Traumjob am Strand Christine Figgener (39) aus Marl rettet Meeresschildkröten in Costa Rica

Von Marl nach Costa Rica: Christine Figgener rettet Meeresschildkröten
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Dass sie ihr Leben nicht in Marl verbringen wollte, wusste Dr. Christine Figgener schon, als sie sich als Kind in der Familienbibliothek Türmchen alles über Buckelwale auslieh. Die Säugetiere waren ihre erste Liebe. Als sie 2007 als Studentin für ein Praktikum nach Costa Rica ging und auf die erste Meeresschildkröte traf, war sie „schockverliebt“. „Ich wusste sofort, dass ich mit und für diese Tiere arbeiten will, ihr Überleben sichern will“, erinnert sich die 39-Jährige. 2009 brach die ehemalige Schülerin des früheren Geschwister-Scholl-Gymnasiums ihre Zelte in Deutschland ab, ließ ihre Heimat und die Unistationen Tübingen und Würzburg hinter sich und wanderte nach Costa Rica aus.

Strohhalm steckt in Schildkröten-Nase

Seitdem bestimmen Überlebenshilfe, Naturschutzprojekte und Forschung rund um die Tiere ihr Leben. 2015 machte Christine Figgener das erste Mal international von sich hören, als sie ein Video im Internet veröffentlichte, in dem sie einer Schildkröte einen Plastikstrohhalm aus der Nase zieht. Weltweit wurde in der Folge über Plastikmüll in Meeren diskutiert. „Das, was die Menschheit durch unbedachtes Handeln verbockt, will ich mit meiner Arbeit sozusagen als Reparationszahlung wiedergutmachen“, sagt die Wissenschaftlerin über ihre Motivation.

Christine Figgener taucht mit einer Oliv-Bastardschildkröte.
Christine Figgener taucht mit einer Oliv-Bastardschildkröte. © privat

Aktuell und in den nächsten Monaten ist in Costa Rica Hauptnistsaison. Arten wie die echte Karettschildkröte und Lederschildkröte (ihr Panzer misst gerne mal 1,55 Meter) kommen nachts an Land, um Nester zu graben und ihre Eier abzulegen. „Sie sind begehrt bei Einheimischen, teilweise auch aus der Not heraus“, weiß Christine Figgener. Mit ihrem Team hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Eier zu sammeln und für die Brutzeit von zwei Monaten vor Wilderern zu schützen. Auf dem Schwarzmarkt werde ein Ei mit einem Dollar bezahlt. „Wenn Sie sich vorstellen, dass das Tageseinkommen im Durchschnitt bei 14 Dollar liegt, in einem Nest von Karettschildkröten 200 Eier abgelegt werden, dann kann man in ein, zwei Nächten sein Monatseinkommen verdienen“, rechnet die Meeresbiologin vor.

Ex-Wilderer werden zu Tierschützern

Wilderer machten aus unterschiedlichen Gründen Jagd auf die Eier: Männer nutzen sie als natürliche Potenzmittel. In der Küche werden Schildkröteneier zum Kochen oder Backen Hühnereiern vorzogen, wieder andere verzehren das Fleisch als Delikatesse. „Wir haben für unser Projekt Ex-Wilderer gewonnen, die wir nun dafür bezahlen, die Eier zu retten und hoffen, dass so langsam ein Umdenken initiiert wird“, erläutert Christine Figgener.

Eine Lederschildkröte im Tageslicht.
Eine Lederschildkröte im Tageslicht. © Christine Figgener

In Schichten arbeiten neun Ehrenamtliche, Studenten sowie die angestellten Ex-Wilderer nun nachts an den Ständen der beiden Ozeane in Costa Rica, patrouillieren dort und beobachten, ob und wo Mutter-Tiere das Wasser verlassen und sich einen Platz zur Eiablage suchen. „Anfangs muss man sich dann zurückziehen, um sie nicht zu verschrecken. Später kann man sich ihnen aber so weit nähern, dass man ihnen im Idealfall eine Tüte unter den Popo halten und die Eier damit direkt auffangen kann“, erzählt Christine Figgener.

Vortrag und Buchvorstellung

Da sie ihr 2014 ins Leben gerufene COASTS-Projekt (Costa Rican Alliance for Sea Turtle Conservation & Science) leitet, sind ihre Hauptaufgaben inzwischen zumeist administrativ und wissenschaftlich. „Jede Nacht am Strand zu sein, das schaffe ich einfach nicht mehr“, berichtet sie. Dennoch hat sie viel zu erzählen: Was sie antreibt, wie sie und ihr Team genau arbeiten, hat Christine Figgener in ihrem Ende März erschienenen Buch „Meine Reise mit den Meeresschildkröten“ aufgeschrieben. Die ersten 5000 Exemplare sind fast verkauft. Eine Neuauflage sowie die englische Übersetzung sind in Arbeit. Drei Vorträge mit Lesungen und Signierstunde hat sie für den Heimatbesuch in Marl und Haltern geplant.

Karettschildkrötenbabys am Strand.
Karettschildkrötenbabys am Strand. © Christine Figgener

Mit ihrem Publikum will die Meeresbiologin vor allem ins Gespräch kommen. Thema wird auch sein, was man hier von Deutschland aus für Meeresschildkröten tun und ihr Aussterben aufhalten kann. „Der Klimawandel bedroht die Schildkröten“, hält Christine Figgener fest. Die industrielle Fischerei führe dazu, dass hunderttausende Tiere sterben. „Als Konsument ist es daher wichtig zu wissen, woher die Fische kommen, die man isst. Also sollte man nur von nachhaltigen Betrieben kaufen. Besser ist natürlich gar keinen Fisch zu essen“, ist die 39-Jährige überzeugt.

Strandhotels meiden

Wer Urlaub plane, solle Hotels meiden, die direkt am Strand gebaut sind. „Im Sand sollte man keine Löcher buddeln oder Burgen bauen. Dabei kann man Schildkröten verletzten“, warnt die Expertin. Das gelte natürlich nicht an Nord- oder Ostsee, aber schon auf Mallorca oder den Kanaren, in Griechenland oder der Türkei nisten Meeresschildkröten. Ganz wichtig sei, im Alltag möglichst wenig Plastik zu gebrauchen. „Daher lohnt es sich, Parteien und Politiker zu unterstützten, die das fordern und Herstellern von Plastik einen Riegel vorschieben wollen“, ist Christine Figgener überzeugt.

Eine kleine Lederschildkröte hält Meeresbiologin Christine Figgener in ihrer Hand.
Eine kleine Lederschildkröte hält Meeresbiologin Christine Figgener in ihrer Hand. © Thierry Bois

Wer die Meeresbiologin in Marl treffen möchte, kommt am Donnerstag 20. April, um 18.30 Uhr in die Buchhandlung Wystup, Brasserstraße 71, oder am Freitag, 21. April, um 19:30 Uhr in den Gemeindesaal von St. Josef, Bergstraße (Einlass ab 19.10 Uhr). In Haltern ist sie am Freitag, 21. April, ab 11.30 Uhr an der Alexander-Lebenstein-Realschule. Der Eintritt ist frei, aber Christine Figgener bittet um eine Spende an den Förderverein ProMar ihres Meeresschildkötenprojekts.

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