Seit fast zwei Jahren lebt die ukrainische Familie Privalov nun in Haltern. Der Ort, der zunächst nur ein erster Fluchtpunkt war, ist zum Lebensmittelpunkt geworden. Eigentlich plante Dima Privalov eine Familienreise nach Südeuropa. Dann flüchtete er Hals über Kopf mit seiner Frau Yulia und den beiden Kindern aus Kiew und verließ einen Tag vor dem Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 seine Heimat.
Wohnung und Haus in Kiew sind gleich zu Beginn des Krieges von einem Treffer durch eine Rakete oder durch ihre herabfallenden Reste schwer beschädigt worden und mittlerweile abgerissen. „Es gibt dort nichts mehr, nur noch eine freie Fläche“, berichtet Dima Privalov. Wegen des Krieges sei mittlerweile auch die weitere Familie aus der Ukraine nach Haltern geflüchtet.
Die Privalovs geben viel Kraft dafür, sich den neuen Herausforderungen an ihrem neuen Wohnort zu stellen. Das ist nicht immer leicht, wenn man ohne eigenes Verschulden aus dem bisherigen Leben gerissen wurde. In Haltern hätten sie bisher gute Erfahrungen gemacht, betont das Ehepaar.
„Wir haben alles adaptiert“, beschreibt Dima Privalov, wie sich die Familie um Integration in Deutschland bemüht. Nur eine Einschränkung muss er bei diesem Thema machen: An die deutsche Bürokratie könne man sich nicht so einfach anpassen. „Die Deutschen selbst aber wohl auch nicht“, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Arbeit in seinem erlernten Beruf als Mediengestalter hat Dima Privalov trotz guter Deutschkenntnisse bisher nicht gefunden. Doch unverhofft konnte er seine Herkunft und Erfahrung an anderer Stelle nutzen. Acht Monate war der 47-jährige Ukrainer als Sozialbetreuer in der Landesunterkunft beschäftigt, die bis Oktober in der Seestadthalle in Haltern eingerichtet war. Dima Privalov hofft, dass es für ihn in dieser Funktion auch in der neuen Landeszentralaufnahme am Lippspieker in Haltern weitergehen wird.
Beschäftigung gefunden
Die Arbeit hat ihn erfüllt, das zeigt nicht nur das exzellente Arbeitszeugnis, das ihm ausgestellt wurde. Es sei wahnsinnig interessant gewesen, so viele Kulturen kennenzulernen, schwärmt er im Rückblick auf seine Aufgaben. In den ersten Wochen nach Einrichtung der Unterkunft waren ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine dort untergebracht, später folgten Menschen aus weiteren Ländern.
In seinem privaten Umfeld beschäftigt Dima Privalov die Betreuung von Geflüchteten weiterhin sehr. „Eigentlich immer“, berichtet seine Frau Yulia. Erstaunlich viele Ukrainer verfügten zwar über deutsche Sprachkenntnisse, erklärt er, aber die Neuankömmlinge benötigten Hilfe, um sich im deutschen Behördendschungel zurechtzufinden. Da hat der Kriegsflüchtling selbst ein umfangreiches Wissen angesammelt und sagt beispielswiese lächelnd: „Nicht einmal alle Halterner wissen, dass unser Bürgermeister eine freie Sprechstunde hat.“

Auf welche Probleme Menschen aus der Ukraine teilweise stoßen, beschreibt er an einem Beispiel. In Deutschland, wo der Datenschutz so hoch gehängt werde, sei eine Adresse mit einer Straße und Hausnummer sowie einem Namen verbunden. „In der Ukraine mögen wir keine Namen an der Tür“, stellt er dagegen. Aus diesem Grund seien nach einem Umzug schon viele Sendungen für ukrainische Geflüchtete verloren gegangen.
Träume vom Frieden
Wie es nach dem Krieg für seine Familie weitergeht, weiß Dima Privalov noch nicht. Aber er träumt vom Frieden. Allerdings glaubt er nicht, dass sich dieser schon bald einstellen wird. „Dieser Krieg wird immer schrecklicher. Unsere Vergangenheit besteht nur noch in unseren Köpfen“, sagt er. Mancher habe nicht einmal ein paar Bilder als Zeugnisse des Lebens mit in die Fremde nehmen können.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 4. Dezember 2023.