Drogenplantage auf der Burg Betreiber hatte scharfe Pistole im Bettkasten

Drogenplantage auf der Burg: Betreiber hatte scharfe Pistole im Bett
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Es hatte was von einem Krimi: Observation, doppelte Wohnungsdurchsuchung und am Ende ein eindeutiger Fund in einer Dachgeschosswohnung auf der Burganlage in Nienborg. Die Ermittler der Kripo hoben eine professionell aufgebaute Drogenplantage aus und stellten dabei auch Tausende Euro Bargeld sowie eine scharfe Kurzwaffe im Bettkasten sicher.

Wie sich jetzt während der Verhandlung vor der 3. Großen Strafkammer am Landgericht Münster herausstellte, brachte der Abzug des technisch zum Gewächshaus umgerüsteten Raumes hinter dem Schlafzimmer des Nienborgers (42) die Ermittler auf die Spur seiner Machenschaften.

Verdächtiger Geruch

Der Abzug blies den „verdächtigen und typischen“ Geruch der Pflanzen und des Marihuana auf den Dachboden, ehe sich dieser von dort aus um den Eingangsbereich des Mehrparteienhauses verbreitete. Dies müsste also eigentlich auch in der Nachbarschaft aufgefallen sein.

Ebenso der sogenannte „Ameisenverkehr“, wie es einer der Ermittler vor Gericht nannte. Also ein ständiges Kommen und Gehen in das Haus. Rein und zügig wieder raus. Belegt durch polizeiliche Observation. Waren es also Kunden, die Drogen kaufen wollten? Bis heute unklar.

Luftbild der Burg in Nienborg
In einem Mehrparteienhaus auf der Burganlage in Nienborg wurde Ende 2022 die Drogenplantage in einer Dachgeschosswohnung ausgehoben. © Geodatenatlas Kreis Borken

Das Haus stand zumindest im Polizeifokus. Ehe die Plantage unter dem Dach ausgehoben wurde, durchsuchten die Beamten noch eine Wohnung darunter. Die Ermittler gingen zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass dort die Plantage zu finden sei. Der dort wohnhafte Nienborger sei „bekannt“.

Doch die Ermittler fanden dort „nur“ knapp 30 Gramm Amphetamin, zwei Ecstasy-Tabletten und eine Feinwaage. Ob der Mann damit dealte, ist bis heute unklar. Zumindest stritt dieser das vor Gericht und auch gegenüber der Redaktion vehement ab.

Kein Waffenschein

Wie dem auch sei: Die Kripo-Beamten reagierten zügig und widmeten sich dann der Dachgeschosswohnung im Haus. Die Durchsuchung erfolgte am 14. Dezember 2022. Der heute 42-jährige Nienborger, der seit 2007 im Ort lebt und arbeitet, wurde festgenommen, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft hatte keinen Antrag auf Haftbefehl gestellt.

Angeklagt wurde er wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittel- und Waffengesetz. Einen Waffenschein zum Führen der halbautomatischen Kurzwaffe (Fabrikat Beretta, Kaliber 7,65) - deponiert im Bettkasten - und 39 Schuss hat der Nieborger nämlich nicht.

Der Prozess gegen den Plantagenbetreiber sollte eigentlich schon 2023 stattfinden, wurde vom Landgericht aber wegen der anstehenden Teil-Legalisierung von Cannabis aus Gründen der Rechtssicherheit auf 2024 verschoben. Jetzt gab es Auftakt und Ende in einem Rutsch.

Ganz anderes, als es gerne in einem Krimi dargestellt wird, hat der Nienborger rein optisch so gar nichts von einem Drogendealer. Klein – fast schon schmächtig – und mit wenig Ausstrahlung sitzt er Verhandlungssaal neben seiner Verteidigerin.

Profi-Verteidigerin

Eine Recherche der Redaktion zeigt: Es ist nicht „irgendeine“ Strafverteidigerin. Seit über 25 Jahren ist die Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Betäubungsmittelstrafrecht im Einsatz. Sie arbeitet in einer Kanzlei in Oberbayern, hatte also eine lange Anreise hinter sich.

Dass sie Profi ist, zeigte sich schnell. Sie regte ein Rechtsgespräch der Verfahrensbeteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit an. Gut eine Stunde dauerte dieses. Auch der Nienborger musste vor dem Saal warten, wurde von seiner Verteidigerin aber über den Verlauf informiert.

Cannabispflanzen
Einen Raum seiner kleinen Wohnung hatte der Nienborger professionell umgebaut. Angeblich soll alles für den Eigenbedarf gewesen sein. © Polizei

Herausgekommen ist ein „Deal“, wie es der Vorsitzende Richter der Strafkammer nannte. Unter der Prämisse, dass der Nienborger ein Geständnis ablege, stellte die Strafkammer eine Bewährungsstrafe in Aussicht. Im Rahmen zwischen 1 Jahr und 3 Monaten bis 1 Jahr und 6 Monaten.

Die Verteidigung hatte ihr Ziel, wie es die Rechtsanwältin selbst formulierte, damit bereits erreicht. Die Geschichte, die der Nienborger dann im Zuge seines Geständnisses auftischte, war wild und gefühlt nur schwer zu glauben.

Selbstmedikation

Er leide seit Jahren unter einer bis heute nicht eindeutig definierten „Krankheit“. Er sei dadurch unruhig, habe Konzentrationsschwierigkeiten und mitunter auch Muskelkrämpfe. Kein Medikament helfe so richtig dagegen.

Da er sich „medizinisches Cannabis“ nicht leisten könne, aber Cannabis brauche, um seine „Krankheit“ in den Griff zu bekommen, habe er es eben kurzerhand selbst angebaut. Also praktisch eine Selbstmedikation mittels Cannabis. Gedealt haben will der Nienborger damit nicht.

Wohlgemerkt: Sichergestellt wurden 18 erntereife Cannabispflanzen, 6 bereits abgeerntete Pflanzen zur Trocknung, rund 700 Gramm verkaufsfertiges Marihuana und vieles mehr. Auch eine Feinwaage.

Es komme schon mal vor, dass er 5 Gramm am Tag rauche, schilderte der Nienborger. Warum und woher er die scharfe Waffe hatte, wollte er nicht preisgeben. Wohl auch, um seinen Waffendealer zu schützen.

Auch das sichergestellte Bargeld – immerhin gut 7000 Euro – stamme nicht aus dem Drogenverkauf. Dass es überhaupt so viele Drogen und Pflanzen waren, habe auch daran gelegen, dass er gerne „experimentiere“ und ein „Jäger und Sammler“ sei.

Da die Beweislage für das „Dealen“ dünn war – verdächtige Chatverläufe gab es nicht, da das Handy laut Polizei „bereinigt“ war – und ein „Absprache“ bestand, sprach die Strafkammer folgendes Urteil:

1 Jahr und 6 Monate auf Bewährung sowie eine Geldauflage über 2500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Bewährungszeitraum: zwei Jahre.