Martinsreiterinnen bedauern Abschaffung des Pferdes „Das ist alles Übungssache“

Martinsreiterinnen bedauern Abschaffung des Pferdes auf Umzügen
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Die Diskussion um die Abschaffung des Pferdes auf St.-Martins-Umzügen in Haltern am See nimmt nicht ab. Seitdem der Kindergarten St. Josef in Sythen aus Tierschutzgründen entschied, kein Pferd auf dem Martinsumzug am 7. November einzusetzen, entfachte eine Debatte, die nicht nur Eltern und Erziehungsberechtigte spaltete.

Befürworter der Entscheidung verweisen auf Sicherheitsaspekte und den Stress, den die Umzüge durch den Lärm und die Menschenmassen beim Pferd verursachen. 2022 war beim Karnevalsumzug in Düsseldorf ein Pferd tot zusammengebrochen.

Das Wohl des Tieres liegt auch Anja Depel aus Lippramsdorf und Nina Albers aus Sythen am Herzen. Die beiden sind leidenschaftliche Reiterinnen und seit Jahren mit ihren Pferden auch auf Martinszügen im Einsatz. Sie sagen ganz klar: „Man kann das alles trainieren!“

Die Reiterinnen sind gegen die Abschaffung des Pferdes auf den St.-Martins-Umzügen. Ihre Pferde bereiten sie auch im privaten Bereich immer auf mögliche Stresssituationen vor. „Das Pferd sollte möglichst gut ausgebildet sein. Ich will, dass mein Pferd in jeder Situation entspannt bleibt, allein schon aus Schutz für andere und mich und das Pferd selbst“, sagt Anja Depel.

Frau sitzt als St. Martin verkleidet auf einem Pferd.
Anja Depel auf ihrer Stute Püppi beim Martinsumzug in Sythen im vergangenen Jahr. © Anja Depel

Pferd auf Stress trainieren

Mit ihrer elfjährigen Stute Püppi und dem siebenjährigen Wallach Kalou bereitet sie sich jedes Jahr beim Blasorchester in Sythen auf die Umzüge vor. Das Pferd soll so lernen, auf die Musik richtig zu reagieren. Geräuschempfindlichkeit, Lichtverhältnisse und Gegenstände, die an die Beine des Pferdes kommen sowie viele Menschen auf einem Haufen: Das alles spielt eine Rolle in der Ausbildung. „Es ist eine Desensibilisierung in allen Bereichen“, erklärt Nina Albers.

Die Lehrerin aus Sythen ist schon seit zehn Jahren als Reiterin auf mehreren St.- Martins-Umzügen dabei. Das erste Mal ritt sie vor 19 Jahren als Vertretung das Martinspferd in Hullern. „Es gab noch nie eine annähernd gefährliche Situation. Feuerschalen, Fackeln, Blasmusik, Blaulicht – alles kein Problem“, betont die 39-Jährige.

In diesem Jahr sind Anja Depel und Nina Albers allerdings zum vorerst letzten Mal an St. Martin in Haltern im Einsatz. Denn: Die katholische Kirchengemeinde St. Sixtus hat einheitlich für alle Kindergärten des Verbundes St. Sixtus die Abschaffung des Pferdes beschlossen. Betroffen sind davon die Umzüge von insgesamt zehn Kindergärten.

Obwohl die Kirchengemeinde eindringlich die Kindergärten bat, sofort auf das Pferd zu verzichten, gibt es in diesem Jahr noch eine Übergangslösung. Anja Depel und Nina Albers dürfen also noch einmal auf ihren Pferden auf den Zügen reiten.

„Strahlende Kinderaugen“

Über das bevorstehende Ende des Martinspferdes sind die beiden Reiterinnen sehr traurig. „Es ist meine Kindheitserinnerung. Ich habe mich damals schon immer auf das Pferd gefreut. Es ist sehr schade, dass man den Kindern das jetzt wegnimmt“, sagt Anja Depel.

Die 29-jährige Chemikantin reitet auf den Martinszügen des St.-Sixtus-Kindergartens in Sythen am 12. November und des St.-Andreas-Kindergartens in Hullern am 10. November. Nina Albers ist für den Kindergarten St. Marien (6. November) in Holtwick (8. November) sowie den Umzug der DRK Juniorkita in Sythen (9. November) im Einsatz.

Auch Nina Albers ist vor allem wegen der Kinder enttäuscht vom Ende des Pferdes bei Martinsumzügen. „Es war immer so schön, die strahlenden Kinderaugen zu sehen, wenn man mit dem Pferd um die Ecke kam. Das ist sehr bedeutend für mich“, sagt sie.

Grundsätzlich können die beiden Reiterinnen die Argumentation gegen das Pferd verstehen. Es sei richtig, die Situationen mit Pferden auf öffentlichen Veranstaltung zu hinterfragen. Entscheidend sei aber, dass Pferd und Reiter oder Reiterin ein eingespieltes Team sind.

Frau sitzt als St. Martin verkleidet auf einem Pferd und reitet vor einem Laternenumzug.
Anja Depel reitet in diesem Jahr zum vorerst letzten Mal auf Martinsumzügen in Haltern. © Anja Depel

Vielmehr müsse der Fokus eher auf andere Veranstaltungen gelegt werden. Auf Schützenfesten oder Karnevalsumzügen sei das Pferd einem viel größeren Stress ausgesetzt, da es dort mitten im Pulk unterwegs sei. „Auf dem Martinszug läuft es vorne weg und kann jederzeit flüchten“, sagt Anja Depel.

Nicht jedes Pferd ist geeignet

Das Argument, die Belastung für die Pferde sei durch größer gewordene Umzüge gestiegen, teilen die beiden Reiterinnen nicht. „Das ist Quatsch! Früher gab es in Sythen nur einen großen Umzug, wo das ganze Dorf mitgelaufen ist“, sagt Nina Albers.

Für Anja Depel und Nina Albers geht mit der Abschaffung des Pferdes eine schöne Tradition verloren. „St. Martin sitzt nun mal auf dem Pferd. Man kann das nachstellen, aber es ist nicht dasselbe“, so Anja Depel.

Eines betonen die Reiterinnen ganz deutlich: „Es ist nur ein Bruchteil der Pferde für so etwas geeignet. Es kommt auf den Charakter des Tieres und die Verbindung zum Reiter an. Das ist alles Übungssache.“

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