Messerattacke in Leiharbeiter-Unterkunft Brutale Tatdetails werden bekannt

Messerattacke in Leiharbeiter-Unterkunft: Tat-Details werden bekannt
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Es war ein Großeinsatz in Nienborg Ende November 2024. Vor dem ehemaligen Gasthaus Mümken, das derzeit als Unterkunft für Leiharbeiter dient, fuhren zahlreiche Polizeiwagen vor. Ebenso Rettungsdienst und Notarzt. Kurz zuvor kam es in der Unterkunft zu einer brutalen Messerattacke.

Jetzt – knapp drei Monate später – werden durch die angelaufene Gerichtsverhandlung gegen die zwei mutmaßlichen Täter (24/26 Jahre) am Amtsgericht Ahaus viele Details der Attacke auf einen Ex-Bewohner der Unterkunft bekannt. Eine große, lange Narbe „ziert“ heute dessen Gesicht.

Sicherheitsvorkehrungen

Seit der Festnahme in der Tatnacht (23.11.24) sitzen die beiden Rumänen in Untersuchungshaft. Zur Verhandlung in Ahaus werden sie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen gebracht. Beim Betreten des Saales haben sie Handschellen angelegt. Vier JVA-Beamte bewachen die Männer.

Sie sind klein, tätowiert und machen einen wenig gepflegten Eindruck. Tief versunken sitzen beide im Verhandlungsaal in ihren Stühlen, den Blick zumeist zu Boden gerichtet. Nur gelegentlich schauen sie sich an und grinsen leicht. Zu den Tatvorwürfen sagen sie zum Auftakt kein Wort.

Foto-Dokumentation

Dafür aber sprechen im Zeugenstand das Opfer (38), ein weiterer Mitbewohner und vor allem Polizei- und Kripobeamte. So zeichnet sich ein Bild aus der Tatnacht, das in seiner Brutalität schwer zu ertragen ist.

Die auf einem großen Bildschirm im Saal gezeigten Fotos der Ermittler (Spurendokumentation) lassen zudem keinen Zweifel daran, dass sich grausame Szenen im Obergeschoss der Unterkunft abgespielt haben.

Große Blutlachen im Zimmer des Opfers, auf dem Flur davor und Blutflecken bis hinaus ins Freie. Augenzeugen haben dieser Redaktion zudem berichtet, dass das Opfer blutüberströmt aus dem Haus gekommen sei.

Die Hintergründe der Tat blieben zum Prozessauftakt noch im Vagen. Zumal ein potenziell wichtiger Zeuge nicht erschienen war und bereits wieder in Rumänien weilt. Er soll beim Fortsetzungstermin aussagen.

Einsatzfahrzeuge mit eingeschaltetem Blaulicht bei Nacht
Dieses Bild aus der Tatnacht (23.11.24) zeigt, mit welch großem Aufgebot Polizei und Rettungskräfte zur Leiharbeiterunterkunft ausgerückt sind. © Privat

Nach Angaben des Opfers habe man zunächst in der Küche Wodka getrunken. Viel Wodka. Aus nicht näher bekannten Gründen habe es dann Streit zwischen ihm und den beiden Angeklagten gegeben. Darum habe er sich auf Anraten eines weiteren Bewohners zurückgezogen.

Schlussendlich sollen die beiden Angeklagten ihn aber später in seinem Zimmer aufgesucht haben. Der ältere Angeklagte soll das Opfer in den Schwitzkasten genommen haben, während der jüngere Angeklagte ihm mit einem Cuttermesser auf brutale Art und Weise zugesetzt habe.

Ein tiefer, langer Schnitt über die rechte Wange – die Narbe ist heute noch gut zu erkennen – sowie ein Stich unter die linke Achselhöhle führten – belegt durch zahlreiche Fotos – zu einem hohen Blutverlust des Opfers.

Ein Mitbewohner machte nach dem Übergriff ein Foto, wie das Opfer hilflos in seiner Blutlache kniete. Auch dieses Foto wurde im Gerichtssaal gezeigt. Mit letzter Kraft schaffte es der Schwerverletzte noch, in den Flur zu kriechen. Dort fanden ihn dann auch wenig später die Polizeibeamten.

Gezogene Dienstwaffen

Diese wurde über die Zeitarbeitsfirma alarmiert. Not- und Rettungsdienst waren sogar vor der Polizei vor Ort, betraten aber aus Sicherheitsgründen nicht alleine das Gebäude. Die Polizeibeamten selbst rückten mit gezogenen Dienstwaffen in das verwinkelte Obergeschoss vor.

Wie die vernommenen Beamten schilderten, war die Situation zunächst hektisch und unübersichtlich. Zumal bekannt war, dass ein Messer im Spiel war. Also ein Einsatz, der auch für die Beamten nicht ohne Risiko war.

Ein Bewohner der Unterkunft führte die Polizisten dann zum Zimmer der Tatverdächtigen, die dort in ihren Betten lagen. Die Dienstwaffen der Beamten waren beim Betreten des Zimmers auf die Männer gerichtet, die sich schlussendlich aber widerstandslos festnehmen ließen.

Noch in der Tatnacht wurde die Unterkunft geräumt. Und zunächst ging die Polizei sogar von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Das hätte zur Folge gehabt, dass neben einer Mordkommission auch die kriminaltechnische Untersuchung (KTU) die Unterkunft in Augenschein genommen hätte.

Das ehemalige Gasthaus Mümken in Nienborg
Das ehemalige Gasthaus Mümken in Nienborg wird schon seit längerer Zeit als Unterkunft für Leiharbeiter genutzt. Im November 2024 kam es dort zu einer brutalen Messerattacke. © Till Goerke

Genau darum führten die Polizeibeamten, die als Erstes am Einsatzort eintrafen, auch nur eine „schonende Spurensicherung“ durch. Fotos ja, aber kein Öffnen von Schränken, Taschen, Kartons oder dergleichen. Es galt zunächst, möglichst keine potenziellen Spuren zu verwischen.

Noch im Verlauf der Tatnacht wurden die Vorkommnisse dann auf eine „gemeinsame, gefährliche Körperverletzung“ heruntergestuft. Aber auch dafür kann es eine mehrjährige Haftstrafe geben.

So oder so wurde die Unterkunft für zwei Tage polizeilich versiegelt. Auch, weil die Tatwaffe in der Tatnacht nicht gefunden wurde. Obwohl diese, wie sich im Nachgang herausstellte, praktisch vor der Nase der Beamten lag. Allerdings versteckt in einem Karton voller Müll im Eingangsbereich.

Tatwaffe Cuttermesser

Diesen untersuchte in der Tatnacht niemand. Erst am nächsten Tag nahmen Kripobeamte den Tatort – und damit auch den Karton – noch mal genau unter die Lupe. Unter Bananenschalen, Verpackungsmüll und viel Gerümpel tauchte dabei auch das Cuttermesser auf.

Eine durchführte DNA-Probe ergab, dass die Blutspuren an diesem vom Opfer stammen. Es handelt sich demnach um die Tatwaffe, die offenkundig versteckt werden sollte. So zumindest vermutet es die Kripo.

Auch weitere DNA-Gutachten belegen, dass die Angeklagten mit der Tat etwas zu tun haben müssen. So wurde etwa Blut des Opfers an der Hose einer der Männer nachgewiesen. Die Beweislast ist schon jetzt groß.

Und sie wird vielleicht noch größer, wenn der potenzielle Hauptbelastungszeuge gehört werden wird. Er soll beim brutalen Übergriff mit im Zimmer gewesen sein, dürfte also alles gesehen haben.

Um die Anreise dieses Zeugen – wie auch des Opfers – kümmert sich die Zeitarbeitsfirma aus freien Stücken. Wie der Geschäftsführer im Gespräch nach dem Prozessauftakt sagt, sei es ihm selbst „ein großes Anliegen“, zur Aufklärung dieser „abscheulichen Tat“ beitragen zu können.

Der Prozess wird am 4. März um 9 Uhr fortgesetzt