Heekerin (25) erhebt Vorwurf wegen sexueller Belästigung „Ich wünschte, ich hätte gekämpft“

Heekerin (25) erhebt Vorwurf wegen sexueller Belästigung
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Es ist der Abend des 26. Dezember 2023. In der Gaststätte Zum alten Kaiser in Heek herrscht beim „Stephanus-steinigen“ ausgelassene Partystimmung. Der Alkohol fließt. Unter den Gästen sind eine 25-jährige Heekerin und ein 57-jähriger Heeker. Die beiden kennen sich. Sie treffen an der Theke aufeinander und unterhalten sich.

Bis zu diesem Punkt erzählen beide dieselbe Geschichte. Doch am Ende des Abends wird die junge Frau den älteren Mann beschuldigen, sie während der Feier sexuell belästigt zu haben. Vor Gericht am Freitag (28. März) steht nun Aussage gegen Aussage.

Die 25-Jährige berichtet vor Gericht, was aus ihrer Sicht während des Gesprächs geschah: „Als er zum ersten Mal meinen Hintern berührte, war ich mir gar nicht sicher“, sagt sie. Doch sie habe sich zunehmend unwohler gefühlt. Es seien mindestens zwei weitere Berührungen gefolgt.

„Ich wurde immer starrer und steifer.“ Er habe zudem unter ihr Oberteil gefasst und ihren BH berührt. Dann habe er sie mit beiden Händen am Kopf gepackt und sie auf den Mund geküsst. Noch in der Nacht rief sie die Polizei.

Der Angeklagte streitet die Vorwürfe vehement ab: „Ich bin ihr weder unter das Shirt, noch an den BH gegangen, noch habe ich sie geküsst.“ Er gibt zu, er habe die 25-Jährige im Arm gehabt. Dabei könne seine Hand bei einer Bewegung zum Takt „etwas tiefer“ gerutscht sein. Aber er beteuert: Er habe nie einen Hintergedanken gehabt und habe sie nie belästigen wollen.

Zeugin holt sich aus Situation

Eine Zeugin hat damals die Situation auf der Feier mehrere Minuten lang beobachtet und eingegriffen, erzählt diese vor Gericht. Laut der Nebenklägerin sei der Kuss direkt davor erfolgt. Doch die Zeugin erklärt, sie habe keinen Kussversuch beobachtet. Doch: „Man konnte ihr ansehen, dass sie sich unwohl fühlt.“ Sie habe die 25-Jährige damals gefragt, ob die Annäherung einvernehmlich sei. Da sie verneinte, nahm die Zeugin sie in ihren Freundeskreis auf.

Von vorne will die Zeugin keine eindeutige Berührung am Gesäß gesehen haben. Nur eine Bewegung in die Richtung. Drei weitere Zeuginnen bestätigen vor Gericht, dass sie eine einmalige Berührung am Gesäß gesehen haben. Doch sie widersprechen sich in Details. Keine der Zeuginnen kann sich an einen Kuss oder einen Griff unter das Oberteil erinnern.

Der Verteidiger des Angeklagten hält der 25-Jährigen wiederholt vor, dass sie nicht aktiv reagiert habe: „Wie haben Sie meinem Mandanten signalisiert, dass Sie sein Verhalten nicht wollten?“ Ihre Antwort: „Ich habe mich klein gemacht und in mich zurückgezogen.“ Unter Tränen fügt sie hinzu: „Ich wünschte, ich hätte gekämpft, aber das konnte ich nicht.“ Sie habe sich in einer Schockstarre befunden und zudem aufgehört, zu reden.

Die 25-Jährige spricht von emotionalen Folgen: „Meine psychische Verfassung war davor schon nicht gut.“ Depressionen seien damals ihr Hauptproblem gewesen. Nach dem Vorfall hätten diese sich verstärkt, sagt sie. Kurz nach der Feier, im Januar, habe sie sich sogar für vier Wochen in stationäre Behandlung begeben.

Aber auch den Angeklagten scheinen die Vorwürfe emotional zu belasten. „Ich habe mir im Traum nicht einfallen lassen, dass ich heute hier sitze.“ Stockend, mit immer wieder brechender Stimme und Tränen in den Augen erklärt er dem Richter zu erklären, dass auch seine Familie an dem Abend in der Gaststätte war. Obwohl der Abend mittlerweile über ein Jahr zurück liegt, belaste ihn das weiter schwer.

Wieviel beide an dem Abend getrunken hatten, können sie heute nicht mehr sagen.

Das Urteil

Vor der Urteilsverkündung wendet sich der Angeklagte an die Nebenklägerin, um sich zu entschuldigen. Er versucht, die Tränen zurückzuhalten und sagt: „Es tut mir leid. Es war nie meine Absicht.“

Da der Sachverhalt nicht in allen Punkten bestätigt wurde, fordert die Staatsanwältin einen Freispruch – dem folgt das Gericht. Der Richter begründet seine Entscheidung: Er könne keine Handlung mit sexueller Intention feststellen. „Den Kuss und den Griff an den BH hat nur die Nebenklägerin beschrieben.“ In den Zeugenaussagen gebe es Unsicherheiten. Ihm falle es schwer, eine Verurteilung nur auf die Aussage der Nebenklägerin zu stützen.

Der Richter erklärt: „Die Zeugin, die Sie aus der Situation holte, hat den angeblichen Kuss nicht gesehen. Obwohl der kurz zuvor stattgefunden haben soll.“

Für ihn sei die Kusshandlung, wie die 25-Jährige sie beschrieben hat, zu offensichtlich, um übersehen zu werden: „Für mich ist es nicht vorstellbar, dass sie es nicht gesehen hat“, so der Richter. Er könne letztendlich nur feststellen, dass die Situation unterschiedlich wahrgenommen worden sei – und entscheide „im Zweifel für den Angeklagten.“ Freispruch.