Der Historiker und Philosoph Philipp Blom hat ein viel beachtetes Buch zu der Frage verfasst, was für den Menschen die Natur ist und was die Natur für den Menschen bedeutet. „Die Unterwerfung. Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur“, lautet der Titel des 2022 erschienenen Bestsellers. Am Mittwochabend war der in Wien lebende gebürtige Hamburger zur Diskussionsrunde ‚Nachhaltigkeit – Bewahrung der Schöpfung‘ im Festzelt auf dem Halterner Marktplatz zugeschaltet.
„Es ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt“, betonte Pfarrer Michael Ostholthoff als Moderator dieser Veranstaltung der Ökumenischen Glaubenswoche. „Die Überzeugung des Menschen, sich über die Natur erheben zu können“, sei ein Punkt, den wohl auch die Kirche zu lange und viel zu leise thematisiert habe. „Hätten wir nicht viel deutlicher Stellung beziehen müssen? Mussten erst viele äußere Gruppen darauf hinweisen, die Natur als zentrales Thema in den Blick zu nehmen?“, fragte Ostholthoff.
Unterwerfung der Natur
„Macht euch die Erde untertan“ heißt es in älteren Bibelübersetzungen über die Aufforderung Gottes in der Schöpfungsgeschichte an die Menschen. Blom rekonstruiert hieraus eine Universalgeschichte der Unterwerfung der Natur, der Legalisierung des Patriachats und der damit verbundenen Unterdrückung des weiblichen Geschlechts und anderer, „minderwertigerer“ Kulturen.
Der Satz „Macht euch die Erde untertan“ sei ausschließlich an Männer gerichtet. Er fordere zum Herrschen auf und rechtfertige Gewalt. Hierin sei die Idee geboren, dass der (weiße, männliche) Mensch eine Sonderstellung auf der Erde einnehme, der die Natur zur Ressource degradiere. „Sie war so stark, dass sie sich über den ganzen Planeten verbreitete. Wer sich ihr widersetzte, bekam es mit Kolonisatoren und Geschäftemachern zu tun, die sich auf angeblich höhere Werte beriefen“, so Philipp Blom.
„Viel Lärm auf der Welt“
Die Konsequenz dieses Handelns führe die Menschheit heute an den Rand des Abgrunds, erläuterte Blom. Mit seinen Aussagen gab er der christlichen Kirche zumindest eine Teilschuld, die Wirtschaft sei noch heute durchsetzt von theologischen Ideen.
„Wir sind nicht die Krone der Schöpfung. Wir sind ein unbedeutender Teil der Natur“, betonte Blom. „Wesentlich weniger wichtig für natürliche Zusammenhänge als Ameisen, Pilze oder Plankton.“ Der Mensch sei „eine recht neue Erfindung, die erst seit etwa 300 Jahren sehr viel Lärm macht auf der Welt“.
Insofern sei seine Stellung aus naturwissenschaftlicher Sicht eine ganz andere, als in der Selbstwahrnehmung. „Wir sind nur ein Organismus von vielen, der letztendlich lernen muss, wo sein Platz auf dem Planeten ist und – und damit sind wir bei einer ganz christlichen Tugend – eine neue Demut lernen muss“, betonte Blom.
Weihbischof Rolf Lohmann, der nicht nur Regionalbischof für den Kreis Recklinghausen ist, sondern in der Deutschen Bischofskonferenz für Umwelt- und Klimafragen zuständig ist, musste seine geplante Teilnahme an dem Gespräch mit Blom aus gesundheitlichen Gründen absagen. Für ihn sprang Weihbischof Stefan Zekorn ein.
„Es ist sehr wichtig, sich mit solchen Fragen auch aus geistlicher Sicht auseinanderzusetzen“, kommentierte er Bloms Interpretation. Er stimmte dem Autor in dessen Aussage zu, dass Menschen nicht außerhalb der Natur stünden. Den Begriff Umweltschutz lasse sich auch als Bewahrung der Schöpfung definieren. Bloms Herleitungen könnten aber aus wissenschaftlicher Sicht nicht bewiesen werden.
Wohnsitz im Garten Eden
Die Erde sei eine Schöpfung Gottes, die er den Menschen anvertraut habe, mit der Verpflichtung, sorgsam und verantwortungsvoll damit umzugehen. „Es ist schwierig, von einem einzelnen Wort auszugehen“, sagte Zehkorn. Im Buch Genesis heiße es ebenfalls: „Gott gab dem Menschen einen Wohnsitz im Garten Eden, damit er diesen Garten bearbeite und hüte.“ Dem Schutz der Natur und damit Gottes Werken komme in der Bibel eine hohe Bedeutung zu.