Zum ersten Mal haben sich Störche als Untermieter auf dem Hof Hemsing in Lippramsdorf niedergelassen. 2019 hatte Christoph Hemsing den Horst aufgebaut, doch es tat sich lange nichts. Fünf Jahre warteten er und seine Familie, bis das Nest angenommen wurde.
Jetzt liegen zwei Jungstörche darin. Es sind Nachzügler. Ornithologe Michael Jöbges beringte die beiden, so lässt sich ihr weiterer Lebensweg verfolgen.
Ursprünglich beobachteten Annekatrin und Christoph Hemsing mit ihren Töchtern Mara und Lia vier Storchenkinder, dann waren es nur noch drei, letztlich überlebten zwei. Niels Ribbrock (Diplom-Landschaftsökologe und stellv. Geschäftsführer der Biologischen Station) weiß von etlichen Todesfällen beim Storchennachwuchs.

„Es gab zwar keine Fröste, aber der andauernde Regen hat dazu geführt, dass etliche Jungstörche gestorben sind“, sagt Niels Ribbrock. Sie hätten an Unterkühlung gelitten, weil sie in den feuchten Nestern nicht mehr trocken geworden seien. Im Freiheiter Brauk, wenige hundert Meter vom Hof Hemsing entfernt, überlebte nur ein Junges, in Dorsten-Hardt oder in Deuten beispielsweise fiel die Brut ganz aus.
Population ist stabil
„Es gab viele Brutpaare, aber nur wenig Nachwuchs“, sagt Niels Ribbrock. Im Schnitt lagen zwei Jungstörche im Nest oder eben gar keine. Dennoch sei die Population groß und stabil nach vielen guten Jahren in Folge. In den warmen Sommern der letzten Jahre wurden überdurchschnittlich viele Jungstörche groß.
Die Jungstörche auf dem Hof Hemsing sind Nachzügler. „Noch nie habe ich Nachwuchs so spät beringt“, sagt Michael Jöbges. Eine Ahnung, warum die Eltern Spätzünder waren, hat Annekatrin Hemsing. Die Störche vom Hof und die vom Brauk trugen heftige Revierkämpfe aus, die nicht selten blutig endeten. Irgendwann legte sich die Rivalität und es kehrte Ruhe ein. Ruhe zum Brüten.

In Lavesum haben die Jungstörche schon ihr „Elternhaus“ verlassen. Vor sechs Wochen hat Michael Jöbges sie beringt. Die Jungstörche in Lippramsdorf werden in zwei Wochen flügge, schätzt er.
150 Vögel hat er in Nordrhein-Westfalen beringt, jetzt ist er fertig. Es werden längst nicht mehr alle Jungstörche erfasst, dafür sind es inzwischen zu viele. Manche Horste waren auch gar nicht erreichbar. In Wulfen brütete ein Storchenpaar auf einer abgebrochenen Pappel in unerreichbarer Höhe von 20 Metern. Im Hervester Bruch war das Gras so hoch und der Boden so nass, dass der Hubsteiger versunken wäre.
Viel besuchtes Storchenland
800 Paare haben in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen gebrütet, im Kreis waren es 40. Im vergangenen Jahr wurden etwa 1400 Jungstörche gezählt, eine Zahl für 2024 gibt es noch nicht. „Der Storch gehört wieder zur Landschaft. Das ist etwas Tolles“, findet Michael Jöbges.
Das sah Anfang des 20. Jahrhunderts ganz anders aus. Die Weißstorch-Population ging in NRW kontinuierlich zurück. Auf dem Tiefpunkt der Bestandsentwicklung im Jahr 1991 konnten nur noch drei Horstpaare in der Weseraue beobachtet werden. Der Großvogel stand unmittelbar vor dem Aussterben.

Durch viele Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung und das Aufstellen von Nisthilfen kehrten die Weißstörche als Brutvögel in Gegenden zurück, in denen sie mehr als 50 Jahre nicht gesichtet worden waren. 2022 zählte das LANUV 705 Brutpaare.
Im Kreis Recklinghausen ließ sich 2012 das erste Paar im Hervester Bruch nieder. Damals eine Sensation. Heute ist der Hervester Bruch ein viel besuchtes Storchenland.
