90 Jahre Schuhhaus Plagge „Ich schaue den Menschen immer zuerst auf die Füße“

90 Jahre Schuhhaus Plagge und die Geschichte ist noch nicht auserzählt
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Das Schuhhaus Plagge liegt inmitten der Fußgängerzone. Jeder, der zwischen Altem Markt und Muttergottesstiege bummelt, kommt daran vorbei. Und staunt. Darüber, wie sich ein kleines Geschäft in einem über 100 Jahre alten Haus so beharrlich am Markt behauptet und dabei seit 90 Jahren ohne viel „Chi­chi“ auskommt. Es ist die Liebe und Leidenschaft zum Beruf, die Inhaber Bernd Plagge durch Schuhe sprechen lässt.

Das Haus ist zwar alt, das Warensortiment ist es beileibe nicht. Wer qualitativ gute und moderne Schuhe sucht und dazu noch freundlichen Service, wird hier nie enttäuscht. Gerade hat Bernd Plagge fast vier Wochen darauf verwandt, Schuhe für den Sommer 2024 einzukaufen. Dabei hat das Wintergeschäft eigentlich gerade erst begonnen.

Wenn Bernd Plagge Menschen begegnet, schaut er ihnen immer zuerst auf die Füße. Das bringe der Beruf so mit sich. Was macht einen guten Schuh aus? „Ein guter Schuh ist immer aus Leder. Und er muss eine gute Passform haben“, sagt Bernd Plagge. Die Kundschaft aus Haltern und der weiteren Region vertraut ihm, den drei Mitarbeiterinnen und dem ehrlichen Preis-Leistungsverhältnis. Dieses Vertrauen hat ihn auch durch die schwierige Corona-Zeit getragen.

Schuhgeschäft und Werkstatt

„Ich hänge an diesem Geschäft“, sagt Bernd Plagge (73) bei einem Gespräch in seinem Wohnzimmer. 1981 hat er die Nachfolge seiner Eltern angetreten und bis auf die Modetrends wenige Veränderungen vorgenommen. Er mag Beständigkeit und dazu gehört auch ein gewisses Maß an Nostalgie.

Sein Vater Anton, Schuhmacher von Beruf, zog auf Anraten eines Verwandten 1933 von Lünen nach Haltern und eröffnete im Haus von Fräulein Cleve einen Schuhladen an der Rekumer Straße. Die Fläche teilte er sich 25 Jahre lang mit einem Blumengeschäft. Damals hatte er hinten im Haus eine Werkstatt, vorne verkaufte er Schuhe. In den Regalen aber standen nicht wie heute die Modelle zum Ansehen und Probieren, sondern Kartons: Schuhe wurden auf Verlangen hergezeigt, Selbstbedienung gab es nicht.

Schwere Kriegsjahre

1936 heiratete Anton Plagge, fortan unterstützte ihn seine Frau im Geschäft. Sie war es, die die Stellung hielt, als der Schuhmacher zum Kriegsdienst eingezogen wurde und erst spät aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte. „Meine Mutter stand noch mit weit über 80 Jahren im Laden“, erinnert sich Bernd Plagge.

Das um 1900 erbaute Haus ging nach dem Krieg in den Besitz von Familie Plagge über. Hier wohnt Bernd Plagge. „Mitten in der Stadt, über dem Schuhgeschäft. Das ist für mich Lebensqualität!“ Seinen Bruder hingegen zog es nach Köln.

Anton Plagge vor Schuhkartons
Anton Plagge zog von Lünen nach Haltern und gründete hier an der Rekumer Straße Schuhgeschäft und Werkstatt. Er starb im Juli 1995. © privat

Bernd Plagge ist gelernter Kaufmann. Nach seiner Ausbildung im Schuhhaus Klauser in Recklinghausen besuchte er die Schuhfachschule für den Handel in Pirmasens, wechselte noch einmal nach Solingen bevor es ihn zurück ins elterliche Geschäft zog. 1981 übernahm er das Schuhhaus und baute es um. Keine Sekunde habe er seine Entscheidung bereut, betont er. „Wenn ich heute noch einmal vor der Wahl stünde, ich würde alles wieder genauso machen!“

Kein Gedanke ans Aufhören

Ein engagiertes Unternehmertum fordert auch seinen Preis. Bernd Plagge ist nur selten in Urlaub gefahren. Dafür sucht er Abwechslung auf dem Fußballplatz, wo er seinen Heimatverein, den TuS Haltern, anfeuert. Jahrelang (bis 2015) traf er sich außerdem mit Freunden zum Segeln. Es ist der vielfältige Kontakt zu den Menschen in Haltern, den Bernd Plagge so sehr schätzt. Er kennt (fast) jeden und (fast) jeder kennt ihn.

Deshalb denkt er über ein Aufhören nicht nach, oder? „Was soll ich sagen? Ich habe für das nächste Jahr schon einkauft“, schmunzelt er. 90 Jahre Schuhhaus Plagge sollen noch nicht genug sein. „Ich schaue von Jahr zu Jahr weiter!“

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