Was sich in der Nacht vom 14. zum 15. Juli 2021 ereignete, überstieg alles Vorstellbare: Mit einem Pegelstand von nahezu 10 Metern Höhe wurde die Ahr zu einem alles vernichtenden Strom, der die gesamte zivilisatorische Infrastruktur, Straßen, Brücken, Schienennetz, Kanalisation, Strom- und Wasserversorgung im Ahrtal zerstörte und 134 Menschenleben kostete. In der Katastrophennacht verloren viele Menschen ihr Haus und ihren Besitz.
So hat Chronist Sebastian Wolfgang Schmitz die Flutnacht in Mayschoß beschrieben. Mayschoß ist ein Dorf mit etwas mehr als 800 Einwohnern im unteren Ahrtal. Die Menschen dort kämpfen bis heute mit den Folgen der Flutnacht vor mittlerweile eineinhalb Jahren.

Stefan und Mechthild Hawig waren zuletzt im November im Ahrtal. Seit kurz nach der Flut sind die beiden Landwirte aus Haltern regelmäßig dort hingefahren, haben angepackt, Spenden gebracht, Kerzen verteilt.

Veränderungen sichtbar
Langsam wird Fortschritt im Ahrtal sichtbar. „Teilweise gibt es große Veränderungen“, sagt Mechthild Hawig. „Teilweise habe ich mich erschrocken.“ Der größte Unterschied: Straßen sind wieder vorhanden. Einige Geschäfte in den größeren Städten im Ahrtal haben wieder geöffnet, aber vieles befindet sich noch im Rohzustand.
Die Stimmung vor Ort sei anders. „Die Menschen dort, die sind einfach nur fertig“, sagt die Halternerin. „Die sind genervt, weil es nur stockend vorangeht.“ Das größte Problem ist häufig die Versicherung. Ein Jahr nach der Flutkatastrophe titelte die Zeit: „Jeder vierte Versicherungsfall ist noch offen.“ Es fehlt an Material und an Handwerkern. Viele Menschen warten noch immer auf ihr Geld.

„Man sieht genau, wer versichert ist und wer nicht“, sagt Mechthild Hawig als sie ihren letzten Besuch in Kreuzberg im Ahrtal beschreibt. Aber es ist bei Weitem nicht nur das Materielle. „Dann ist da noch das Erlebte.“
Emotionale Erlebnisse
Mechthild Hawig erzählt von einem „starken Mann“, den sie kennengelernt hat. Erst im Laufe des Gesprächs erzählte er, dass er in der Flutnacht seine Frau verloren hat. Beide saßen im Wohnzimmer, als das Wasser immer höher stieg. Sie konnten ihre Türen nicht mehr öffnen.

Seine Frau ist ertrunken, der Mann weiß selber nicht, wie er es überleben konnte. „Fünf Monate hat er auf eine Beerdigung für seine Frau gewartet“, erzählt Mechthild Hawig. Auch der Friedhof im Dorf wurde nicht vom Wasser verschont. Aber er wollte seine Frau in der Heimat beerdigen. „Ich habe hier viele Kämpfer kennengelernt.“
„Einfach mal hinfahren“
Stefan und Mechthild Hawig haben ein offenes Ohr für die Menschen im Ahrtal. „Einfach mal hinfahren, in ein Hotel einmieten und zuhören“, sagt sie. „Die Menschen wissen das zu schätzen. Sie wollen einfach erzählen. Es wird noch Jahre dauern, bis sie das Erlebte aufgearbeitet haben.“
Neben der persönlichen Wertschätzung wird noch etwas anderes vor Ort nach wie vor benötigt: Geld. Bei der Treckerfahrt „Ein Funke Hoffnung“ haben die Landwirte in Haltern zum Spenden aufgerufen. Mit QR-Codes an den Treckern sind die Zuschauer der Lichterfahrt direkt auf dem Spendenkonto gelandet. In diesem Winter wurde für die Menschen im Ahrtal gesammelt. Das Konto bleibt auch jetzt offen.
Spenden können an das Spendenkonto bei der Volksbank Südmünsterland-West überwiesen werden. IBAN: DE67 4016 4528 0403 3926 00