
Die „Senioren-Residenz Sythen am See" wird ihrem klangvollen Namen gerade nicht gerecht. © Ingrid Wielens
„Wesentliche Mängel“: Heimaufsicht ordnet Aufnahmestopp im Alloheim an
Alloheim Sythen
Die Heimaufsicht hat für das Alloheim in Sythen erneut einen Aufnahmestopp angeordnet. Grund sind wesentliche Mängel in verschiedenen Bereichen. Besonders im Fokus steht wieder die Pflegequalität.
Bis Anfang der Woche hatte der Heimfinder im Internet, eine Webseite, die bei der Suche nach einem Heimplatz hilft, noch 20 freie Dauerpflegeplätze in der Alloheim Senioren-Residenz in Sythen ausgewiesen. Seit Dienstag gibt es in der Einrichtung plötzlich keine freien Plätze mehr. Der Grund: Der Kreis hat interveniert. Denn im Alloheim wurden bei einer Prüfung der WTG-Behörde (Wohn- und Teilhabegesetz), besser bekannt als Heimaufsicht, erneut wesentliche Mängel festgestellt.
Behördlich angeordnet wurde daher ein Belegungsstopp im Alloheim in Sythen. Das Heim darf keine neuen Bewohner aufnehmen, trotz freier Plätze. Und das bereits seit März 2022. Am 15. März war die Seniorenresidenz geprüft worden. Das hat Lena Heimers, Sprecherin des Kreises Recklinghausen, auf Anfrage bestätigt.
Lange Liste an Mängeln
Die Heimaufsicht bescheinigt dem Senioren- und Pflegeheim „wesentliche Mängel“ in der Pflege und Betreuung der Bewohner. „Die Inaugenscheinnahme bei einem überprüften Nutzer ergab eine nicht am persönlichen Bedarf und den aktuellen pflegefachlichen Erkenntnissen ausgerichtete pflegerische Versorgung“, heißt es in dem Ergebnisbericht. Unter anderem seien „wesentliche Mängel im Bereich der Mundpflege und der Dekubitusprophylaxe“ festgestellt worden.
Grundsätzlich hoben die Prüfer wesentliche Mängel in den Bereichen Ernährungsmanagement, Wundmanagement, Schmerzmanagement und Medikamentenmanagement hervor.
Auch habe die Pflegedokumentation teils erhebliche Defizite aufgewiesen. Risiken seien nicht erfasst, Prophylaxen nicht oder nur teilweise geplant worden. „Die individuellen Risiken der Nutzer/-innen wurden pflegefachlich nicht oder nur unzureichend reflektiert.“
Keine Konsequenzen bei Auffälligkeiten
Gewichtsverlust bei alten Menschen kann ein Indiz für Mangelernährung oder Krankheiten sein. Wie die Heimaufsicht in ihrem Bericht feststellt, wurden „relevante Gewichtsabnahmen“ bislang nicht erfasst und auch keine entsprechenden Maßnahmen eingeleitet. Beim Vergleich der Gewichte aller Nutzer seien auffällige Gewichtsabnahmen in acht Fällen festgestellt worden. In nur drei Monaten hatten die Betreffenden zwischen 5 und 14 Kilo abgenommen. Pflegefachlich hatte das aber keine Konsequenzen, „es wurde kein Kontakt mit behandelnden Ärzten oder Angehörigen aufgenommen“. Auch auf auffällige Gewichtszunahmen sei nicht reagiert worden, schreiben die Prüfer.
Anordnung zur Mängelbeseitigung
Die Liste der Versäumnisse ist noch länger: Teilweise wurden keine Wundbehandlungen vorgenommen, teils fehlte Verbandmaterial, notwendige Medikamente waren nicht immer vorrätig, gestellte Medikamente entsprachen nicht der ärztlichen Verordnung oder zum Teil wurden bereits abgesetzte Medikamente vorgefunden.
Wesentlich beanstandet wurde auch die Organisation der ärztlichen Betreuung: „Eine ausreichende haus-, zahn- und fachärztliche Versorgung ist nicht immer gewährleistet. Zu allen wesentlichen Mängeln ergingen mündliche Anordnungen zur unverzüglichen Mängelbeseitigung“, betont der Kreis.
Mindestbesetzung angeordnet
Möglicherweise gelöst ist inzwischen das Problem der mangelhaften personellen Besetzung. Nachdem der Kreis in seinem Bericht festgestellt hatte, dass der konkrete Pflege- und Betreuungsbedarf der Bewohner nicht mit dem vorgehaltenen Personal gedeckt werden könne, ordnete er eine Mindestbesetzung von vier Pflegekräften (darunter mindestens eine Pflegefachkraft) im Frühdienst und von drei Pflegekräften (darunter eine Fachkraft) im Spätdienst an. Das Alloheim hält insgesamt 80 Pflegebetten in Einzelzimmern vor. Die Mindestbesetzung werde inzwischen durch den Einsatz von Leasingkräften sichergestellt, ließ das Alloheim die Prüfer kurz nach der Prüfung wissen.
Durch den Einsatz von Mitarbeitern einer Zeitarbeitsfirma werde demnach zudem auch die gesetzlich vereinbarte Fachkraftquote eingehalten. Zum Zeitpunkt der Prüfung waren fünf Zeitarbeitskräfte gebucht.
„Es ist nicht das erste Mal, dass im Alloheim in Sythen Mängel festgestellt wurden“, sagt Kreissprecherin Lena Heimers. Auch im Januar dieses Jahres waren bereits Hygienemängel kritisiert worden. Zuvor war im Jahr 2018 wegen Mängeln beim Pflegestandard bereits einmal ein Belegungsstopp verfügt worden.
Aufnahmestopp zunächst bis November
Nach der Prüfung am 15. März 2022 habe die Heimaufsicht dem Alloheim zunächst einen gewissen Zeitraum eingeräumt, um die Mängel zu beseitigen. „Danach haben wir die Einrichtung schon wieder mehrere Male besucht“, erklärt Heimers. Der Aufnahmestopp wurde aufrechterhalten. Bis zum kommenden Monat ist er gültig. Dann erfolgt eine nächste Prüfung.
Die Heimleitung oder auch die Zentrale der Alloheim Senioren-Residenzen SE mit Sitz in Düsseldorf hat sich seit März noch nicht öffentlich zu dem Bericht der Heimaufsicht geäußert. Auf Anfrage kündigte das private Pflegeunternehmen eine Stellungnahme nun für Freitag an. Das Alloheim steht immer wieder wegen mangelhafter Pflege in der Kritik, es bietet nach eigenen Angaben 23.800 Pflegeplätze in 245 stationären Pflegeeinrichtungen an.
Geboren in Dülmen, Journalistin, seit 1992 im Medienhaus Lensing - von Münster (Münstersche Zeitung) über Dortmund (Mantelredaktion Ruhr Nachrichten) nach Haltern am See. Diplom-Pädagogin und überzeugte Münsterländerin. Begeistert sich für die Menschen und das Geschehen vor Ort.
