Es war ein spektakulärer Fund: Anfang des Jahres haben zwei Grabungstechnikerinnen der LWL-Archäologie für Westfalen ein menschliches Skelett an der Nienborger Burg gefunden.
In 1,5 Meter Tiefe lag der Oberkörper eines Menschen auf dem Bauch und ohne Kopf. Der Fund hat viele Fragen aufgeworfen: Wer war der Mensch? Wann ist er gestorben? Wurde er umgebracht oder starb er an einer Krankheit?
Osteoanthropologin Dr. Bettina Jungklaus hat das Skelett untersucht und kann auf einige Fragen eine Antwort geben.
In ihrer langjährigen Berufserfahrung ist Dr. Bettina Jungklaus ein solcher Fund noch nicht untergekommen. Unter 10.000 Skeletten, die sie untersucht hat, war keins dabei, bei dem der Kopf komplett fehlte.
Auch die Position, in der die Grabungstechnikerinnen das Skelett aufgefunden haben, sei außergewöhnlich: Der Mann lag auf dem Bauch, mit dem linken Arm ausgestreckt und der rechten Hand unter dem Brustkorb. Die Hand war fast zu einer Faust geformt.

Keine Hinrichtung
Nach der Feinuntersuchung des Oberkörpers und des Beckens kann die Wissenschaftlerin aus Niedersachsen einige Erkenntnisse nun gesichert verkünden. Am Becken konnte sie das Alter des Mannes herausfinden. Der Mann ist im Alter zwischen 43 und 55 Jahren gestorben.
Mithilfe des Oberarmknochens konnte sie auch die Größe des Mannes ermitteln. Die Person könnte circa 1,68 Meter groß gewesen sein. Kleinere Abweichungen seien aber nicht auszuschließen.
„Für damalige Zeiten ist es eine durchschnittliche Größe. Eigentlich auch ein durchschnittliches Alter. Im Mittelalter sind die Leute um die 50 Jahre alt geworden“, erklärt die Osteoanthropologin.
Die erste Vermutung, dass der Mann geköpft wurde, konnte eine nähere Untersuchung des fünften Halswirbels bestätigen. Dr. Bettina Jungklaus konnte Hiebspuren finden. „Ich schließe daraus, dass er geköpft wurde. Das ist aus meiner Sicht sehr eindeutig. Wahrscheinlich mit einem Schwert“, sagt die Expertin.

Toter war aus gehobener Schicht
Was war der Mann für ein Mensch? Könnte er hingerichtet worden sein? „Das ist eher unwahrscheinlich“, erklärt Bettina Jungklaus. „Dagegen spricht, dass beim Hinrichten der Hieb von hinten kommt. Hier war der Hieb seitlich.“ Daher zieht sie die Schlussfolgerung, dass er bei einem Zweikampf oder einem Überfall ums Leben gekommen ist.
Außerdem konnte die Expertin feststellen, dass der Mann viel geritten ist. „Das spricht dafür, dass er kein Mensch der Unterschicht war. Diese Tatsache spricht eher für eine gehobene Sozialstellung“, erklärt sie.
Zudem habe er besondere Muskelansatzstellen am Oberarm. „Für mich ist es ein Mann mit besonders ausgeprägten Muskeln, die auf Schwertkampf und Reiten hinweisen.“
Einordnung des Todes fehlt noch
Wie genau der Mann gestorben ist, kann noch nicht rekonstruiert werden. Als Nächstes folgt eine genauere Datierung des Todes des Skeletts. Dafür hat Dr. Bettina Jungklaus eine Probe des Oberarmknochens an das Curt-Engelhorn-Zentrum nach Mannheim geschickt. Sobald die Ergebnisse vorliegen, können Wissenschaftler Zusammenhänge zwischen historischen Ereignissen und dem Tod des Mannes versuchen herauszufinden.
Die Osteoanthropologin vermutet, dass der Mann im späten Mittelalter gestorben ist. Krankheiten konnte sie zudem nicht feststellen.
Deutlich mehr Informationen würde der Kopf des Skeletts hergeben. Wo sich dieser befinden könnte, sei jedoch vollkommen spekulativ, erklärt die Expertin. Es sei aber klar, dass die Person nicht bestattet, sondern in die Grube geworfen wurde. Die Beine des Skeletts konnten die Wissenschaftler aus statischen Gründen bislang nicht bergen.