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Opfer der Corona-Krise: Lavesumer Tankstellenbetreiber ziehen Reißleine
Corona-Pandemie
Anneliese und Werner Gülker betreiben seit 32 Jahren die Tankstelle in Lavesum. Doch die Corona-Krise hat ihnen schwer zugesetzt. Das Betreiber-Ehepaar ist insolvent. Eine Lösung ist aber in Sicht.
In den Verkaufsregalen der Avia-Tankstelle in Lavesum - dort, wo sonst Dinge des täglichen Bedarfs wie Suppen, Kerzen, Süßigkeiten, Zeitungen und selbst Katzenfutter angeboten werden - klaffen derzeit Lücken. Anneliese (61) und Werner (65) Gülker führen den Betrieb an der Rekener Straße seit nunmehr 32 Jahren. Das Geschäft lief stets gut. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Und führte die Gülkers in die wirtschaftliche Krise. „Wir hatten keine Wahl“, sagt Anneliese Gülker. „Wir mussten die Reißleine ziehen und Insolvenz anmelden.“
Plötzlich blieben die Kunden aus
Die 61-Jährige wirkt bedrückt. Mit der Corona-Krise arbeiteten immer mehr Menschen von zu Hause, berichtet sie. Mehr Homeoffice, weniger Straßenverkehr, weniger Spritverbrauch. „Plötzlich haben viel weniger Menschen hier getankt“, erklärt Anneliese Gülker. Auch von dem Freizeitpark Ketteler Hof und den Reiterhöfen in der Nachbarschaft profitierte die Tankstelle. Doch der Ketteler Hof ist seit Langem geschlossen. Und die Reiterhöfe nehmen zurzeit keine Übernachtungsgäste auf. Die Besucher, die sonst auf der Durchreise mal eben bei den Gülkers tankten, blieben auf einmal aus.
„Die Menschen werden sparsamer“
Die Corona-Krise und die damit verbundene unsichere Zukunftsperspektive für jeden Einzelnen - „manche sind in Kurzarbeit oder ihre beruflichen Aussichten sind ungewiss“ - habe außerdem dazu geführt, dass die Menschen sparsamer geworden seien, meint Anneliese Gülker.

Die neuen und die alten Betreiber: Die Heimrich Klöcker GmbH & Co. KG wird ab Januar den Betrieb von Anneliese und Werner Gülker weiterführen. Im Bild sind außerdem Geschäftsführer Christian Ernst (l.) und Tankstellen-Abteilungsleiter Andre Slawski zu sehen. © Ingrid Wielens
In Deuten, dem Wohnort der Betreiber-Ehepaars, führt Werner Gülker zusätzlich einen Getränkehandel. Doch auch dort ließen die Einnahmen zu wünschen übrig. „Keine Schützenfeste, keine privaten Feiern mehr - der Getränkeabsatz ging deutlich zurück“, sagt Werner Gülker.
Eine Lösung zeichnete sich schnell ab
Nach dem ersten Lockdown habe man sich noch ein wenig erholen können. Das Geschäft sei zunächst wieder gut angelaufen. Aber jetzt, mit dem zweiten Lockdown, sehen die Gülkers kein Chance mehr für den Weiterbetrieb ihrer Tankstelle. „Wir haben mit allen Beteiligten Gespräche geführt“, sagt Anneliese Gülker. Und glücklicherweise habe sich sehr schnell eine Lösung abgezeichnet, mit der das Ehepaar, wie es sagt, „zufrieden“ ist.
Denn die Tankstelle soll den Lavesumern erhalten bleiben. Und mit ihr die Mitarbeiter. Die Gülkers werden dabei wie auch Tochter Carolin Winkelmann sowie die vier Minijobber vom neuen Eigentümer übernommen. „Ich bin froh, dass wir weiterhin eine berufliche Perspektive haben“, sagt Anneliese Gülker.
Klöcker GmbH übernimmt den Betrieb
Am 2. Januar übernimmt die Heinrich Klöcker GmbH & Co. KG aus Borken den Betrieb und setzt ihn als so genannte Regie-Tankstelle fort. „Es ist uns ein großes Anliegen, diesen Standort weiter zu betreiben“, betont Geschäftsführer Christian Ernst. An dem Standort habe sein Unternehmen nie gezweifelt - „es war der Lockdown, der alles komplett auf Null gedrückt hat“, sagt er. Auch an anderen Standorten, an denen Pendler derzeit wegfielen, litten die Avia-Tankstellen laut Ernst. „Andere wiederum machen derzeit deutlich mehr Umsatz mit den Tankstellen-Shops.“
Das Familienunternehmen Klöcker betreibt rund 60 Avia-Tankstellen im Münsterland und Ruhrgebiet sowie am Niederrhein. Die Avia-Tankstelle in Lavesum soll im Mai bei laufendem Betrieb komplett neu gestaltet werden. Ernst: „Die Innenräume werden saniert, ein Bistro und ein Backshop sind geplant.“ Auch das klassische Tankstellensortiment bleibe erhalten, verspricht er. An einer neuen Waschanlage wird bereits gearbeitet.
Dank an die Lavesumer Bürger
Anneliese und Werner Gülker sind dankbar. Für die Arbeit. Für den Fortbestand der Tankstelle. Aber auch für die Hilfe, die Unterstützung und die Teilnahme seitens der Lavesumer Bevölkerung. „Wir hatten die Tankstelle 1988 übernommen“, erinnert sich Anneliese Gülker. „Wir sind damals herzlich im Ort aufgenommen worden.“ Bis heute schätzen die Deutener das familiäre Verhältnis mit den Bürgern vor Ort. Man habe viel zusammen gefeiert, Schützenfeste und private Anlässe. Und die Kinder, die damals von ihren Müttern im Kinderwagen zur Tankstelle geschoben worden seien, würden heute mit ihren eigenen Autos vorfahren. Die Gülkers haben sie heranwachsen sehen. „Wir fühlen uns hier heimisch“, sagt die 61-Jährige.
Das soll auch so bleiben. Wenn Anneliese und Werner Gülker am 31. Dezember ihren Betrieb an der Rekener Straße aufgeben und der Betrieb unter neuer Regie weitergeführt wird, bleibt doch eines beim Alten: Die bekannten Gesichter stehen auch weiterhin an der Kasse.
Geboren in Dülmen, Journalistin, seit 1992 im Medienhaus Lensing - von Münster (Münstersche Zeitung) über Dortmund (Mantelredaktion Ruhr Nachrichten) nach Haltern am See. Diplom-Pädagogin und überzeugte Münsterländerin. Begeistert sich für die Menschen und das Geschehen vor Ort.
