Pastoralreferent Kleemann zur Kritik am CSD „Kirche wird ihrem eigenen Geist gerecht“

Kleemann zur Kritik am CSD: „Kirche wird ihrem eigenen Geist gerecht“
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Queerness in der katholischen Kirche - Firmlinge in St. Sixtus gaben den Impuls für die Ausrichtung des ersten CSD in Haltern. Pastoralreferent Georg Kleemann hat sich zu Entstehung, aber auch zur kontroversen Debatte und zu den Konsequenzen geäußert.

Die katholische Kirche hat eine maßgebliche Rolle bei der Organisation des CSD in Haltern gespielt. Wie kam das ins Rollen?

Das hat eine längere Vorgeschichte. Das hat begonnen damit, dass es 2021 im synodalen Prozess die Anfrage gab, ob denn jetzt endlich die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich sei. Und aus dem Vatikan kam dann halt die ablehnende Antwort. Das hat - mit gutem Grund, finde ich - eine Menge Entrüstung und Widerstand ausgelöst in den Gemeinden vor Ort, unter anderem hier bei uns in Haltern.

Wie hat sich dieser Widerstand geäußert?

Wir haben damals das Thema im Pfarreirat behandelt und wir führen bis heute die Aktion durch, dass wir vor unseren Kirchtürmen die Regenbogenfahnen hissen. Wir haben auch noch einmal deutlich gemacht, dass zu unseren Segensfeiern alle herzlich willkommen sind, gleich welcher sexuellen Identität. Und es hat einzelne Segnungen gegeben, Pfarrer Michael Ostholthoff hat zum Beispiel ein schwules Paar gesegnet.

Die katholische Kirche in Haltern setzt die Debatte offensichtlich auch fort...

Uns war klar, dass wir an dem Thema dranbleiben wollen. Es hat in unserer Kirche von offizieller Seite immer noch einen schweren Stand. Und es ist auch für viele Gemeindemitglieder zumindest ein Thema, das mit vielen Fragezeichen besetzt ist, mit Unwissenheit und auch Ängsten. Insofern war uns klar, wir wollen das Thema weiter behandeln.

Menschen tanzen auf dem Marktplatz, einige haben sich eine Regenbogenfahne umgelegt.
Rund 600 Menschen feierten den Christopher Street Day auf dem Marktplatz in Haltern. © Blanka Thieme-Dietel

Was war dann der eigentliche Auslöser für die Idee, einen CSD auszurichten?

Es gibt zwei Gründe. Der Caritasverband Ostvest hatte für kurze Zeit eine Stelle eingerichtet, um in Haltern ein queeres Netzwerk zu organisieren. Diese Stelle gibt es leider nicht mehr. Aber Tim Gimbel, der diese Stelle hatte, hat beim CSD maßgeblich mitgewirkt und dafür den Grundstein gelegt.

Der eigentliche Impuls war dann eine Aktion von Firmlingen, die sich in der Firmvorbereitung mit dem Thema auseinandergesetzt haben und dann im Firmgottesdienst vor dem Weihbischof Dieter Geerlings ein Statement abgaben zum Umgang mit Queerness in der katholischen Kirche und zum Recht darauf, seine eigene sexuelle Identität zu bestimmen.

Damit war der nötige Schwung da, sich zu fragen, wie dieses Thema in die Stadtgesellschaft gebracht werden kann. Der CSD war eine naheliegende Form. Und da haben wir uns gesagt: Trauen wir uns das mal in der relativ kleinen Stadt Haltern.

Der Vatikan spricht sich gegen die Segnung homosexueller Paare aus, beim CSD in Haltern hat es aber Segnungen für alle, auch für queere Paare gegeben. Sind hier Sanktionen zu befürchten?

Das muss man von Bistum zu Bistum sehen. Im Erzbistum Köln hat ja ein Pfarrer einen offiziellen Verweis für eine Segnungsfeier bekommen. Hier im Bistum Münster nehme ich das nicht wahr. Im Gegenteil: Im Umfeld des CSD habe ich auch das Bistum angeschrieben und große Unterstützung erfahren. Da haben wir hier ein gutes Klima.

Nichtsdestotrotz ist es natürlich eine Form von innerkirchlichem Protest und Widerstand gegen die offizielle Lehrmeinung. Wir sind gerade auf dem Weg in der Kirche, wo wir lernen müssen, damit umzugehen, dass die Basis anders denkt als die oberste Leitungsebene.

Welche Rolle spielt hier die Initiative „#OutInChurch-Für eine Kirche ohne Angst“?

#OutInChurch gebührt vollster Respekt für die Entscheidung, an die Öffentlichkeit zu gehen. Seit #OutInChurch hat sich eine ganz große Unterstützung artikuliert, die vorher vielleicht schon da war, aber keinen Ansatzpunkt hatte.

Ich glaube, dass die breite Mehrheit der Kirchenmitglieder gegenüber queerem Leben offen ist - mit all den Fragen, die da bleiben. Gerade junge Menschen sagen, da müssen wir aus alten Positionen raus und auf die Menschen zugehen. Und das hat mit #OutInChurch einen Ansatzpunkt bekommen. So schnell wie die Bischöfe daraufhin ihr Arbeitsrecht geändert haben - da sieht man schon, dass man die, die das Sagen haben, zum Umdenken bringen kann.

Sie haben sich etwas getraut mit dem CSD in Haltern, wie Sie sagen. Uns haben dazu auch kritische Leserbriefe erreicht. Die Debatte reißt nicht ab. „Die Kirche rennt dem bunten Zeitgeist hinterher“, schreibt eine Halternerin. Wie begegnen Sie dieser Aussage?

Als Dragqueen verkleidet, nahmen auch einige Besucher an dem CSD in Haltern teil.
Als Dragqueen verkleidet, nahmen auch ein paar Besucher an dem CSD in Haltern teil. © Anne Schiebener

Ich würde sagen: Im Gegenteil, sie rennt nicht irgendeinem Geist hinterher, sondern sie wird ihrem eigenen Geist gerecht. Jesus’ Grundhaltung war, die Menschen in den Blick zu nehmen, die sonst nicht in den Blick geraten, die sich verstecken müssen, die ausgegrenzt werden. Und diesen Menschen zu begegnen, auf sie zu hören, auch teilweise von ihnen zu lernen. Auch Jesus hat dazugelernt. Das Ziel ist letztlich eine Form von Zusammenleben, wo diese Ausgrenzung nicht mehr funktioniert. Wo jeder so sein darf, wie er ist.

Wenn man das als Grundhaltung versteht von Kirche-Sein, aus der wir immer handeln müssen, dann bedeutet ein CSD nicht „Wir rennen irgendeinem fremden Zeitgeist hinterher“, sondern „Wir werden unserem eigenen Geist wieder besser gerecht“. Wobei man sagen muss, wir als Kirche haben dafür den Anschub von außen gebraucht.

Wie nah sind Sie dem Geist der Kirche mit dem CSD gekommen?

Ich höre sehr viele Stimmen. Die einen finden es toll, dass wir den CSD veranstaltet haben. Es gibt natürlich auch Stimmen, die verstehen es nicht so richtig. Und für die wollen wir auch da sein. Wir wollen möglichst viel Unsicherheit ausräumen durch Informationen und wir wollen vor allem Begegnungen ermöglichen. Es ist immer leicht, über andere zu reden und über andere eine Angst zu artikulieren. Sobald man aber konkrete Menschen trifft, mit ihnen spricht und ihre Erfahrungen hört, ändert sich die Sache fundamental.

Wie geht es weiter mit dem CSD?

Das Aktionsbündnis CSD bleibt bestehen und arbeitet daran, sich auszuweiten. In diesem Jahr gibt es erst einmal den Gesprächsabend als Angebot für die Öffentlichkeit. Das grundlegende Ziel ist es, dass es schließlich die queere Community in Haltern ist, die den CSD hauptverantwortlich organisiert. Wir werden als Kirche aber immer gerne dabei sein und das unterstützen. Und wir wollen uns auch weiterhin für dieses Thema einsetzen. Unter diesen Vorzeichen wird es im kommenden Jahr auf jeden Fall einen zweiten CSD geben.

  • Das Aktionsbündnis CSD Haltern am See ist ein Zusammenschluss mehrerer Gruppen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den CSD in Haltern zu organisieren. Es wächst kontinuierlich und ist offen für alle, die sich den Zielen des Aktionsbündnisses anschließen möchten.
  • Am 27. September (Mittwoch) um 17 Uhr findet im Pfarrheim St. Marien (Gildenstr. 22) ein Auswertungstreffen des Aktionsbündnisses zum CSD statt. Alle, die bei der Vorbereitung und Durchführung des CSD 2024 mitmachen möchten, sind zu diesem Treffen eingeladen.
  • Noch in diesem Jahr wird der Aktionskreis im Nachgang zum CSD auch zu einem Gesprächsforum einladen. Alle, vor allem auch die Kritiker, sind dazu eingeladen. Der Termin steht noch nicht fest.
  • Die Gruppen des Aktionsbündnisses sind: Amnesty International Haltern am See, Asylkreis, Caritasverband Ostvest, Ev. Kirchengemeinde, Forsthaus Sythen, Forum Demokratie, Respekt und Vielfalt, Fraktion Grüne, Junge Liberale, Kath. Kirchengemeinde St. Sixtus, Neuapostolische Kirchengemeinde, #OutInChurch, Rockbüro, SPD, Stadtbücherei, VCSD Vestischer Christopher Street Day und Vitus e.V.

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