Polin aus Haltern nach 28 Jahren in Deutschland eingebürgert „Ich will in die Politik“

Polin nach 28 Jahren eingebürgert: „Jetzt will ich in die Politik“
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Anna Ewa Himmelmann kam vor 28 Jahren nach Deutschland. Die in Mragowo geborene Polin wohnt seit 25 Jahren in Lippramsdorf, ist verheiratet und hat zwei Töchter. „Den deutschen Pass habe ich bislang nie benötigt“, sagt die 52-Jährige. Im vergangenen Jahr stellte sie dann aber doch einen Einbürgerungsantrag.

Ihre Einbürgerungsurkunde nahm sie jetzt zusammen mit 33 weiteren Personen in Recklinghausen entgegen. „Die Entscheidung zur Einbürgerung bringt die Zuversicht zum Ausdruck, in diesem Land eine gute Zukunft zu finden“, meinte Landrat Bodo Klimpel. Persönlich hat Anna Ewa Himmelmann längst eine positive Zukunft gefunden. Die deutsche Staatsangehörigkeit benötigt sie nach eigener Aussage, „um politisch mitreden und Gesetze verbessern zu können“.

Rund-um-die-Uhr-Betreuung

Anna Ewa Himmelmann betreibt seit Jahren eine Pflegevermittlungsagentur in Haltern. Die zierliche, quirlige Frau sitzt in ihrem Büro an der Annabergstraße an einem großen Schreibtisch. Ein kleiner Brunnen plätschert vor sich hin. Trotz ihrer Lebendigkeit strahlt die 52-Jährige Ruhe und Besonnenheit aus.

Ausführlich berichtet sie über die Situation alter und behinderter Menschen, die zu Hause leben und nicht in ein Heim ziehen wollen. Und auch von der Lage der Pflegekräfte, die sie aus Polen hierher vermittelt, damit sie die Pflege- oder hilfebedürftigen Menschen rund um die Uhr betreuen.

„Und genau diese Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist das Problem“, sagt Anna Ewa Himmelmann. Stein des Anstoßes ist ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juni 2021, nach dem ausländische Betreuungskräfte auch in Zeiten der Bereitschaft Anspruch auf einen Mindestlohn haben. Anna Ewa Himmelmann weiß, dass es keinem Menschen zuzumuten ist, Tag für Tag 24 Stunden in Bereitschaft zu sein. Und bezahlbar wäre es eben auch nicht.

Verunsicherung

„Die prinzipielle 24-Stunden-Bereitschaft bedeutet ja nicht, dass auch 24 Stunden gearbeitet wird“, erklärt sie. Angemessene Ruhezeiten müssten schließlich eingehalten werden. Und das würden sie auch im Allgemeinen. „Im Akutfall mag es Ausnahmen geben“, sagt die Pflegevermittlerin. Wenn der erhöhte Pflegebedarf chronisch werde, müsse nach neuen Lösungen gesucht werden.

34 Menschen aus dem Kreis Recklinghausen sind jetzt eingebürgert worden. Von Landrat Bodo Klimpel erhielten sie ihre Einbürgerungsurkunden.
34 Menschen aus dem Kreis Recklinghausen sind jetzt eingebürgert worden. Von Landrat Bodo Klimpel erhielten sie ihre Einbürgerungsurkunden. © Kreis RE

Der Fall einer bulgarischen Pflegekraft, der vor dem Erfurter Gericht Recht zugesprochen wurde und der mehrere tausend Euro nachgezahlt werden mussten, verunsichert nun die gesamte Branche.

Die Halterner Pflegevermittlerin berechnet für die Vermittlung einer Pflege- und Betreuungskraft auf der Grundlage von wöchentlich 40 Arbeitsstunden eine monatliche Pauschale in Höhe von rund 2800 Euro. „Wenn nun auch die Ruhezeiten als Bereitschaft vergütet würden, wäre das nicht mehr finanzierbar“, sagt die examinierte Krankenschwester.

„Die arbeitsrechtlichen Grundlagen einer 24-Stunden-Pflegekraft sind nicht ausreichend im Gesetz definiert“, sagt Anna Ewa Himmelmann. Und genau das will sie jetzt ändern. Mir dem deutschen Pass, den sie zusätzlich zum polnischen besitzt, will sie politisch aktiv werden. Mit entscheiden und mit verändern. Bodo Klimpel habe sie direkt gesagt: „Und jetzt will ich in die Politik.“ Ihr Ziel: „Ein neues Pflegegesetz.“

Einen Brief an das Gesundheitsministerium mit Bitte um ein Treffen arbeitet sie gerade aus. „Die ganze Pflegegeschichte muss thematisiert werden“, sagt sie aus voller Überzeugung. Auch die Krankenkassen müssten bei der Frage der finanziellen Beteiligung bei 24-Stunden-Betreuungen stärker mit ins Boot geholt werden.

Kritiker mögen ihr rein wirtschaftliche Interessen vorwerfen. Das stört Anna Ewa Himmelmann nicht. „Ich möchte, dass alle hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, die zu Hause wohnen bleiben wollen, dies auch können“, sagt sie. „Das ist mir eine Herzensangelegenheit.“

  • Landrat Bodo Klimpel hat jetzt 34 Frauen, Männern und Kindern ihre Einbürgerungsurkunden überreicht. Damit sind sie nun offiziell deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. „Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer deutschen Staatsbürgerschaft. Mir ist wichtig, dass Sie wissen: Keiner von Ihnen gibt mit der deutschen Staatsbürgerschaft seine persönlichen Wurzeln oder seine Lebensgeschichte auf. Das erwartet auch niemand von Ihnen. Ich wünsche mir vielmehr, dass Sie das Beste aus Ihrer persönlichen Entwicklung und Erfahrung weitergeben und einbringen. Dass Sie unsere Gesellschaft noch bunter, vielfältiger und stärker machen“, sagte Klimpel.
  • Vier der Eingebürgerten kommen aus Haltern, zwei aus Datteln, acht leben in Oer-Erkenschwick und eine in Waltrop. Die neuen deutschen Staatsbürger sind zwischen 5 und 83 Jahren alt, 14 von ihnen sind jünger als 30 Jahre. Sie stammen aus 14 verschiedenen Herkunftsländern darunter Rumänien, Brasilien, Polen, Sri Lanka, Spanien und Ukraine.
  • Die Ausländer- und Einbürgerungsbehörde des Kreises Recklinghausen ist für ausländische Bürger in den Städten Datteln, Haltern, Oer-Erkenschwick und Waltrop zuständig.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 6. September 2023.