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Löscheimer, TuS und Kriegsheimkehrer: Halterns besondere Feuerwehr
Seit 139 Jahren
Was ist der Unterschied zwischen der Berufs- und der Freiwilligen Feuerwehr? Und wie haben sich beide über die Jahrhunderte entwickelt? Unsere Redaktion ist in Haltern auf Spurensuche gegangen.
Tagelang wütete der Feuersturm in der Stadt, bis am Ende über die Hälfte aller Gebäude nur noch als glimmende, verkohlte Trümmer in den Himmel ragten. Der Legende nach war es Kaiser Nero höchstpersönlich, der den Großen Brand Roms verschuldete.
Schon vor zweitausend Jahren lebten Millionen von Menschen in den antiken Städten des Römischen Reichs. Enge Gassen und dicht aneinander gebaute Holzhäuser machten große Feuersbrünste so gut wie unaufhaltsam. Bis ein Römer die erste Berufsfeuerwehr gründete.
Vorgänger vom TuS Haltern die erste Turnerfeuerwehr in der Seestadt
Im Laufe der Geschichte vergaßen die Menschen jedoch – wie so vieles andere Fortschrittliche aus dieser Zeit – ihre funktionierende Katastrophen-Abwehr. Erst in der Neuzeit fingen einige Bürger wieder an, sich zusammenzuschließen.
„Anfangs wurden im Dorf einfach Löscheimer hingestellt, wo dann alle zusammenkamen, wenn es brannte“, erklärt der Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr in Haltern, Georg Rohlf (58), die Situation zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Georg Rohlf vor der Feuerwache Haltern an der Holtwicker Straße. © Bludau
Mit der Gründung von Vereinen wie dem TuS Haltern und dem ATV Haltern wurde die Bürgerwehr im Kampf gegen Katastrophen organisierter: Als Turner Feuerwehr Haltern e.V. gründete sich am 22. Oktober 1882 der Ursprungsverein von TuS und ATV. Die Turnerfeuerwehren waren im 19. Jahrhundert so etwas wie die Vorläufer der heutigen Freiwilligen Feuerwehr.
„Manchmal war es der Schmied, manchmal der Schornsteinfeger, der sich das Kommando ausguckte“, erklärt Georg Rohlf. Irgendwann wurde der Obrigkeit die alleinige Zuständigkeit von Feuerwehr-Vereinen zum Schutz der Bevölkerung aber zu unsicher. Die Regierung wollte die Kontrolle, übernahm aber auch die Kosten.
Also beauftragten sie die Bürgermeister der Städte und Gemeinden damit, eine Feuerwehr zu organisieren, falls nötig auch als Pflichtfeuerwehr. Die meisten Mitglieder der Feuerwehren blieben weiterhin Ehrenamtliche – bis zur Einführung des Notrufs.
Eine Feuerwehr für ganz Haltern entstand erst mit 1975
„Das Notfalltelefon musste ja fest besetzt sein. Also nahm der jeweilige Bürgermeister einen aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr, der dann bei der Stadt angestellt wurde“, erklärt Georg Rohlf die Entstehung erster hauptberuflicher Feuerwehrbeamter.

Hilfskräfte der Freiwilligen Feuerwehr transportierten 1934 einen Schlauchwagen vom Halterner Hauptbahnhof über den Hennewiger Weg. © Archiv Seine
Insbesondere in größeren Städten reichte ein Beamter aber nicht aus, um das Notfalltelefon zu bedienen, die Feuerwehrfahrzeuge zu warten und die Ausrüstung zu pflegen.
So entstanden Feuer- und Rettungswachen, die mit mehreren hauptamtlichen Beamten besetzt wurden. Gemeinsam sorgten sie mit den ehrenamtlichen Einsatzkräften für Sicherheit.
In Haltern ist die älteste noch existierende Löscheinheit der Freiwilligen Feuerwehr (Haltern-Mitte) 1882 gegründet worden – gefolgt von einer Einheit aus Flaesheim 1920. Als die Staatsmacht in jedem Ort eine Feuerwehr forderte, entstanden 1931 die Löschzüge Hullern, Sythen und Lippramsdorf.

Schwer zu entziffern: die Gründungsschrift der Lavesumer Löscheinheit von 1931. © Archiv Seine
Zusätzlich formierten sich Kriegsheimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg mit ihren Trompeten in Flaesheim. So entstand der Spielmannszug.

Feuerwehrleute bei einer Leiterübung am alten Steigeturm um 1956, wo heute die Rettungswache der Lavesumer Löscheinheit steht. © Archiv Seine
Als die selbstständigen Gemeinden durch die kommunale Neuordnung 1975 eingegliedert wurden, kamen auch die Löscheinheiten zusammen. Die Geburtsstunde der Halterner Feuerwehr.
„Vor der Neuordnung 1975 gab es an den kommunalen Grenzen so eine „Mein Feuer, dein Feuer“–Mentalität. Diese Grenzen sind absolut weich geworden und man hilft sich, wo es nur geht“, berichtet Georg Rohlf.
„Nur gemeinsam sind wir eine Einheit“
Entsteht heutzutage beispielsweise in Marl oder Wulfen – also den Randgebieten von Lippramsdorf – eine für die örtlichen Einsatzkräfte allein kaum zu bewerkstelligende Gefahrensituation, rücken die Kollegen aus Haltern ebenfalls aus. Umgekehrt ist es genauso.
„Geleitet wird ein Einsatz dann von der ersten Löscheinheit, die am Einsatzort ankommt“, erklärt Werner Schulte, Leiter der hauptamtlichen Feuer- und Rettungswache in Haltern. Dabei spiele es keine Rolle, ob der erste eintreffende Gruppen- oder Zugführer einer freiwilligen oder hauptamtlichen Einheit angehöre.
Und auch die Führungsriege setzt sich aus Berufsfeuerwehrleuten und Ehrenamtlern zusammen. Ehrenamtler Georg Rohlf ist der Leiter der Feuerwehr - Werner Schulte einer seiner zwei Stellvertreter. „Nur gemeinsam sind wir eine Einheit“, sagt Schulte.
Deswegen ist die Feuerwehr in Haltern offiziell eine Freiwillige Feuerwehr mit hauptamtlichen Kräften – und auch bei den Feuerwehrbeamten steht „Freiwillige Feuerwehr“ auf der Einsatzkleidung.
Derzeit gibt es in Haltern 36 fertig ausgebildete Feuerwehrbeamte, drei Brandmeisteranwärter sowie zwölf tariflich beschäftigte für den Rettungsdienst und vier Notfallsanitäter in Ausbildung.
„Wir rücken gemeinsam aus. Die Hauptwache und die Löscheinheit aus dem jeweiligen Löschbezirk gehen gemeinsam die erforderlichen Maßnahmen an“, erklärt Werner Schulte.
An 365 Tagen im Jahr ist die Wache in Haltern mit Feuerwehrbeamten besetzt. Um halb acht Uhr morgens ist jeden Tag Schichtwechsel. Dann wird der Dienstbetrieb nach einer 24-Stunden-Schicht übergeben und die Beamten haben zwei Tage Zeit, sich zu erholen.
Egal ob in der Schlauch-, Atemschutz- oder Kfz-Werkstatt, dem vorbeugenden Brandschutz oder in der Kleiderkammer: „Das Hauptamt ist für eine Vielzahl von Sachgebieten zuständig“, erklärt Werner Schulte.
Alle Feuerwehrleute spielen in einem Team und auf ein Tor
Insgesamt 18 Monate dauert dafür die Grundausbildung der Feuerwehrbeamten. „Die Hauptamtlichen bringen in der Natur der Dinge etwas mehr Fachwissen mit – die Ehrenamtlichen bringen das Wissen aus ihren Berufen mit“, sagt Georg Rohlf.

Bereits 1981 war Georg Rohlf ein fester Bestandteil der Freiwilligen Feuerwehr in Haltern und nahm an Maschinenlehrgängen teil. © Archiv Seine
Als 2013 eine Brandkatastrophe das Halterner Bootshaus vernichtete, drohte zusätzlich ein Flüssiggas-Tank in die Luft zu fliegen. „Wir haben dann philosophiert und geschätzt, wie groß der wohl ist, bis der Frank sagt‚ das sind genau 4975 Liter‘“, erinnert sich Georg Rohlf zurück und ergänzt: „Hauptberuflich reparierte der nämlich diese Dinger.“
Auch wenn die Kräfte der Berufs, - und Freiwilligen Feuerwehr also eine gemeinsame Schutzeinheit für Haltern bilden, gibt es auch mal Reibereien.
„Wie bei Fußballern sind wir ein Querschnitt der Gesellschaft. Und in manchen Situationen braucht es auch mal einen Schiedsrichter“, so der selbstständige Zimmermeister und ergänzt: „Wenn es aber brennt, spielen alle Feuerwehren dieser Welt in nur einer Liga und alle mit ganzem Herzen nur auf ein Tor, das ist das Besondere.“
Ist passionierter und aktiver Sportler aus dem schönen Bergischen Land und seit 2011, ursprünglich wegen des Studiums, im Ruhrgebiet unterwegs. Liebt die Kommunikation mit Menschen im Allgemeinen und das Aufschreiben ihrer Geschichten im Speziellen.
