Sie lassen kein gutes Haar an der Heeker Zeitarbeitsfirma „Facharbeiterzentrum Münsterland“. Rumänische Leiharbeiter um Monika Bodiu (34) berichten der Redaktion von eingezogenen Pässen, schlechten Unterkunftszuständen samt Ungezieferbefall und einer „totalen Überfüllung“.
Monika Bodiu, ihr Partner und ihr Onkel sind kürzlich über die Zeitarbeitsfirma nach Heek gekommen. Einige Tage haben sie im Ort gearbeitet (Raumpflege, Lager- und Hilfsarbeiten) und im ehemaligen Gasthaus Mümken gewohnt, ehe es zum Zerwürfnis zwischen der 34-Jährigen und Geschäftsführer Christian Moskwa kam. Wegen Uneinigkeiten über den Arbeitsvertrag. Das bestätigen beide Seiten.
Vor Ort ein Bild gemacht
Doch was ist dran an den erhobenen Vorwürfen? Und ist der Zustand in der Unterkunft wirklich so schlecht wie geschildert? Die Redaktion hat sich selbst ein Bild vor Ort gemacht. Und dabei ausführlich mit dem in die Kritik geratenen Geschäftsführer Christian Moskwa gesprochen.
Vorlaufzeit, etwaige Mängel im Vorfeld zu beseitigen, hatte der Geschäftsführer dabei nicht. Das Treffen fand nur wenige Minuten nach der Anfrage seitens der Redaktion statt.
Über eine Hinterhoftreppe geht es in die erste Etage des ehemaligen Gasthauses. Seit Ende 2019 ist das Objekt im Besitz der Gemeinde. Mittels Vorkaufsrechts sicherte sie es sich für eine mittlere sechststellige Euro-Summe.

Vermietet ist es seit 2021 an die Firma von Christian Moskwa. „Zu günstigen Konditionen“, wie er sagt. Befristet bis 2024, wie Bürgermeister Franz-Josef Weilinghoff auf Anfrage betont. Perspektivisch hat die Gemeinde andere Pläne mit der Fläche.
Zurück zur Treppe. Oben angekommen geht es durch eine Tür eine kleine Holztreppe hinunter. Zimmer links und rechts mit Nummern versehen, zwei Badezimmer und zwei Küchen. Es ist kein Hotel-Luxus, aber auch nicht schlechter als in so mancher Flüchtlingsunterkunft im Ort. Es gibt Einzel- und Zweibettzimmer.
Keine Überbelegung
„17 Personen wohnen hier aktuell“, sagt Christian Moskwa, der der Redaktion bereitwillig alle Zimmer zeigt. Diese Zahl bestätigt auch die Gemeinde auf Nachfrage. Von einer Überbelegung kann also keine Rede sein. Von der Anzahl der Zimmer geht das Ganze auf.
Aber: In einem Zimmer wohnen vier Personen. Freiwillig, wie sie mittels Dolmetscher zu verstehen geben. Christian Moskwa schiebt dem sofort einen Riegel vor: „Das geht so nicht. Es gibt hier klare Platzvorgaben.“ Es folgt eine Anweisung an den für die Mietobjekte eingestellten Hausmeister, zwei Betten in ein anderes, freies Zimmer zu verlegen.
Zum Ungezieferbefall. Dieser der Redaktion von den Leiharbeitern geschilderte Zustand bestätigt sich in einer von zwei Küchen im Gasthaus Mümken. Kakerlaken krabbeln über die Herdplatten, durch die Schränke und verschwinden hinter Fußleisten.

Christian Moskwa wirkt sichtlich fassungslos. Einen Moment ringt er mit den Worten, dann sagt er: „Das geht gar nicht. Das werden wir sofort beheben.“ Er versichert, davon nichts gewusst zu haben. Erneut folgt eine Anweisung an den Hausmeister. Dieser solle das Problem umgehend beheben.
Angesichts der offenkundig nicht sehr groß geschriebenen Hygienevorstellungen der Leiharbeiter kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sie selbst für den Befall verantwortlich sind.
Obwohl im Gasthaus an mehreren Stellen Schilder zur Mülltrennung in rumänischer Sprache hängen, sieht das in der Küche anders aus. Alles liegt in offenen Tüten in einer Ecke. Geputzt wurde auch schon länger nicht mehr.

Christian Moskwa schüttelt immer wieder mit dem Kopf, während er die Küche inspiziert. Jeden Schrank öffnet er. „Wir versuchen, so viel zu sensibilisieren, wie möglich ist“, beteuert er dabei. Doch nicht immer bringe das Erfolg: „Wir können den Menschen auch nur vor den Kopf gucken.“
Zu seinem Mietobjekt in der Vennstraße. Auch diese Unterkunft zeigt der Geschäftsführer der Redaktion bereitwillig. Jedes Zimmer. Ein- bis Zweibettzimmer, saubere Küche und Bäder, solide Betten und optisch neuwertig aussehende Matratzen. Kein Luxus, aber auch weit entfernt von unzumutbar.

Und was ist mit den angeblich eingezogenen Pässen und der ebenfalls kritisiert „horrenden Miete“? Dass die Pässe abgegeben werden müssen, bestätigt Christian Moskwa. Das sei vertraglich geregelt. Es ist ein Pfand für die von seiner Firma vorgestreckten Reisekosten.
Sobald diese abgearbeitet seien, dies sei in der Regel nach wenigen Tagen der Fall, gebe es die Pässe zurück. In der Zwischenzeit bekomme jeder Leiharbeiter eine Kopie seines Ausweises. Alternativ könne jeder Leiharbeiter natürlich seine Anreise für 150 Euro im Voraus selbst bezahlen.
Dass es sich dabei nicht um kriminelle Machenschaften handelt, bestätigt die Heeker Rechtsanwältin Susanne Tombrink auf Anfrage. Ohne an dieser Stelle zu tief ins komplexe, juristische Detail zu gehen, ist das temporäre Einbehalten der Originalpässe als Pfand rechtens.
Die Rückgabe des Originalpasses muss aber zügig erfolgen. Entsprechend die Reisekostenrückerstattung vom ersten Lohn erfolgen. Ein über Monate andauerndes Abstottern sei nicht erlaubt. Sprich, es darf keine unnatürlich lange Bindung an den Arbeitgeber erfolgen.

Ebenfalls vom Lohn abgezogen werden pro Kopf und Monat 350 Euro Miete. Klingt viel, aber Christian Moskwa sagt: „Wir machen da eine Nullrechnung.“ Viele Zehntausend Euro habe er in die Renovierung seiner angemieteten Unterkünfte gesteckt.
Immer wieder seien Reparaturen nötig. Nicht alle Dinge würden pfleglich behandelt. Und oft seien die Heizungen auch im Sommer hochgedreht. Das bestätigt sich auch bei der Besichtigung in der Vennstraße. Mehrere Heizungen sind bis zum Anschlag aufgedreht. Im Juni.
„Bei den derzeitigen Energiekosten ist das richtig ärgerlich“, so Christian Moskwa. Dass es am Ende beim Geschäft um Gewinn gehe, leugnet er nicht. Aber er betont, dass dies niemals zu Lasten seiner Leiharbeiter gehe.

Dass Monika Bodiu und ihre Familie die Unterkunft in Nienborg Ende vergangener Woche verlassen musste, bestätigt der Geschäftsführer. Sie musste gehen, ihre Familienangehörigen sind freiwillig gefolgt. Das bestätigen diese.
Hintergrund: Die Unterkunft ist an einen Arbeitsvertrag geknüpft. Da dieser bei Monika Bodiu nicht (mehr) existierte, war ein weiterer Verbleib ausgeschlossen. Eine Woche kamen die Rumänen in einer Notunterkunft der Gemeinde unter. Entgeltlich. Das bestätigt die Gemeinde. Eine Nacht schliefen sie im Freien.
Keine „Hilfsorganisation“
Der Bürgermeister macht zudem deutlich, dass die Gemeinde mit privat-rechtlichen Dinge nichts zu tun habe. Dazu gehöre auch, nicht einfach kostenlos eine Unterkunft bereitzustellen. Denn: Monika Bodiu samt Familie, das bestätigen diese auch, haben eine Meldeadresse in Rumänien. Sie sind also de facto nicht obdachlos.
Davon abgesehen müssen sie auch nicht ausreisen. Rumänien gehört zur EU. Allerdings haben sie hier keinen Anspruch auf Unterstützung, da sie keine Flüchtlinge aus einem Kriegs- oder Krisengebiet sind.
Und dann die Überraschung am Freitagmittag (2. Juni). In Absprache mit dem Ordnungsamt werden die drei Rumänen von Christian Moskwas Firma unverzüglich nach Harsewinkel bei Osnabrück gebracht. Dort sollen sie Arbeit gefunden haben. Zuvor standen sie mit ihren Koffern vor dem Rathaus. Das bestätigen der Bürgermeister und Christian Moskwa im Telefongespräch.

Dass die 34-Jährige ihren Ex-Chef Christian Moskwa dennoch an den Pranger stellt, nimmt dieser erstaunlich gelassen. Seine Erklärung: „Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Die Wirklichkeit wird komplett verdreht.“ Solche Fälle gebe es „leider immer mal wieder“. Damit müsse man lernen zu leben.
Was am Ende bleibt, sind – mit Ausnahme des singulären Ungezieferbefalls – nicht haltbare Vorwürfe. Christian Moskwa spricht von „Rufmord“. Dessen ungeachtet stellen Gemeinde und Kreis klar, die Zustände in den Unterkünften im Blick behalten zu wollen.