Es war traumhaftes Wetter. So einen warmen Samstag Anfang April hat es in den Aufzeichnungen der Meteorologen seit Jahren nicht gegeben. Die Anwohner der Lochtruper Straße in Haltern-Lavesum konnten das sonnige Wetter allerdings nur teilweise genießen.
Zahlreiche Touristen haben die enge - und normalerweise ruhige - Straße zugeparkt. Am Vormittag war an ein Durchkommen kaum noch zu denken. Das Ziel der Begierde war für die meisten Touristen der Ketteler Hof. Dem Ketteler Hof fehlten für den warmen Tag allerdings etwa 100 Parkplätze, da der Boden aufgrund des Regens nicht befahrbar gewesen sei.
„Das war schon extrem“
Es staute sich. Die Familienkutschen konnten die Rekener Straße in Richtung des Freizeitparks nicht weiter herunterfahren und sind deswegen nach rechts in die Lochtruper Straße eingebogen. Da haben sie die Straße zugeparkt.

„Das war schon extrem“, berichten die Anwohner einige Tage später. Mit Foto oder Name wollten sie nicht in der Zeitung erscheinen. Aber sie erzählen offen, wie sie das Chaos wahrgenommen haben.
„Das war eine Zumutung für uns Anwohner“, sagt eine Frau. „Die Leute waren total frech uns gegenüber und auf Krawall gebürstet.“ Anhand der Kennzeichen konnte sie erkennen, von wo die Leute angereist sind. Sie schätzt, dass es ein Umkreis von circa 200 Kilometern um Haltern war. „Die 100 Parkplätze (die an dem Tag weggefallen sind, Anm. d. Red.) hätten auch nicht gereicht. Es waren zu viele.“
„Es wird immer schlimmer“
Zwar sei es noch nie so schlimm gewesen, wie an diesem Tag, trotzdem sagt die Anwohnerin: „Es wird immer schlimmer. Ich gönne den Einrichtungen ihren Erfolg, aber da muss was passieren, damit wir Anwohner atmen können.“ Denn sie als Anwohnerin profitiere nicht vom Tourismus.
Ihre Nachbarin hofft ebenfalls, dass das Verkehrschaos am 6. April eine einmalige Sache bleibt. „Ich wohne schon seit 15 Jahren hier und es war das erste Mal so schlimm.“ Den Rückstau auf der Rekener Straße würde es aber jeden Sommer geben. Das haben mehrere Anwohner unabhängig voneinander gesagt.
Die Frau hat aber eine konkrete Idee, wie es in Zukunft nervenschonender für die Anwohner und die Touristen sein könnte: „Vielleicht sollte der Ketteler Hof komplett auf Online-Tickets umsteigen und den Eintritt staffeln. Wie es beim Frühstücksbuffet im Hotel manchmal gemacht wird.“
Kein Durchkommen für die Bauern
Eine Lavesumerin war am vergangenen Samstag „ziemlich erstaunt, wo die Leute auf einmal alle hergekommen sind“. Sie sagt: „Mich persönlich hat es nicht gestört, aber die Bauern konnten mit ihren großen Geräten nicht mehr die Straße runterfahren.“
Sie zeigt Verständnis für die vielen Tagestouristen, die den Weg nach Lavesum auf sich genommen haben: „Wir wohnen hier auf dem Land wie die Götter in Frankreich. Für Familien in den Großstädten ist das natürlich anders, wenn sie nur eine kleine Wohnung haben. Ich kann also verstehen, dass die hergekommen sind.“
„Halb so wild“
Ein Anwohner in Lavesum bezeichnet die Situation als „halb so wild“. Denn er ist sich sicher: „Das war einmalig.“
Trotzdem war es an dem Tag selbst „heftig“, wie eine weitere Anwohnerin berichtet. „Wir sind nach Hause gekommen und hier war alles vollgeparkt. Eine Nachbarin hat erzählt, dass die Leute sogar 10 Euro gezahlt haben, um auf deren Einfahrt parken zu dürfen.“
Bürgermeister wünscht sich mehr Gelassenheit
Bürgermeister Andreas Stegemann hat das Thema in seinem Grußwort bei der Jahreshauptversammlung von „Haltern am See. Tut gut“ aufgegriffen. Darin habe er darauf hingewiesen, dass „diese einmalige Sondersituation belastend gewesen ist, aber ich mir wünschen würde, etwas gelassener zu reagieren“.
Die Stadt Haltern sei ein Touristenmagnet. „Zur Wahrheit gehört auch, dass die schöne Innenstadt und die tollen Angebote auf den Dörfern auch wesentlich von auswärtigen Besuchern finanziert werden“, konkretisiert Andreas Stegemann auf Nachfrage. „Davon profitieren wir alle in Haltern am See.“
„Haltern ist zu klein für zu viel Tourismus“
Nicht jeder Anwohner im Dorf kann für den steigenden Tourismus und die Worte des Bürgermeisters Verständnis aufbringen. „Warum soll ich froh über die Touristen sein?“, sagt eine Anwohnerin. „Der Silbersee ist immer voll, die Freibäder auch. Wir haben es hier wunderschön in Haltern, aber wenn das ganze Ruhrgebiet hier hinkommt, können wir Anwohner unsere eigene Stadt nicht mehr nutzen. Haltern ist zu klein für zu viel Tourismus. Wir werden aus unserem Paradies verdrängt.“

Bürgermeister Andreas Stegemann möchte eindeutig dem Eindruck widersprechen, dass „die Entscheidungen hier vor Ort, mehr die auswärtigen Besucher, als unsere Einwohner im Blick haben“.
Er gibt ein Beispiel: „Bei sich wiederholenden Belastungen haben wir in der jüngeren Vergangenheit z. B. am Silbersee durch rigoroses Abschleppen das Wohl der Anwohner sehr erfolgreich geschützt.“ Denn: „Schließlich soll Haltern am See insbesondere seinen Bürgern gut tun.“
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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 12. April 2024.