Ein Ehepaar mit zwei Kindern (1 und 3 Jahre alt), zwei alleinstehende Frauen sowie ein alleinstehender Mann haben Schutz in der Pfarrei St. Sixtus gesucht und gefunden. Die Geflüchteten stammen aus Afghanistan und Syrien, sie leben derzeit im Pfarrhaus St. Marien, im Pfarrhaus St. Sixtus und im Pfarrheim Heilig Kreuz. Die Pfarrei bietet ihnen Kirchenasyl an.
„Sie waren nicht von Abschiebung in ihr Heimatland bedroht, sondern sollten im Rahmen des Dublin-Verfahrens in das Land abgeschoben werden, wo sie erstmalig den Boden der EU betreten haben“, erklärt Pfarrer Michael Ostholthoff. Das waren in ihrem Fall Spanien, Rumänien und Bulgarien.
Im politischen Diskurs komme viel zu kurz, sagt Michael Ostholthoff, dass die Geflüchteten in manchen Ländern der EU keine medizinische Versorgung oder eine Unterkunft erhielten. „Unserer Pfarrei ist klar, dass wir nicht das politische System aus den Angeln heben können, wir können aber bei uns begegnenden, drastischen Härtefällen das Mögliche tun, um unserer Verantwortung als Christen gerecht zu werden“, rechtfertigt der leitende Pfarrer die Gewährung des Kirchenasyls.
Der Pfarreirat und der Kirchenvorstand haben in Kooperation mit dem Seelsorgeteam einen Ausschuss gebildet, der gemeinsam mit Kirchenasyl NRW und dem Diözesan-Caritasverband über Anfragen für ein Kirchenasyl entscheidet.
Gemeindecaritas und Asylkreis begleiten diesen Ausschuss, sie kümmern sich um die Geflüchteten, die den Kirchenraum nicht verlassen dürfen. Diese erhalten individuell Deutschunterricht und werden vielfältig betreut. Für die Kosten kommt die Sixtus-Pfarrei auf. Denn es gibt keine Sozialleistungen. Die Familie sowie die Alleinstehenden sind auf finanzielle Hilfen von Pfarrei, Verwandten oder anderen Bezugspersonen angewiesen.
„Beispielhaftes Engagement“
Asyl ist ein Ort, der Menschen Schutz vor Verfolgung bietet. Schon aus dem vierten Jahrhundert ist bekannt, dass Flüchtlinge in Kirchen Schutz suchten. Mit der Entwicklung rechtsstaatlicher Systeme verlor das Kirchenasyl an Bedeutung und wurde im 18. und 19. Jahrhundert in den meisten europäischen Ländern abgeschafft.
Wer heute Kirchenasyl gewährt, verstößt nach geltender Rechtsauffassung gegen das Gesetz. Die Stadt könnte die Geflüchteten folglich aus den Gemeinderäumen holen lassen, tut es aber nie.
Die Gewährung von Kirchenasyl bleibt ein Akt der individuellen Glaubens- und Gewissensentscheidung. Beim Kirchenasyl handelt es sich allerdings um eine befristete Maßnahme, um die zuständigen staatlichen Stellen zu einer möglicherweise erneuten, sorgfältigeren Überprüfung des Asylantrages zu bewegen.
„Wir versuchen, den Geflüchteten zu helfen, sie sorgsam und professionell zu begleiten. Dazu gehört auch eine medizinische und psychologische Betreuung“, sagt Pfarrer Ostholthoff. Er sei froh, in Haltern ein so großes und beispielhaftes Engagement erleben zu dürfen.
Die Eltern mit den beiden kleinen Kindern beispielsweise waren aus Angst vor ihrer Abschiebung tagelang in Zügen unterwegs. „Wir wollen ihnen hier Brücken bauen, sie aus der Isolation holen und Verantwortung übernehmen“, betont Pfarrer Ostholthoff. Sowohl die Familie als auch die Einzelpersonen hätten ein hohes Bildungsniveau und seien hochmotiviert, sich hier zu integrieren.

In sogenannten Dublin-Fällen ist die betroffene Person über einen anderen Mitgliedsstaat der EU eingereist, was grundsätzlich dazu führt, dass dieser Staat und nicht die Bundesrepublik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Asylantrag wird dann ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in den zuständigen Staat angeordnet.
Ende Februar 2015 wurde in Gesprächen der Kirchen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vereinbart, dass es Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften möglich sein soll, dem Bundesamt Einzelfälle, in denen besondere individuelle Härten vorliegen, zu einer erneuten Prüfung vorzulegen.
Kooperation mit Marl
„Bereits seit etwa zwei Jahren erreichen unsere Pfarrgemeinden Heilige Edith Stein Marl und St. Sixtus Haltern (bekanntlich bilden sie einen neuen pastoralen Raum, Anm.) vermehrt Anfragen zum sogenannten Kirchenasyl“, sagt Michael Ostholthoff. „Da ein Kirchenasyl bis zu 18 Monate dauern kann, könnten sich Kooperationen zwischen Pfarrgemeinden anbieten. St. Sixtus hat sich zum Beispiel bereiterklärt, nach einer gewissen Zeit, Asylsuchende aus Marl Hl. Edith Stein für eine verbleibende Zeit zu übernehmen.“

Der Diözesan-Caritasverband stellt mit der Rechtsanwältin Antonia Plettenberg den Pfarrgemeinden des Bistums Münster eine Spezialistin für Asylrecht an die Seite. Sie bietet eine Einschätzung und Rechtsberatung zu den angefragten Fällen von Kirchenasyl an. Für die Durchführung eines Kirchenasyls erstellt das Netzwerk Kirchenasyl NRW auf Anfrage ein Dossier, das für einen Geflüchteten beim BAMF eingereicht werden muss.
655 Personen in Kirchenasylen
Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche weiß zurzeit von 431 aktiven Kirchenasylen bundesweit mit mindestens 655 Personen, davon sind etwa 136 Kinder. 405 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin-Fälle. Im Jahr 2023 wurden bereits 285 Kirchenasyle mit 423 Personen, davon 88 Kindern, beendet.
Wer Menschen im Kirchenasyl unterstützen möchte, kann sich gern an das Pastoralbüro wenden.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22. August 2023.
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