
Der alte Backofen ist ein schönes Relikt aus der Vergangenheit. Die Stadt will die Backstube nun abreißen, sie ist einsturzgefährdet. © Schrief
Lost Place mitten in Halterner Innenstadt: Bald steht der Abriss an
Stadteigentum
Mitten in der Stadt gibt es einen Ort, der seit Jahren dem Vergessen und Verfall preisgegeben ist. Die Glut im wunderschönen Backofen ist schon lange verglüht. Nun steht der Abriss bevor.
Wer heute die Begegnungsstätte des Vereins Vitus an der Lippstraße betritt, ahnt nichts mehr von der Geschäftigkeit früherer Jahre. Und schon gar nicht, was sich im Hinterhof verbirgt. Seit April 2005 ist die Stadt Eigentümerin des Hauses. Es gehörte einst Familie Osemann, die mit ihrer Bäckerei und ihrem Lebensmittelgeschäft einen guten Ruf über die Grenzen Halterns hinaus genoss.

Die frühere Backstube im Hinterhof von Vitus ist verschlossen, das Betreten ist verboten. © Schrief
1860 gründete Hermann Osemann die Bäckerei an der Lippstraße, sein Sohn Heinrich führte sie mit seiner Ehefrau Elfriede in die nächste Generation. Von der über 100-jährigen Firmengeschichte „berichtet“ heute nur noch die alte Backstube, die die Stadt über Jahre sich selbst überließ. Jetzt ist sie so baufällig, dass sie abgerissen wird.

Über die Jahre ist alles, was aus der Bachstube und dem Mehllager zurückblieb, verfallen. © Schrief
Ofen sollte ursprünglich verschenkt werden
Schmuckstück zwischen verrotteten Einrichtungsgegenständen ist der alte Backofen. Familie Osemann wollte ihn nach der Geschäftsaufgabe verschenken, doch der Ausbau war zu aufwendig. Einst zog Bäckermeister Osemann hier leckere Brötchen, Kuchen und das hausgemachte Schwarzbrot aus dem Ofen.

Das Osemann-Haus wurde nach der Zerstörung neu aufgebaut, die Fassade erinnert nur vage an das Gründerhaus. Hier betrieb Familie Osemann eine Bäckerei und ein Lebensmittelgeschäft. © Schrief
Wenn die Wallfahrer in die Stadt kamen, dann bekamen sie in der Osemann-Küche Kaffee und Kuchen. Die Camper der damaligen Wochenendsiedlung an der Blumenstraße kauften ausschließlich hier ein, erzählt Peggy Kühl, geborene Osemann. 1972 gab Heinrich Osemann die eigene Bäckerei auf, der Lebensmittelladen war noch zehn Jahre länger geöffnet. Familie Osemann bezog die Backwaren fortan von Bäcker Wehren. Ab 9.30 Uhr standen morgens Kinder Schlange. Denn hier gab es noch Bonbons in Gläsern, die einzeln abgezählt und für einen Pfennig verkauft wurden.

Die Bäckerei Osemann an der Lippstraße vor dem Krieg. © Archiv U. Backmann
Als die Stadt das Haus übernahm, vermietete sie das Ladenlokal, die Backstube aber blieb unbeachtet und verfiel. In diesem Jahr soll sie komplett abgerissen werden. Ein Entsorgungskonzept und eine artenschutzrechtliche Prüfung liegen bereits vor, sagt Stadtsprecher Thomas Gerlach auf Nachfrage.

So sah die Fassade nach dem Wiederaufbau des Hauses aus. © Privat
Starttermin für den Abriss wird noch festgelegt
Nach der Stellungnahme der Abteilung für Naturschutzrecht (Untere Naturschutzbehörde) beim Kreis Recklinghausen darf der Abriss nicht vor Oktober beginnen. Er ist beschränkt auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis 28. Februar 2023. Gegenwärtig wird das Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der Abrissarbeiten vom Gutachter erarbeitet, so Gerlach. Im Laufe der Ausschreibung wird der genaue Starttermin für den Abriss festgelegt.

Festlich geschmückt war die Bäckerei Osemann zum 100jährigen Jubiläum im Jahre 1960. © Privat
„Nicht zuletzt kommt es dann aber auch auf die freien Kapazitäten der Wettbewerber an und inwiefern sie sich auf die etwas diffizilen Entsorgungswege vom Grundstück aus der Innenstadt hinaus einlassen“, erläutert Thomas Gerlach, warum der Abriss nicht so einfach ist. Was danach mit dem Grundstück passiert, ist noch ungeklärt. Für einen eventuellen Neubau jedenfalls gibt es keine konkreten Pläne.

Mit diesem Wagen lieferte Bäckermeister Hermann Osemann seine Waren aus. © Privat
Ob beim Abriss noch ein Relikt aus der alten Zeit gerettet wird, ist ebenfalls offen. Schon jetzt dort etwas isoliert zu bergen, sei auf jeden Fall zu gefährlich. Die Stadt wird den Abriss dokumentieren.
Haltern am See ist für mich Heimat. Hier lebe ich gern und hier arbeite ich gern: Als Redakteurin interessieren mich die Menschen mit ihren spannenden Lebensgeschichten sowie ebenso das gesellschaftliche und politische Geschehen, das nicht nur um Haltern kreist, sondern vielfach auch weltwärts gerichtet ist.
