1998 war Schloss Sythen ein ungepflegtes Anwesen. Als Sythener vom Wiederaufbau träumten, wurden sie belächelt. Dann aber legten sie sich für ihren Traum tatkräftig ins Zeug.

08.11.2018, 16:59 Uhr / Lesedauer: 3 min

Besonders für Hochzeitspaare ist Schloss Sythen eine begehrte Adresse. Sie schätzen es, an ihrem schönsten Tag im Leben durch den historischen Torbogen zu schreiten und in der alten Schlosskapelle ihr Jawort zu geben.

„Dominus custodiat introitum tuum et exitum tuum, ex hoc nunc et usque in saeculum.“ („Der Herr behüte deinen Eingang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit.“), steht über dem Eingang der Kapelle. Die Kulisse ist einfach perfekt.

Besucher der gepflegten Schlossanlage erinnert heute nichts mehr an den jämmerlichen Zustand des Anwesens in den 1990er Jahren. Das ist nicht nur dem engagierten Förderverein von Schloss Sythen zu verdanken, sondern auch einer Schar tatkräftiger Freiwilliger, die sich als „Rentnerband“ einen Namen gemacht haben.

Mit dem Beginn der umfangreichen Sanierungsarbeiten vor zwanzig Jahren, am 7. November 1998, nahmen auch diese „Schlossgeister“ offiziell ihre Arbeit auf.

Der erste Spatenstich zur Sanierung des Schlossgebäudes mit dem damaligen Bürgermeister Erwin Kirschenbaum (SPD, 4.v.r.) erfolgte am 7. November 1998.

Der erste Spatenstich zur Sanierung des Schlossgebäudes mit dem damaligen Bürgermeister Erwin Kirschenbaum (SPD, 4.v.r.) erfolgte am 7. November 1998. © privat

Dreimal in der Woche trafen sich die Rentner, um auf dem Gelände erst einmal aufzuräumen und den Einsatz von Fachfirmen vorzubereiten. An Samstagen eilten zur Entlastung weitere Helfer aus Sythen herbei, so groß waren die Herausforderungen.

Mancher zweifelte sogar daran, dass der geplante Wiederaufbau gelingen könnte. „Bleibt Schloss Sythen ein Luftschloss?“, titelte damals die Halterner Zeitung.

„Ohne Willi Haverkamp hätten wir es nicht geschafft“, sagen Heinz Höhnerhaus, Alfred Stock, Engelbert Hurtner und Alfons Gödde noch heute, die damals mit den bereits verstorbenen Werner Dahms und Werner Fiskal zum Kern der „Rentnerband“ gehörten.

Für den Bauunternehmer wurde der Wiederaufbau von Schloss Sythen zur Herzensangelegenheit. Wann immer Maschinen und Material benötigt wurden, war Willi Haverkamp zur Stelle.

In unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden haben Förderverein und Rentnerband das Schloss in ein Schmuckstück verwandelt.

In unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden haben Förderverein und Rentnerband das Schloss in ein Schmuckstück verwandelt. © Förderverein Schloss Sythen

„Am Anfang haben wir unseren Kaffee an einem Kofferraum getrunken“, erinnert sich Alfred Stock. Dann stellte Willi Haverkamp einen seiner Bauwagen zur Verfügung und die Pausen wurden gemütlicher. 2004, nachdem die Sanierung der Gebäude abgeschlossen war, baute sich die “Rentnerband“ einen eigenen Aufenthaltsraum mit Geräteschuppe.

Im gleichen Jahr wurde sie mit dem Ehrenbürgerpreis der Stadt Haltern ausgezeichnet. Willi Haverkamp wurde sogar mit der Bundesverdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland geehrt.

Stetes Ringen mit den Denkmalschützern

Die Renovierungsjahre bis 2002 waren geprägt von Auseinandersetzungen mit dem Denkmalamt in Münster und immer neuen Überraschungen auf der Baustelle. So hatten die Rentner alte Steine der Kapelle gesammelt und hätten damit gerne die eine oder andere marode Stelle im Mauerwerk ausgebessert. „Das durften wir aber nicht“, seufzen sie noch heute über eine Entscheidung der Denkmalschützer beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Stattdessen wurden neue Steine angefertigt, die pro Stück 5,80 Mark kosteten. „Die Gedanken des LWL mussten wir erst einmal verkraften“, erklärt Heinz Höhnerhaus.

Der Kapellenbau nach der Restaurierung mit Blick auf das Torhaus. Im Obergeschoss befand sich die Wohnung des Hausgeistlichen der gräflichen Familie.

Der Kapellenbau nach der Restaurierung mit Blick auf das Torhaus. Im Obergeschoss befand sich die Wohnung des Hausgeistlichen der gräflichen Familie. © Rudolf Marwitz

Letztendlich aber setzten sie sich mit Beharrlichkeit auch manchmal durch. So lehnten sie es ab, den Anbau am Torhaus, der im Erdgeschoss heute für Feiern verschiedenster Art zur Verfügung steht, in weißem Putz zu errichten.

Als ein Landwirt in Lavesum seine Scheune aufgeben wollte, sah die Sythener Rentnerband ihre Chance. Sie zerlegte die Scheune samt altem Holz, säuberte rund 10.000 Steine, die denen am Schloss Sythen sehr ähnlich waren und gestaltete damit die Fassade ihres Anbaus.

Ein anderes Mal allerdings ging ein Sanierungskapitel nicht erfolgreich zu Ende. Unter großem Körpereinsatz bauten die Freiwilligen die alten Holzfenster aus den Gebäuden aus, damit diese aufgearbeitet werden konnten.

Bauherren erlebten Höhen und Tiefen

Dann stellte sich heraus, dass es sich nicht um hochwertiges Eichenholz, sondern nur um Fichte handelte. „Die könnt ihr verbrennen“, machte ein Fachmann alle Mühen zunichte.

Noch heute aber leuchten die Augen der Rentner, wenn sie davon berichten, wie sie auf dem Schlossgelände einen alten Mühlstein aus der Ölmühle gegenüber fanden, die 1906 ihren Betrieb einstellte. Der Stein dient heute bei Gottesdiensten auf dem Anwesen als Altar. Auch die Entdeckung des Schlossbrunnens und seine Reaktivierung ist ihnen noch lebendig im Gedächtnis.

Nicht verstehen können sie, dass das Herrenhaus von Schloss Sythen im Jahr 1971 ohne langes Überlegen abgerissen wurde. Damals war der Caritasverband Recklinghausen Eigentümer der Anlage, der das seit 1946 von Ordensschwestern betriebene Kinder-Genesungsheim durch Erweiterungsbauten vervollständigte.

Das Foto von 1930 zeigt den Blick vom Innenhof am Torhaus entlang – vorbei am Eingang – auf das Herrenhaus. Dieses wurde 1971 abgerissen.

Das Foto von 1930 zeigt den Blick vom Innenhof am Torhaus entlang – vorbei am Eingang – auf das Herrenhaus. Dieses wurde 1971 abgerissen. © Archiv Backmann

Am Standort von Herrenhaus und Wirtschaftsgebäude plante der Caritasverband ein Familienerholungsheim, das aber nie verwirklicht wurde. 1979 wurde das Anwesen an den Halterner Immobilienmakler Wilfried Humberg verkauft, der ebenfalls keine bauliche Entwicklung vorantreiben konnte.

Mit den Jahren wurde das Gelände mit seinen Restbauten dem Verfall preisgegeben. 1989 schließlich erwarb die Stadt Haltern Schloss Sythen im Tausch gegen Bauland. Sie hat es an den Förderverein verpachtet.

Neue Nutzungsideen kamen nicht an

Als in jüngster Vergangenheit die Idee öffentlich wurde, dass der Geschäftsführer des Halterner Kommunikationsbüros „Die guten Botschafter“ den Firmensitz von der Rekumer Straße nach Schloss Sythen verlegen und hier einen modernen Erweiterungsbau plante, reagierten besonders die Mitglieder des Fördervereins und der Rentnerband mehr als reserviert.

Sie befürchteten, dass ihre Vorstellungen im neuen Nutzungskonzept keine Rolle mehr spielen könnten. Letztendlich wurde keine Einigung zwischen beiden Parteien erzielt und die weitere Planung gestoppt.

Die ursprüngliche „Rentnerband“ mit Engelbert Hurtner (v.l.), Wilhelm Haverkamp, Alfred Stock, Heinz Höhnerhaus und Alfons Gödde (6.v.l.) wird mittlerweile durch jüngere Freiwillige verstärkt. Neuestes Projekt ist die Pflasterung der Zuwegung.

Die ursprüngliche „Rentnerband“ mit Engelbert Hurtner (v.l.), Wilhelm Haverkamp, Alfred Stock, Heinz Höhnerhaus und Alfons Gödde (6.v.l.) wird mittlerweile durch jüngere Freiwillige verstärkt. Neuestes Projekt ist die Pflasterung der Zuwegung. © Silvia Wiethoff

Die Geschichte von Schloss Sythen, das historisch belegt eigentlich Haus Sythen genannt werden müsste, geht ohne Firmenansiedlung weiter. Schauplatz für Auseinandersetzungen ist das Anwesen auch in früheren Jahrhunderten reichlich gewesen. Erstmals erwähnt wird „Sitnia“ im Jahr 758 in einer Urkunde. Damals kämpften die Sachsen und Franken gegeneinander.

Viele Jahrhunderte hindurch war Haus Sythen übrigens eine Wasserburg, die aus einer germanischen Wallburg hervorgegangen ist. Das heutige Kapellen-Gebäude wurde um 1330 erbaut und war Teil der Hauptburg, der heutige Torbogen gehörte zur Vorburg.

Zum Glück gehören die kriegerischen Kämpfe zwischen Rittern und Adelsgeschlechtern schon längst der Vergangenheit an. Heute spielt die Liebe auf Schloss Sythen eine Hauptrolle. Die Trauungstermine auf geschichtsträchtigem Boden für 2019 sind bereits ausgebucht.