Ein Essener Ehepaar (82 und 85 Jahre alt) wunderte sich über eine verlockende Einladung aus Haltern. Die Firma „Städtereisen Haltern“ versprach den Senioren für 10 Euro einen „perfekten Urlaubstag“ am Stausee inklusive Möwe-Fahrt. Der Haken: Die Firmenadresse ist ein Parkplatz an der Autobahn und eine Terminvereinbarung mit den Stadtwerken für eine Fahrt mit dem Elektroschiff hat es nie gegeben. Ein Fall für Hermann Kipnowski.
Der Aachener, ein pensionierter Polizeibeamter, hat es sich zum Hobby gemacht, sogenannte Kaffeefahrten zu sprengen und leichtgläubige Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor großen Schäden zu bewahren. „Ich tue das seit 20 Jahren und kenne 70 Prozent der Organisatoren von Kaffeefahrten“, erzählt der 88-Jährige am Telefon.
Hermann Kipnowski begann sich für Kaffeefahrten zu interessieren, als seine frühere Lebensgefährtin nach einem Tagesausflug eine wertlose Magnetbettauflage nach Hause brachte, für die sie viel Geld bezahlt hatte. Vielen krummen Geschäften sei er seither erfolgreich auf die Spur gekommen. Dabei ist er auch im Kreis Recklinghausen unterwegs, denn seine jetzige Lebensgefährtin stammt aus Marl.
In dem Artikel „Dubiose Einladung zu einem perfekten Tag auf der Möwe macht Ehepaar stutzig“ in unserer Zeitung entdeckte er einen neuen Fall, dem er nun - mit großer Entschlossenheit wie immer - nachgehen will. In Karlsruhe und in Ratzeburg hat es innerhalb der letzten drei Wochen ähnliche Einladungen gegeben. Die Handy-Nummer, unter der sich Interessierte wegen „der Kürze der Zeit“ anmelden sollen, ist überall identisch. Sie verbindet den Anrufer mit einem Büro in der Schweiz. „Die Orte wechseln wöchentlich, in sechs bis acht Wochen versucht man üblicherweise, die Adressaten erneut zu ködern“, sagt Hermann Kipnowski.
„Ein solches Angebot wie jetzt in Haltern für nur zehn Euro, das wird nicht ohne Hintergedanken gemacht“, vermutet Hermann Kipnowski. Aus seinen gesammelten Erfahrungen berichtet er, wie so ein Tag in der Regel abläuft.
Kein Weg ist zu weit
Die angemeldeten Teilnehmer werden mit Kleinbussen abgeholt, dann aber nicht zum versprochenen Ziel gebracht. Unter irgendwelchen Vorwänden fährt der Bus zu einer Gaststätte in der Nähe („meistens Lokale, die um ihre Existenz kämpfen“) und bringt sie direkt zu einer Verkaufsveranstaltung.
Hermann Kipnowski ist vielen solcher Touren gefolgt. 604.000 Kilometer hat er mit seinem alten Mercedes inzwischen zurückgelegt, er fährt auch in die Schweiz und nach Österreich. „Das alles mache ich ehrenamtlich. Ich will kein Geld mit meinem Kampf gegen die Abzocke von Senioren verdienen“, betont er.

Als der pensionierte Oberkommissar mit der Jagd auf Organisatoren von Kaffeefahrten anfing, fuhr er zunächst als Teilnehmer selbst in den Bussen mit. Am Veranstaltungsort wartete er, bis die ersten Waren für viel Geld verkauft waren, dann rief er Polizei und Gewerbeaufsicht an.
„Inzwischen bin ich aber an vielen Orten verbrannt“, sagt er. Die Busfahrer kennen ihn und nehmen ihn nicht mehr mit, bei einigen Gastwirten hat er Hausverbot, Veranstalter drohten ihm Prügel an. „Kommissar Kaffeefahrt“ hat ihn die Bild-Zeitung einst genannt. „Ich bin für die Veranstalter der gefährlichste Gegner“, sagt Hermann Kipnowski. Angst habe er keine.
Zweifel an Seriösität
Die Einladung zum Ausflug nach Haltern werde er sich nun ganz genau anschauen. Dass weder Firmentitel noch Verantwortliche des Unternehmens mit Namen abgedruckt sind, macht ihn skeptisch. Er vermutet „eine krumme Sache“ und ist sicher, mit detektivischer Beharrlichkeit Hintergründe zu diesem Tagesauflug aufdecken zu können.
Insgesamt spricht er von mafiösen Strukturen bei Anbietern solcher Kaffeefahrten. Drei große Fälle konnten gerade mit Hilfe von Hermann Kipnowski aufgeklärt werden. „Aber leider ist es so: Die Typen gehen aus einer Tür raus und in der nächsten wieder herein.“ Seriöse Kaffeefahrten, sagt er, gibt es praktisch nicht. In der Schweiz sind sie verboten.