Gehörloses Kind (2) in der Tagespflege „Finn war sofort mittendrin“

Finn (2) ist mittendrin: Tagespflege hat gehörlosen Jungen aufgenommen
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Es erinnert ein wenig an die christliche Weihnachtsgeschichte: Da hat jemand an eine Tür geklopft und sie wurde geöffnet. Die Tagespflege Seestadtkids hat den gehörlosen Finn Hoffmann (2) aufgenommen. Und das, obwohl die Tagesmütter vorher noch nie Kontakt zu gehörlosen Kindern hatten.

Laura und Tobias Hofmann, die Eltern von Finn, leben seit sieben Jahren in der Seestadt. Inzwischen ist die Familie zu viert, mit den Söhnen Finn und Noah (3 Monate alt). Alle vier sind gehörlos.

„Wir haben uns schon früh Gedanken gemacht, wo wir Finn in einer Kita anmelden könnten“, erzählt Laura Hoffmann. Das Gespräch mit den Hörenden wird von einer Gebärdendolmetscherin übersetzt. Bei ihrer Suche wandten sie sich auch an die Stadt Haltern. „Dort hat man uns gefragt, ob wir uns auch eine Großtagespflege vorstellen könnten, denn Kindergartenplätze sind ja bekanntermaßen in Haltern sehr begehrt.“

Zunächst noch unsicher

Auch dieser Lösung standen die Hoffmanns offen gegenüber. Als sie bei den Seestadtkids anfragten, ob diese Finn aufnehmen würden, war sofort die grundsätzliche Bereitschaft da. „Allerdings waren wir zunächst noch unsicher, ob wir das auch leisten können“, sagt Tagesmutter Tammy Puke. „Erfahrungen mit gehörlosen Kindern hatten wir vorher noch nicht gemacht.“

Die Aufnahme von Finn erwies sich dann als unproblematischer, als alle erwartet hatten. „Er war sofort mittendrin, wurde von den anderen Kindern voll akzeptiert, und sie lernten schnell, dass er auf Geräusche nicht reagiert, dass man ihn anstupsen muss, wenn man seine Aufmerksamkeit will, oder dass man zeigt, was man von ihm möchte“, sagt Nicole Bergmann, ebenfalls Tagesmutter bei den Seestadtkids.

Die Tagesmütter, zum Team gehört auch Jasmin Dignat, begannen sich mit der Gebärdensprache zu beschäftigen und können inzwischen selbst darüber mit Finn kommunizieren. „Die Kinder verständigen sich im Spiel, sie lernen schnell, miteinander klarzukommen“, sagt Tammy Puke. „Da spielt es keine Rolle, ob man hören kann oder nicht.“

„Finn hat uns bereichert“

„Für uns ist eine großartige Erfahrung, dass Finn hier ist“, so Tammy Puke weiter. „Wir haben uns entschlossen, uns ab Januar in der inklusiven Tagespflege weiterbilden zu lassen. Finn hat unsere Arbeit hier sehr bereichert.“

Für Tobias Hoffmann ist noch ein weiterer Aspekt entscheidend: „Dadurch, dass die Kinder hier von Anfang an Menschen kennenlernen, die vielleicht etwas anders sind als sie, lernen sie die Vielfalt in unserer Gesellschaft kennen, lernen, dass eben nicht alle Menschen gleich sind und dass gerade das eine große Bereicherung unseres Zusammenlebens ist. Inklusion kann gelingen, wenn alle Beteiligten dafür offen sind.“

Die Tagesmütter der Seestadtkids mit Finn.
"Finn hat uns bereichert", sagen die Tagesmütter der Seeestadtkids, (v.l.): Tammy Puke, Nicole Bergmann und Jasmin Dignat. © Jürgen Wolter

Seit Mai dieses Jahres wird Finn vier Stunden täglich von einem ebenfalls gehörlosen Kommunikationsassistenten begleitet. „Das haben wir beim Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) beantragt. Und es hat sage und schreibe acht Monate gedauert, bis es genehmigt wurde“, so Tobias Hoffmann.

„Dazu möchte ich aber betonen, dass wir das nicht gemacht haben, weil wir mit der Arbeit der Tagesmütter unzufrieden gewesen wären. Im Gegenteil. Aber wir haben gemerkt, dass Finn ein wachsendes Kommunikationsbedürfnis hat. Kinder in dem Alter wollen immer mehr wissen. Zuhause gebärden wir ständig, aber in der Tagespflege ist das natürlich eingeschränkter. Das wollten wir ändern, weil wir die Sprachentwicklung von Finn fördern wollen und die Gebärdensprache ist nun mal seine Muttersprache“, ergänzt Tobias Hoffmann.

Bald kommt Noah

Deshalb hat Finn jetzt einen Kommunikationsassistenten an seiner Seite, der ihm hilft, immer mehr von der Welt zu entdecken. Wenn Finn drei Jahre alt wird, muss er aber leider die Seestadtkids verlassen. „Wir haben uns entschlossen, ihn dann in eine Kindertagesstätte zu geben, in die nur gehörlose und schwerhörige Kinder Kinder gehen“, sagt Tobias Hoffmann.

Die nächste Kita dieser Art gibt es in Gelsenkirchen-Buer. Dorthin wird Finn im nächsten Jahr wechseln. Die Tagesmütter der Seestadtkids freuen sich aber schon auf Noah. Der drei Monate alte kleine Bruder von Finn wird ebenfalls zu den Seestadtkids kommen.

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