Ringen um die Landwirtschaft Fairer Umgang mit dem Berufsstand gefordert

„In der Denke der Finanzwelt ist die Kreislaufwirtschaft nicht drin“
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Cäcilia Scholten, Projektmanagerin in der katholischen Pfarrei St. Sixtus Haltern, führte zusammen mit Pfarrer Michael Ostholthoff durch den Abend. Auf dem Podium saßen Heiner Kemper aus Hullern (Landwirt und stellv. Vorsitzender des Kirchenvorstandes St. Sixtus), Michael Uckelmann aus Dülmen-Hiddingsel (Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes), Pfarrer Bernd Hante (Landvolk-Diözesanpräses) sowie Frank Boing aus Reken (Diozösanvorsitzender der Landjugend).

Sie erläuterten im ersten Teil der Veranstaltung ihre Sicht auf die Landwirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln. Allen gemeinsam war dabei die Forderung nach einem fairen Umgang mit dem Berufsstand.

„Wie fair ist unsere Landwirtschaft?“ - das war die Frage des Abends. Aber es stelle sich genauso die Frage, wie fair gehe man aus Verbrauchersicht und aus politischer Sicht mit der Landwirtschaft um, eröffnete Cäcilia Scholten die Runde. „Es ist wichtiger denn je, unsere Natur und unser Umfeld in den Blick zu nehmen. Sie ist unsere Lebensgrundlage.“

Sie lud die Gäste im Zelt ein, kurz darüber nachzudenken, was sie mit dem Begriff Landwirtschaft ganz spontan in Verbindung bringen. Die Antworten brauchten keine langen Überlegungen. Viele der Gäste hatten in jungen Jahren selbst Berührung mit der Landwirtschaft oder stammen aus dieser: Familienbetrieb, Mehrgenerationenwohnen, Heu- und Kartoffelernte, Nutzgarten, Hausschlachtung …

Wie weit sich die moderne Landwirtschaft längst von dieser teils romantisierten Sicht auf die „Gute alte Zeit“ entfernt hat und mit neuen Herausforderungen wie die Ernährung einer stets wachsenden Bevölkerung umgehen muss, zeigten im Anschluss die Ausführungen der Fachmänner auf dem Podium.

Für Heiner Kemper vom Bauernhof Kemper ist ökologisches Wirtschaften und die Umsetzung von Tierwohl wichtig, wo immer es möglich ist: „Wir wollen vor Ort versuchen, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Aber das geht nicht mit überzogenen Vorstellungen. Unsere Tiere sollen es gut haben, aber es bleiben dennoch Nutztiere.“ Ungerecht findet er die aufgeblähte Bürokratie und schwierig das Spannungsfeld zwischen hohen Pachtpreisen für Ackerflächen und umsetzbarer Nachhaltigkeit.

Für Michael Uckelmann gehört die Kreislaufwirtschaft zu einem der wichtigsten heute zu berücksichtigenden Punkte. „Wir brauchen ökologische Landwirtschaft. Ganz ohne intensive Landwirtschaft geht es dennoch nicht. Denn wir müssen große Mengen an Lebensmitteln und Futter erzeugen.“

Dass das Wirtschaften auf einem Hof aber auch umweltverträglich möglich sei, zeige zum Beispiel die Wasserkooperation in Haltern. Landwirte und Gelsenwasser hätten es geschafft, dass seit Jahren für die Trinkwassergewinnung keine Aktivkohle mehr eingesetzt werden müsse.

„Kontrollwahn der Politik“

Er bemängelte wie Heiner Kemper die wachsende Schreibtischarbeit, die mittlerweile weit mehr Zeit in Anspruch nehme als die Arbeit mit den Tieren und im Freien. „Im Frühjahr sind wir mit mehreren tausend Treckern auf die Straße gegangen. Da ging es nicht nur um den Agrardiesel, da ging es auch um die überbordende Bürokratie und den Kontrollwahn der Politik, mit dem handelnden Personen einfach ein Stück weit das Vertrauen abgesprochen wird.“

Pfarrer Bernd Hante, der selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, betrachtete das Thema aus globaler Sicht. „Die Kirche hatte immer ein gutes Verhältnis zur Landwirtschaft. Es ist uns dabei auch wichtig, die Natur als Lebensraum zu bewahren. Wir denken immer noch in unseren Verbräuchen nach dem Bruttoinlandsprodukt. In der Denke der Finanzwelt ist die Kreislaufwirtschaft nicht drin.“

Er plädierte für Respekt vor und Solidarität mit verschiedenen Berufsgruppen wie Landwirtschaft, Handwerk oder Pflege und für mehr soziale Sicherheit.

Frank Boing, Diözesanvorsitzender der Landjugend und studierter Landwirt, sprach das Problem der Monokulturen an und Wetterextreme, die nicht nur zu Missernten führten, sondern in heutiger Zeit auch noch für Ausfälle in der digitalen Datenübertragung sorgten. „Beim Thema Monokultur kommt es immer wieder zu Reibereien zwischen Bevölkerung und Landwirten. Wenn man sich die Definition von Monokultur ansieht, ist ein solches Wirtschaften, wenn man an Agrarfördermaßnahmen teilnimmt, schlichtweg beim Gesetzgeber nicht möglich“, führte er aus.

Was ihn in die Landwirtschaft gezogen hat, ist sein Wunsch, nachhaltig zu wirtschaften. Ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem sei ihm ein großes Anliegen, zu dem er bereits ein Leitbild für die Landjugend verfasst habe.