einer hochspezialisierten Technik georeferenzierte Scans – in der Kirche mit Handgeräten aufgenommen – drübergelegt.

Die Scans zeigen eindeutige Anomalien im Boden. Dabei dauerte die Auswertung aufgrund ihrer Komplexität deutlich länger als die Arbeit über mehrere Stunden in der leergeräumten Kirche. Doch was bedeuten die Anomalien und was versteht man unter einer Gruft?

Erweiterung über Friedhof

Eine Gruft ist eine unterirdische, ausgemauerte Grabstätte, in die Tote mit oder ohne Särge bestattet werden. Die Anomalien könnten die menschlichen Überreste von Adeligen und Geistlichen samt Grabbeigaben sein. Eine Vermutung, die nicht aus der Luft gegriffen ist.

Denn der heutige Chorraum wurde – ebenso wie später die Seitenschiffe – nachträglich angebaut. Von 1504 bis 1520 erfolgte die Erweiterung. Dabei wurde das Friedhofsgelände überbaut. Die Erklärung dafür, warum sich mögliche Gruften und Gräber unter dem heutigen Kirchenboden verbergen.

Die rot markierten Flächen wurden mit der Georadartechnik untersucht. Die Außenbereiche waren unauffällig, im Inneren der Kirche sah das anders aus.
Die rot markierten Flächen wurden mit der Georadartechnik untersucht. Die Außenbereiche waren unauffällig, im Inneren der Kirche sah das anders aus. © Georadar Heek

In überlieferten Aufzeichnungen von Pfarrer Grimmelt (1885 bis 1902 in Heek tätig) steht mit Blick auf erfolgte Kirchenrenovierungen: „Bei dieser Gelegenheit wurden die Gräber geöffnet und man sah die alten Ritter dort liegen. Manche in voller Rüstung, die Sporen an den Füßen, das lange Schwert an der Seite.“

Ob der Pfarrer damit jenen großen Hohlraum meinte, den jetzt das Georadar-Team entdeckt hat, ist nicht überliefert. Die Vermutung liegt aber nahe. Seinerzeit wagte niemand die Totenruhe weiter zu stören. Alles blieb, wie es war. Die Gräber wurden wieder verschlossen. Ob es zu jener Zeit jemals öffentlich wurde, ist unklar.

Fotobeweis?

Nach Aufzeichnungen der Kirchengemeinde wurde aber bei erneuten Arbeiten in der Kirche – genauer gesagt im Chorraum 1969 – in „mehreren Schichten übereinander Gräber entdeckt aus der Zeit vor 1500“. Darunter soll auch ein gut erhaltenes Priestergrab gewesen sein.

Pfarrer Josef Leyer berichtet der Redaktion im Gespräch, dass er einst selbst davon ein Foto gesehen habe. Darauf soll auch noch das Priestergewand gut zu erkennen gewesen sein. Warum das Thema dann abermals auf sich beruhen gelassen wurde, ist eine von vielen offenen Fragen.

Gut zu erkennen ist auf diesem Bild Hohlraum am Altar, ebenso die Anomalien in diesem.
Gut zu erkennen ist auf diesem Bild Hohlraum am Altar, ebenso die Anomalien in diesem. © Georadar Heek

Doch die Arbeit des Heeker Georadar-Teams hat neuen Schwung in die Sache gebracht. Ist der entdeckte Hohlraum tatsächlich jener Bereich, in dem die Ritter und Geistlichen vor vielen Jahrhunderten bestattet wurden? Sind dort noch immer die Schwerter und Rüstungen zu finden, wie es Pfarrer Grimmelt beschrieben hat?

Vieles deutet darauf hin. „Unsere Auswertungen sind eindeutig“, betont Winfried Leusbrock. Sein Team sei in der Auswertung erhobener Daten sehr erfahren. Doch um Gewissheit zu erlangen, was genau sich im Hohlraum unter dem Kirchenboden verbirgt, müsste eine Öffnung erfolgen.

Hinweise, keine Beweise

Denn Anomalien liefern Hin-, aber eben keine Beweise. Dass dies aber oftmals deckungsgleich ist, haben die europaweiten Arbeiten des Heeker Georadar-Teams bereits zigfach bewiesen.

Doch das „Aber“ kommt. Aus einer Öffnung des Hohlraumes wird wohl nichts. „Wir lassen es so, wie es ist“, sagt Pfarrer Josef Leyer. Eingriffe in die Bausubstanz seien wegen des Denkmalschutzes schwierig. Das NRW-Denkmalschutzgesetz trat am 1. Juli 1980 in Kraft, also nachdem letztmalig in der St.-Ludgerus-Kirche bei Arbeiten Gräber zum Vorschein getreten sein sollen.

Doch mit dem Wissen, welch bedeutsame Funde sich unter dem Altar befinden könnten, wird der Kirchenbesuch ganz sicher nicht uninteressanter werden. Das Georadar-Team hat dieses Wissen wieder aus Versenkung geholt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29. September 2023.