Im Juli 1899 begann die Altertumskommission für Westfalen mit Ausgrabungen auf dem Annaberg, um die Anwesenheit der Römer von 12 v. Chr. bis mindestens 9 n. Chr. in Haltern nachzuweisen. Das Castell auf dem Annaberg ist die Keimzelle, sagte Dr. Bettina Tremmel auf dem 20. Wasserwerksvortrag, zu dem das LWL-Römermuseum und die Gelsenwasser AG eingeladen hatten.
Carl Schuchardt, Spezialist in der Erforschung prähistorischer Befestigungsanlagen, setzte damals den Spaten an und durchwühlte den Annaberg. 2024 jähren sich die Anfänge der Grabungen dort. Die LWL-Archäologie nimmt das Jubiläum zum Anlass, um wieder dort zu graben.
„Wir wollen dem damaligen Phänomen auf die Schliche kommen“, nennt Dr. Bettina Tremmel (provinzialrömische Archäologin) das, was sie und ihr Team vorhaben. Sie wollen die Aufzeichnungen von Schuchardt und seinen Helfern verifizieren und tragfähig wissenschaftlich dokumentieren. Schon im Oktober wollen sie damit starten.
Vier Grabungsstellen arbeiteten sie schon in diesem Jahr ab. Glücklicher Zufall waren Baustellen am Ufercastell, an der Burbrockgosse (Regenrückhaltebecken), an der Pitter-Bey-Straße und an der Annabergstraße. Bevor die Bauarbeiter ihre Aufträge erfüllten, gruben die Archäologen. Bis zu 35 Meter tief schauten sie mit Hilfe von Bohrungen in die Historie.
Im Zuge ihrer Erforschungen stellten sie fest, dass die Lippe zwar durch die Stadt, aber viel weiter südlich als vermutet geflossen ist. Und sie floss nicht in geradem Lauf auf den Annaberg zu, sondern machte vor der Anhebung einen Schwenk nach links. Die Modellansicht im LWL-Römermuseum bedürfe deshalb einer Korrektur, sagte Bettina Tremmel schmunzelnd.
Militärbasis war viel größer
Denn die Militärbasis am Ufercastell war wesentlich größer als bislang angenommen und von der Vermutung, dort habe es eine Kaianlage gegeben, müsse man sich verabschieden. Die Lippe hat mehrmals ihren Lauf geändert. „Wo früher die Lippe floss, ist heute kein Tropfen Wasser mehr zu sehen“, so die Archäologin.

Stefan Ullrich von der LWL-Archäologie für Westfalen war bei den Grabungen dabei und untersuchte unter anderem die Veränderungen im Landschaftsbild. Dabei legte er den alten Verlauf der Burbrockgosse frei. Sie war ein verlandetes Flussgerinne.
Bäume und Keramik
Bei den Grabungen an den genannten vier Orten stießen die Archäologen beispielsweise auf Baumstämme von Eichen und Eschen aus dem 7. Jahrhundert, mittelalterliche Scherben und Spuren von Pfosten, die dem Uferschutz dienten, und auch auf römische Keramik aus der Zeit des Hauptlagers.
Um das Geschehen an der Lippe während der römischen Besatzung noch besser zu verstehen, wären weitere Grabungen am Wiegel wünschenswert. Hier befand sich der Hafen, wo die Güter zur Versorgung der Legionäre eintrafen und von wo aus sie zum Hauptlager gebracht wurden.