Keine Scham bei Beckenbodenschwäche „Mit Inkontinenz muss man sich nicht abfinden“

Beckenbodenschwäche: „Mit Inkontinenz muss man sich nicht abfinden“
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Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz und Schmerzen beim Sex – das sind Themen, über die Frauen nicht gerne sprechen, die sie ab einem gewissen Alter aber gehäuft plagen. Britta Deitermann aus Haltern weiß das nur zu gut. Die gelernte Physiotherapeutin hat sich zur Beckenbodentrainerin weitergebildet, behandelt seit einiger Zeit viele Klienten mit diesen Problemen. Sie wünscht sich, dass die Scham rund um das Thema Beckenbodenschwäche abnimmt und Betroffene die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten kennenlernen.

„Frauen müssen sich nicht damit abfinden, dass sie beim Husten, Niesen oder Lachen Urin verlieren“, sagt Deitermann. „In Werbungen für Dameneinlagen geht es nur darum, Symptome zu vertuschen. Ich möchte aber aufzeigen, was man stattdessen machen kann.“ Das seien, je nach Symptomatik, bestimmte Übungen oder eine Elektrotherapie – beides Methoden, mit denen sich die Beschwerden deutlich mildern oder sogar beheben lassen.

Früh eingreifen

Das beste Mittel gegen Beckenbodenschwäche sei es aber, von vornherein für Prophylaxe zu sorgen. Deitermann erklärt: „Ein großes Problem ist, dass wir heutzutage zu viel sitzen. Die Muskeln im Beckenbereich werden nicht mehr benutzt. Dadurch nimmt die Funktionsfähigkeit ab.“

Je eher man dem entgegenwirke, desto besser: „Man kann einen schwachen Beckenboden nicht aussitzen“, sagt die Expertin. „Man muss schon etwas dagegen tun. Zwar nicht viel, aber konsequent.“ Drei Monate tägliche Übungen reichten etwa aus, um deutliche Fortschritte zu erzielen. Auch sei Sport – etwa Yoga oder Schwimmen – eine gute Idee.

Wissensvermittlung in Kursen

In ihren Kursen möchte Deitermann ihren Patienten das nötige Wissen vermitteln, ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte bieten und über falsche Tipps aufklären. Etwa sei es kontraproduktiv, besonders häufig zur Toilette zu gehen oder während dem Toilettengang immer mal wieder den Urin einzuhalten.
„Man kann die Blase auch schwach trainieren“, weiß sie. Beispielsweise werde Kindern oft angewöhnt, vor Autofahrten auf die Toilette zu gehen, obwohl sie gar kein Harndrang verspüren. Das könne auch im Erwachsenenalter noch Auswirkungen haben.

Behandlungsraum mit Liege
In ihren Behandlungsräumen macht Britta Deitermann mit ihren Patienten verschiedene Übungen, um den Beckenboden zu trainieren. © Vivien Nogaj

„Einige Patienten gehen zum Beispiel 20 Mal am Tag auf die Toilette, fühlen sich nur sicher, wenn ein WC in der Nähe ist.“ Deitermann sei es deshalb auch wichtig, psychologische Komponenten in ihre Kurse einzubringen.

Der Bedarf nach Beratung und Hilfe sei in jedem Fall vorhanden. „Im Vergleich zu früher nehmen die Frauen heute viel mehr am gesellschaftlichen Leben teil. Inkontinenz ist nichts, was sie dabei aushalten müssen.“