Vier Achsen, acht Reifen, olivgrün und mit Platz für drei bis vier Personen: Dieses spezielle Amphibienfahrzeug hat der Heeker Verein Friedensland kürzlich als Spende nach Estland gebracht. In einem Sumpfareal nahe der russischen Grenze wird es für eine grausame und gefährliche Suche benötigt.
Dort, wo kaum ein Durchkommen ist, sollen bis heute Hunderte sterbliche Überreste deutscher und sowjetischer Soldaten, Flugzeugwracks und vieles mehr nach den unerbittlichen Kämpfen im Zweiten Weltkrieg im Morast liegen. Praktisch ein großes Massengrab.

Großes Sumpfdickicht
Die Rede ist vom Bereich zwischen dem See Paipus bis hin zur Ostsee und der Stadt Narva. In und um dieses Sumpfdickicht tobten im Zweiten Weltkrieg heftige Gefechte zwischen deutschen und sowjetischen Truppen. Die Schlacht um den Brückenkopf von Narva ist in die Geschichte eingegangen.
Zwischen Februar und Juli 1944 kosteten diese Kämpfe nach Überlieferungen beide Seiten „erhebliche Verluste“. Verschlungen vom Sumpf, der die Truppen schon im Zweiten Weltkrieg vor Herausforderungen stellte.
Eine estnische „Suchgruppe“ um den ehemaligen Grenzsoldaten Igor Schedonov ist seit geraumer Zeit an der Nato-Außengrenze im ehrenamtlichen Sucheinsatz nach den Überresten. Sie sind die einzigen, die eine Sucherlaubnis haben. Aber ihre technischen und finanziellen Mittel sind begrenzt.
Doch Igor Schedonov ist gut bekannt mit Thomas Schock (Ex-Grabungsleiter beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge). Der Volksbund wiederum hat einen Rahmenvertrag mit dem Georadar-Team aus Heek. Und Thomas Schock ist Mitglied im Heeker Verein Friedensland. Ebenso wie Winfried Leusbrock (Firmeninhaber Georadar und Eggert GmbH).
Lange Reise
So kam die Verbindung zustande. Igor Schedonov bat Thomas Schock um Hilfe, dieser informierte Winfried Leusbrock und dieser zögerte keine Sekunde und suchte das gewünschte Amphibienfahrzeug in Deutschland. In Heek wurde es aufgepimpt und dann nach Estland ausgeliefert.
Rund 10.000 Euro ließ der Heeker Verein Friedensland dafür springen. Die Reise nach Estland für die Auslieferung über gut 5000 Kilometer – Thomas Schock und Uwe Gruber (Georadar) übernahmen diese – dauerte vom 6. bis 18. April. Winfried Leusbrock stieß später auch noch dazu.

„Die Leute dort halten so etwas in Ehren“, berichtet Thomas Schock im Gespräch mit der Redaktion nach der Rückkehr. Mission erfüllt. Wobei es besser als Auftakt bezeichnet werden kann. Denn die Auslieferung öffnete dem Heeker Georadar-Team und Friedensland die Türen in Estland.
Ende Mai will das Team von Heek nach Estland reisen. Wenn das Wetter mitspielt. „Es darf nicht zu viel regnen, sonst ist da im Sumpf gar kein Durchkommen“, sagt Thomas Schock. Ziel ist es aber, die Georadar-Technik im Sumpf für die Ortung der Toten und Flugzeugwracks zu nutzen.

Diese Technik in Einklang mit dem ausgelieferten Amphibienfahrzeug zu bringen, ist jetzt in den kommenden Wochen die Vorab-Herausforderung. „Das ist für uns Neuland. Wir sind gespannt, ob es klappt, aber das wird schon“, zeigt sich Winfried Leusbrock optimistisch.
Dass die Suche grausam und gefährlich werden wird, ist allen Beteiligten bewusst. Ab- oder erschrecken kann sie das aber nicht. Unzählige (erfolgreiche) Suchaktionen nach Opfern aus dem Zweiten Weltkrieg haben sie schon hinter sich. „Stress und Arbeit macht es, die Genehmigungen einzuholen“, sagt Thomas Schock ganz pragmatisch.
Hunderte Gebeine?
Und der Grabungsprofi rechnet mit „Hunderten Gebeinen“ in dem Sumpfareal. Diese zu orten, auszugraben und dann nach Nationalitäten zu sortieren, um sie anschließend auf einem Kriegsfriedhof beisetzen zu können, schreckt ihn nicht ab. Für ihn ist es Aufarbeitung von Geschichte.
Mutmaßlich werden auch noch die Piloten der abgeschossenen Flugzeuge in den jeweiligen Cockpits „sitzen“. Da unter Abschluss von Sauerstoff die Verwesung nicht einsetzt, könnten die Anblicke schrecklich werden. „Das gehört bei dieser Arbeit eben dazu“, stellt Thomas Schock klar.

Ungefährlich dürfte die Suche auch nicht werden. Im Sumpfwaldgebiet soll noch viel Munition liegen. „Da darf man nicht so drüber nachdenken“, sagt Winfried Leusbrock. Wobei das, was Thomas Schock zu Ohren gekommen ist, nicht ohne ist. Die Rede ist von angeblichen Glasminen im Suchgebiet.
Diese wurde von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg als Personenmine entwickelt und hat nur einen minimalen Metallanteil. Detektoren können sie praktisch nicht aufspüren. Auf ihrem Rückzug vor den Sowjets sollen die deutschen Truppen diese Minen im Areal verteilt haben.
Abschrecken kann dies die Heeker nicht. Ebenso wenig die estnische Suchgruppe. Das Amphibienfahrzeug ist da und die Neugierde, die Georadar-Technik im Sumpf auszuprobieren, überwiegt alles. Und natürlich die Hoffnung, ein weiteres Kapitel des Zweiten Weltkrieges aufarbeiten zu können.
Kontakt zum Verein
Mehr Informationen über den Heeker Verein und die Daten des Spendenkontos gibt es im Internet unter https://www.friedensland-ev.de/