Ehemaliger Bundestagspräsident in Haltern Norbert Lammert hält mitreißende Rede

Norbert Lammert begeisterte 300 Gäste mit Vortrag
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Bob Dylans „The Times They Are A-Changin“ klang es um 18.30 Uhr durch den Saal. Unter die Haut gehend interpretiert, gesungen und auf dem Klavier gespielt von Singer-Songwriterin Petra Halfmann.

„Was Bob Dylan vor 50 Jahren als bewussten Versuch einer Hymne des Wandels getextet hatte, ist auch nach wie vor aktuell“, eröffnete ZDF-Fernsehmoderator Tim Niedernolte die Veranstaltung in der Aula des Schulzentrums. Er begrüßte Prof. Dr. Norbert Lammert und die Mitglieder der Initiative, die sich nach der letzten Kundgebung am 9. November gegründet hatte.

Gut neun Sitzungen hatte es bedurft, die Abendveranstaltung vorzubereiten, erklärten die Vorsitzende des Vereins „BuntesWohnenHaltern“ Hiltrud von der Gathen, SPD-Ratsmitglied Arno Huesmann, Wolfram Heidenreich von den Guten Botschaftern, David Schütz von der Caritas und Pfarrer Michael Ostholthoff sowie Diakonin Lena Schäfer.

Haltern-Claim in neuer Form

Von der Idee zu einer Initiative gegen Rechts haben er und seine Mitstreiter sich schnell anstecken lassen, erklärte Michel Ostholthoff. „Wir wollen für eine Gesellschaft eintreten, die für einen respektvollen Umgang miteinander steht. Wir freuen uns außerdem, den Claim des Vereins ‚Haltern am See. Tut gut‘ in leicht abgewandelter Form mitnutzen zu dürfen.“

Deutliche Worte für das Engagement gegen Rechts fand auch Bürgermeister Andreas Stegemann. Er erinnerte in diesem Zusammenhang noch einmal an die erfolgreiche Demo in der Innenstadt am 27. Januar, an der über 4000 Menschen teilgenommen und ihre Haltung für Toleranz und Akzeptanz und eine bunte Gesellschaft bekundet hatten.

Demokratie braucht Demokraten

„Demokratie braucht Demokraten“, zitierte im Anschluss Prof. Dr. Norbert Lammert den Titel eines seiner Bücher. Im Laufe des Abends erklärte er in seiner beeindruckenden Rede, warum es jedoch in Zeiten einer wachsenden Politikverdrossenheit und eines erstarkenden Rechtsrucks in der Gesellschaft so wichtig ist, als Demokraten entschlossen für diese Staatsform einzutreten.

Er machte einen Exkurs in die Geschichte der Demokratie und die Errungenschaft freier Wahlen, der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Religions-, Presse- und Meinungsfreiheit.

Arno Huesmann und Norbert Lammert am Rednerpult.
Ratsmitglied Arno Huesmann freute sich, dass die Veranstalter Norbert Lammert für die Veranstaltung gewinnen konnten. © Antje Bücker

Er mahnte, es sei eine gefährliche Annahme, dass Gesellschaften, die einmal in einer Demokratie gelebt hätten, gegen alle anderen Staatsformen für immer gefeit wären. „Nur zwei Dutzend Länder auf der Welt, in denen weniger als acht Prozent der Weltbevölkerung leben, haben die Demokratie als Staatsform“, gab er zu bedenken. Auch in Europa, dem Kontinent des modernen, demokratischen Staates, genügten keineswegs alle Länder diesen Ansprüchen. Der Populismus träte derzeit einen erschreckenden Siegeszug an.

„Es zeigt sich, dass das Hauptrisiko politischer Systeme Bürgerkriege waren oder Militärputsche oder Angriffe dritter Staaten, die Territorien besetzt und annektiert haben. Das gibt es immer seltener und schon gar unter Demokratien immer seltener. Der typische Fall für das Kollabieren, das Ausbluten demokratischer Systeme ist die Durchführung von freien Wahlen, an denen auch die erste deutsche Demokratie gescheitert ist.“

Sie sei nachweislich nicht an einem Bürgerkrieg oder an einem Militärputsch gescheitert. „Und Deutschland ist 1933 auch nicht von fremden Mächten besetzt worden. Sie ist gescheitert an dem Wahlverhalten von Menschen, die aus welchen Motiven auch immer, in immer kürzeren Abständen, in immer stärkerem Maße Personen, Parteien, Gruppierungen und Programme unterstützt haben, die an ihrer Gegnerschaft zur Demokratie keinen Zweifel gelassen haben.“

Aufgelockert wurden die Redebeiträge mit weiteren tiefgründigen Gedichten und Liedern der Songwriterin und Poetry-Slammerin Petra Halfmann, die mit ihren Auftritten immer wieder viele Menschen – auch in Gefängnissen – zum Nachdenken bringt.

„Diese Veranstaltung ist gedacht als Auftakt zu einer Reihe weiterer Events“, erklärte Lena Schäfer, „unter dem Motto ‚Nie wieder ist jetzt‘ ist dies Teil einer Kampagne gegen Antisemitismus und Rechtsruck.“ Besonderer Dank galt neben dem Engagement vieler Mitwirkender auch den Sponsoren der Veranstaltung, der Sparkasse Westmünsterland, der Volksbank Südmünsterland-Mitte und der Bürgerstiftung Haltern.

Frau am Bücherstand.
Hiltrud von der Gathen verkaufte Bücher und CD‘s an interessierte Besucher. © Antje Bücker