
Björn Becker wendet das „Dry Needling“ an, während Tierarzthelferin Jeanette Maiwald die Hündin Edda beruhigt © Bernd Schäfer
Für Tierarzt Björn Becker (47) aus Nienborg ist der Beruf eine späte Berufung
Tiermedizin
Björn Becker geht seinem Beruf als Tierarzt mit viel Leidenschaft und Einsatz nach. Nicht nur in seiner Nienborger Praxis, sondern auch außerhalb. Die Berufswahl traf er spät, aber bewusst.
Die Hausnummer 10 in Nienborg hat die Praxis von Björn Becker noch gar nicht so lange – erst gut anderthalb Jahre ist es her, dass der Tierarzt und sein Team von der Bernhard- in die Eper Straße umgezogen sind. Und dass Björn Becker Tierarzt wurde, hatte sich vor seinem 30. Geburtstag auch noch nicht direkt abgezeichnet.
In der Bernhardstraße hatte Vater Harald in den 1960er-Jahren seine Tierarztpraxis eröffnet, als „klassische Dorf-Land-Praxis“ im Wohnhaus der Familie. So bekam sein Sohn schon als Kind die schönen Seiten des Veterinärberufs mit – aber auch die anstrengenden: „Gerade in der Weihnachtszeit haben wir unseren Vater nur selten gesehen“, erinnert sich Björn Becker. „Oft stand gerade das Essen auf dem Tisch, da klingelte das Telefon und mein Vater musste los.“
Mit 30 Jahren entschied sich Björn Becker für den Tierarztberuf
Nicht unbedingt ein positives Kriterium für einen Traumberuf, deshalb schlug der junge Björn erst einmal einen anderen Weg ein, gründete eine Agentur für Marketing und Kommunikation. Erst um seinen 30. Geburtstag herum stellte er sich noch einmal die Frage, was er sein Leben lang machen will – und kam zurück auf den Tierarztberuf.
„Ich habe mich spät, aber dafür ganz bewusst dafür entschieden“, sagt der mittlerweile 47-Jährige heute. Seitdem ist er derjenige, dessen Telefon klingelt, wenn das Essen gerade auf dem Tisch steht und der sich direkt auf den Weg macht – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Und egal, ob der Patient Fell, Federn oder Schuppen hat, ob Pfoten, Klauen oder Hufe.
Als Tierarzt braucht man alle Sinne
„Wir Tierärzte sagen immer, dass wir eigentlich die einzigen richtigen Ärzte sind. Wir kennen uns mit allen Spezies aus – und unsere Patienten können uns nicht sagen, welche Probleme sie haben“, lacht der Nienborger. Das herauszufinden, sei die große Kunst: „Dafür braucht man alle Sinne.“
Für die Behandlung großer Tiere wie Kühen, Pferden und Schafen haben er und seine Kollegen alles im Auto, um zur Not auch Operationen im Stall durchführen zu können. Oder im Tierpark Gronau oder dem Dino-Park Metelen, die von der Praxis betreut werden. Eine Sonderausbildung im Jurassic Park musste er dafür nicht machen – sein Team kümmert sich eher um Bunthörnchen & Co.
Praxis an der Eper Straße mit jeder Menge Technik ausgestattet
Kleinere Patienten kommen in der Regel in die Praxis an der Eper Straße, die mit jeder Menge Technik ausgestattet ist – was nicht bedeutet, dass auch schon ein Alpaka-Fohlen und ein Lämmchen dort waren. „Vom Standard her sind wie schon nah an der Humanmedizin“, sagt Becker mit dem Verweis auf Operations- und Anästhesietechnik, Röntgen- und Ultraschallgeräte oder die Laborausstattung.
„Haustiere werden heute immer mehr wie Familienmitglieder behandelt“, stellt der Tierarzt seit einigen Jahren fest. Entsprechend tun sich für ihn ganz neue Behandlungsfelder auf, etwa Geriatrie, Magnetfeld- und Stoßwellentherapie oder die Schmerzbehandlung mit Goldimplantaten oder Dry Needling.
Haustiere leben heute länger als noch vor einigen Jahren
Die neuen Therapieformen machen aus Beckers Sicht Sinn, weil Haustiere heute dank der besseren medizinischen Diagnostik und Behandlung länger leben als früher. Aber teilweise auch anfälliger seien, etwa für Tumorerkrankungen. „Die werden immer mehr“, ist die Erfahrung des Tierarztes. „Aber da kann man auch chirurgisch immer mehr machen.“
Dennoch kommt auch ein Arzt manchmal an den Punkt, wo einfach keine Hilfe mehr möglich ist und ein Tier eingeschläfert werden muss. „Wir dürfen ein Tier von Schmerz und Leid erlösen – so traurig das ist, so schön ist das auch“, sieht er den Tod in bestimmten Situationen als Teil seiner ärztlichen Aufgabe. Auch wenn der gerade bei Tieren, die lange zu den Patienten der Praxis gehörten, schwer falle. „Da sitzen wir dann hinterher zusammen und heulen“, beschreibt Carina Grieger, die als Tiermedizinische Fachangestellte in der Praxis arbeitet, die Gefühle.
Erschreckender Preisverfall bei Nutztieren
Während Haustiere immer mehr an Wertschätzung gewinnen, nehme der der Nutztiere immer mehr ab, bedauert Björn Becker. „Es ist doch erschreckend, dass Kälber zu Preisen gehandelt werden, bei denen sich eine tierärztliche Behandlung nicht mehr lohnt. Das sind doch Lebewesen.“
Zur Wertschätzung von Tieren zählt für ihn auch, sie nicht wie Spielzeug zu Weihnachten zu verschenken. „Tiere haben unter dem Weihnachtsbaum eigentlich nichts verloren“, ist seine klare Meinung. Einzige Ausnahme: „Wenn man sich das vorher gut überlegt hat, die ganze Familie damit einverstanden ist und man die Tage nutzen will, um das Tier an sein neues Zuhause zu gewöhnen.“