
© Rüdiger Schlesselmann
Zahlen beweisen: Halterner schlafen in Corona-Krise länger
Coronavirus
Die Schulen geschlossen. Die Läden weitgehend zu. Und Arbeiten im Homeoffice. Die Corona-Krise ändert den Tagesrhythmus – auch in Haltern am See. Das zeigt ein interessanter Datenabgleich.
Die Schulen sind geschlossen, die meisten Läden ebenso, Arbeitnehmer arbeiten im Homeoffice. Die Corona-Krise verändert unseren Alltag. Längst warnen Experten davor, dass die Menschen ihre Tages-Struktur verlieren. Sie raten zu Achtsamkeit, um einem Lagerkoller vorzubeugen.
Natürlich bringt der gesellschaftliche Konsens auch Vorteile. „Wir bleiben zu Hause“, das heißt auch Zeitersparnis – etwa wenn der Weg zum Arbeitsplatz nur ein paar Meter beträgt. Aber gibt es Messinstrumente, die Aufschluss über Änderungen in unserem Tagesablauf zeigen?
„Wer heute etwas länger pennt, gehört schon zum Establishment“
„24 Stunden geöffnet“ – so warb Berlin vor Jahrzehnten. Auch die pulsierende deutsche Hauptstadt hat eine Tages-Struktur. Und die verschiebt sich gerade. „Wer heute etwas länger pennt, gehört schon zum Establishment“, twitterten die Berliner Wasserbetriebe am 31. März. „Berlin schläft in der Krise eine Stunde länger.“
Wer heute etwas länger pennt, gehört schon zum Establishment: Berlin schläft in der Krise länger. Hunderttausende Homies verschieben morgendliche Wasserspitze um anderthalb Stunden. Auch am Wochenende wird später geduscht. #HomeOffice #homeschooling pic.twitter.com/By8kQOkwec
— Wasserbetriebe (@wasserbetriebe) March 31, 2020
Den Beweis für die These liefert ein Vergleich des Wasserbrauchs im Tagesverlauf – vor und während der Corona-Krise. Ergebnis: „Hunderttausende Homies verschieben morgendliche Wasserspitze um anderthalb Stunden“.
Und wie ist das in Haltern? Das Wasser kommt aus dem Halterner Stausee, der seit einer Woche auf 100 Prozent seiner Kapazität, aufgestaut wurde, wie jedes Jahr zu Beginn des Frühjahrs, um eventuellen Trockenphasen im Sommer besser begegnen zu können.
Gelsenwasser-Techniker prüfen nach
Ob Wasser zu einer anderen Tageszeit verbraucht wird als vor Corona, hatte Gelsenwasser nicht untersucht. Bis zu unserer Anfrage. Auch wenn es genaue Zahlen für einzelne Städte nicht gibt, sondern nur für die einzelnen Werke, kann Gelsenwasser-Sprecherin Heidrun Becker nach Rücksprache mit ihren Technikern melden: „Es ist erkennbar. Der Peak der Vormittagsabgabe hat sich von der Zeit zwischen 9 und 10.30 Uhr Richtung 11 bis 12.30 Uhr verschoben.“ Verglichen wurden der 1. März 2019 und der 27. März 2020.

Die Grafik von Gelsenwasser zeigt für die einzelnen Wasserwerke die Wasserabgabe aus dem Netz. Die Vergleichstage sind der 1. März 2019 (punktierte Linie) und der 27. März 2020 (Strich), jeweils ein Freitag. Deutlich sichtbar ist der am Morgen deutlich später ansteigende Wasserverbrauch. © Ralf Lukaschewsky (Gelsenwasser)
Dass die „Homies“ auch im Ruhrgebiet später in den Tag starten, zeigt vor allem ein Blick auf die Zeit von 6 bis 9 Uhr: „Der Anstieg verläuft auch derzeit nicht so steil wie zum Vergleichszeitpunkt 2019.“ Abends gibt es aber keine Veränderungen in der Verbrauchskurve. Auch die Abgabemengen haben sich insgesamt nicht verändert.
Die Vergleichskurven für vier Wasserwerke zeigen ein nahezu einheitliches Bild. Als Vergleichstage haben die Gelsenwasser-Techniker den 1. März 2019 und den 27. März 2020 gewählt. Die Freitage liegen ein Jahr vor und mitten in der Corona-Krise. Ein aussagekräftiger Vergleich, der zeigt, wie sich das tägliche Leben verändert hat.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.

Studium der Germanistik, Publizistik und Philosophie an der Ruhr Universität Bochum. Freie Autorentätigkeit für Buchverlage. Freier Journalist im nördlichen Ruhrgebiet für mehrere Zeitungshäuser. „Menschen und ihre Geschichten faszinieren mich nach wie vor. Sie aufzuschreiben und öffentlich zugänglich zu machen, ist und bleibt meine Leidenschaft.“
