
© Kevin Kindel
Martin Schulz warnt vor „Reichtumsarroganz“ und macht in Haltern Werbung für Europa
Europawahl
Zwei Monate vor der Europawahl war der Ex-EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Haltern am See zu Gast. Er warb für die europäische Idee und für mehr Solidarität in der Gesellschaft.
Man kann für oder gegen die Zeitumstellung sein, für oder gegen Uploadfilter“, sagt Martin Schulz: Man könne aber einfach nicht gegen dieses „epochale Werk“ der Europäischen Union sein. Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat, der zuvor Präsident des EU-Parlaments war, hat am Donnerstag vor rund 80 Gästen im Alten Rathaus am Halterner Marktplatz für mehr EU-Begeisterung geworben.
„Natürlich produziert China Metall billiger als Deutschland“, sagte der 63-Jährige: „Aber da gibt‘s auch keine IG Metall, kein Streikrecht und keinen Mindestlohn.“ Die Menschen, die gegen die Europäische Union wettern, sollten sich bewusst machen, welche Vorteile der Staatenbund ihnen bietet. Auch Halterns Bürgermeister Bodo Klimpel sagte bei der Begrüßung: „Ich glaube, dass wir als Deutschland in China keine Rolle spielen. Aber als Europa ganz bestimmt.“ Außerdem habe es weltweit noch nie eine Initiative gegeben, die so erfolgreich für den Frieden arbeite wie die EU.

Rund 80 Gäste sind zu der Diskussionsveranstaltung gekommen. © Kevin Kindel
Martin Schulz saß von 1994 bis 2017 im Europäischen Parlament und er sagte: „Es geht in der Europapolitik um die großen Fragen. Man kann Europa nicht kleinteilig diskutieren.“ Er sprach von den Nachkriegsjahren, als Deutschland trotz aller Verbrechen in den Staatenbund aufgenommen wurde. Die Europäische Union sei ein echtes Schutzinstrument für die Mitgliedsstaaten: „Ein wahrer deutscher Patriot ist für Europa“, so Schulz: „Weil der europäische Schutzschild gut für Deutschland ist.“ Stattdessen würden sich aber viele Nationalisten hinter dem vorgehaltenen Patriotismus verstecken.
Das Forum für Demokratie, Respekt und Vielfalt hatte die Veranstaltung organisiert - und bei der Diskussionsrunde meldeten sich ausschließlich Menschen zu Wort, deren Ansichten sehr nah an denen des Politikers liegen. Sie forderten eine verstärkte Seenotrettung im Mittelmeer und eine Abschaffung der sogenannten Ankerzentren für Flüchtlinge, die Schulz im aktuellen Koalitionsvertrag mitgetragen hat. „Wir dürfen nicht noch einmal Menschen in Lagern konzentrieren“, sagte einer der Zuhörer.
„Donald Trump ist die Würde des Menschen scheißegal“
Martin Schulz stimmte ihnen in den wesentlichen Punkten zu und sprach viel über die Würde des Menschen, die sowohl im deutschen Grundgesetz als auch in der europäischen Charta der Grundrechte an erster Stelle steht. „Donald Trump ist die Würde des Menschen scheißegal“, sagte Schulz: „Auch Erdogan oder Putin haben von unseren Grundrechten keine hohe Meinung.“ Demokratie, Toleranz und Respekt kämen nicht aus der Steckdose, und um es mit dem Schriftsteller Edmund Burke zu sagen: „Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.“
Die pro-europäischen Bürger seien in der Mehrzahl und die müsse man mobilisieren. Zeitlich hinkt der Vergleich deutlich, aber Martin Schulz sagte: „Für unsere Kinder wird Hitler so weit weg sein wie Napoleon für uns.“ Überall wo es möglich sei, müsse man zeigen, dass man weltoffen sei.

Bürgermeister Bodo Klimpel und SPD-Mann Martin Schulz sprachen mit den Zuhörern über Europa. © Kevin Kindel
Martin Schulz erzählte von Reisen nach Lampedusa und Lesbos, der griechischen Insel, von der aus Schulz selbst bei einem Termin mit dem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras gesehen habe, wie Menschen von einem völlig überfüllten Boot ins Meer fielen und um ihr Leben gekämpft haben. „Das ist etwas ganz anderes als wenn man es im Fernsehen sieht.“
Es sei eine völlig normale menschliche Haltung, dass viele Leute dorthin wollen, wo ihnen ein besseres Leben bevorsteht. Eine „Reichtumsarroganz“ der Abschottung sei mit Blick auf die Menschenwürde nicht zu akzeptieren. Der Schlüssel zur Integration von Flüchtlingen liege in Sprache, Arbeit und Freundschaft. Deshalb sei er aktuell im Bundestag damit beschäftigt, Geflüchteten den Zugang zur Arbeit schneller zu ermöglichen.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
