Die Sonne scheint, absolute Stille liegt über dem Stausee, das Wasser ist glatt wie ein Spiegel. Ein Heißluftballon erhebt sich über den Baumkronen am Seebad und schwebt scheinbar federleicht heran. So viel Idylle an einem der schönsten Fleckchen Halterns. Vor dieser Kulisse berührte sich Geschichte.
„Rudert an, all und überall!“, ruft der Kapitän der Römerschiff-Replik „Victoria“, während das Elektro-Fahrgastschiff Möwe seicht vorbeizieht. Sarah Koska aus Münster staunt, wie schnell, aber auch anstrengend es ist, für eine halbe Stunde Teil der römischen Rudermannschaft zu sein - während die Möwe-Fahrgäste entspannt dem E-Motor die Arbeit überlassen.

Zwei Tage lang hatten Halterner und Besucher der Stadt die Möglichkeit, auf der Victoria, einer 2007 gebauten Nachbildung eines römischen Kriegsschiffes, über den See zu rudern. Samstag folgten etwa 60 Gäste der Einladung des LWL-Römermuseums und legten sich in die Riemen, leider immer wieder überrascht von Regenschauern.
Am Sonntag - bei Sonnenschein - waren es deutlich mehr. Manch einer, der eigentlich nur um den See laufen wollte, stieg spontan ins Boot für das besondere Erlebnis.
Zu groß für den See
Die Halterner Legionärsgruppe „Römer für Aliso“, in dessen Obhut sich das Schiff befindet, kümmerte sich um die wechselnde Besatzung. „20 Ruderer treiben die Victoria an“, erzählt Lucius Julius Gallus (Nils Hahn). Er steht barfuß am Steg und trägt auch im Boot keine Sandalen: So habe er einen festeren Halt auf den feuchten Planken.
Je fünf Mal rudern die Legionäre mit Gästen auf den See hinaus. Häufiger als einmal im Jahr sei eine solche Veranstaltung nicht möglich, sagt Nils Hahn. Viel Bürokratie sei zu bewältigen: „Die Seeordnung sieht nicht vor, dass ein Boot dieser Größe auf dem Stausee unterwegs ist.“ Die Möwe als Ausflugsschiff ist die Ausnahme.

Schön im Gleichtakt tauchen die Ruder mit moderater Schlagzahl ins Wasser ein. Es geht nicht um die Geschwindigkeit, sondern vielmehr darum, ein Gefühl für römische Gegebenheiten vor über 2000 Jahren zu bekommen. Als der LWL 2000 Jahre Varusschlacht in Erinnerung rief, wurde das Boot in Auftrag gegeben: Zwei Bootsbauer, 17 Studenten für Alte Geschichte der Uni Hamburg und drei Bootsbaulehrlinge realisierten 2007 das besondere Projekt.
Das vier Tonnen schwere und 16 Meter lange, sehr wendige und 6 Knoten (11 km/h) schnelle Holzschiff ist der Nachbau eines früheren Patrouillen- und Kriegsschiffes der Römer, mit denen diese die Lippe hochfuhren. Seit 2009 ist es fahrtüchtig, hat viele Städte wie Berlin und Düsseldorf gesehen und liegt seit 2010 im Heimathafen Haltern am See vor Anker.

Auch an Land gab es am Wochenende Unterhaltung. Museumspädagogen und Archäologen boten am Ufer gegenüber vom Seehof ein Begleitprogramm mit Quiz und Bastelaktionen an. „Es ist schön zu beobachten, wie viel Freude alle an unserer Aktion haben“, sagt Sabine Holländer. „Es ist ja auch wichtig, zu wissen, warum die Römer mit Haltern verbunden sind. Ohne die Lippe hätte es das Lager hier und auch die Boote nicht gegeben.“

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