Fünf Jahre lang war der Bau einer Mehrzweckhalle (heute Seestadthalle) das politische Thema in Haltern. Ein solch multifunktionaler Treffpunkt fehlte in der Stadt. Darin waren sich die Ratsparteien einig, aber ansonsten gab es meistens Streit.
In ganz Nordrhein-Westfalen wurden 1987 nur vier Multifunktionshallen aus dem Landeshaushalt bezuschusst. Haltern bekomme den Zuschlag, weil in der Stadt eine solche Halle fehle, hieß es aus Düsseldorf. 2,1 Millionen DM hatte Haltern zu erwarten.
Doch bis dahin hatte der Stadtrat noch keinen Beschluss über den endgültigen Standort getroffen. Die Idee, die Grünfläche Kolcken Loch am Bahnhof zu wählen, torpedierte 1986 eine Bürgerinitiative. Als weitere Bauplätze waren das Eckgrundstück Philippistraße/Conzeallee, der Lippspieker und das Grundstück des Stadthauses an der Schmeddingstraße im Gespräch.
Die CDU und SPD favorisierten den Bau einer Dreifachturnhalle für Sport und Veranstaltungen am Lippspieker. „Die Sache muss endlich in Gang gebracht werden“, fand Günter Ufermann, Fraktionschef der SPD. Sympathien sammelte er damit vor allem bei den Sportvereinen. Doch das Land hatte gleich klargemacht, dass eine überwiegend sportlich genutzte Halle nicht bezuschusst wird.
„Monumental und langweilig“
Schließlich einigte sich der Rat am 5. März 1987, die Halle am Lippspieker zu bauen und diese für Sport, Kultur und weitere Veranstaltungen zu öffnen. Die Politiker steckten einen Finanzrahmen von rund 4,3 Millionen DM. Einen ersten Entwurf des städtischen Hochbauamtes unter Regie des technischen Beigeordneten Hans von Rüden lehnte die SPD ab: Zu monumental, sie erdrücke Haltern, zu langweilig.
Im Mai 1988 wurde die Mehrzweckhalle schließlich nach kontroversen Diskussionen über ihre Gestaltung auf den Weg gebracht. Vor allem das von Hans von Rüden entworfene Pultdach sorgte für Missmut. Es dauerte dann allerdings noch bis Sommer 1989, ehe der Bebauungsplan als Satzung beschlossen war. Während der Auslegung der Pläne hatte es keine Bedenken seitens der Bürgerinnen und Bürger gegeben.

Der technische Beigeordnete Hans von Rüden erklärte gegenüber der Halterner Zeitung, dass die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur-Büro Schroer und einer Münsteraner Elektrofirma innerhalb kürzester Zeit eine Detailplanung entworfen habe, die einen sofortigen Baubeginn ermögliche. Doch bis zur Einweihung sollte es noch einige Querelen geben.
Einen harten Kampf fochten die Grünen aus, aber sie gewannen ihn. Sie wehrten sich vehement gegen den Einbau von Fenstern aus Meranti-Holz. Der Verzicht auf dieses Tropenholz und der Einbau von Aluminium-Fenster stattdessen riss ein erstes Loch in den Finanzierungsplan.

Als Generalunternehmen wurde die Firma Effkemann aus Ahaus beauftragt. Am 3. August 1989 erfolgte der erste Spatenstich. Nur vier Monate später wurde der Dachstuhl der Mehrzweckhalle mit dem Richtkranz gekrönt.
Die Meldung von Februar 1990 klingt wie ein Déjà-vu: Lieferschwierigkeiten beim Baumaterial verzögerten die Fertigstellung. Als Grund wurde der Bau-Boom angegeben. Und dann gab es weiteren Ärger auf der Baustelle.
Vorwurf der Schwarzarbeit
Einer Heizungs- und Lüftungsbaufirma wurde untersagt, weiterzuarbeiten, weil sie nicht in der Handwerksrolle eingetragen war. Der Beigeordnete Hans von Rüden wies auf das Dilemma hin, in dem sich die Bauverwaltung befand: „Auf der einen Seite sollen wir schnell und unbürokratisch und qualifiziert arbeiten, andererseits sind wir derzeit nur damit beschäftigt, uns wegen des Vorwurfs von Schwarzarbeit zu rechtfertigen.“ Eine weitere Verzögerung auf der Baustelle kündigte sich damit an.
Und dann kam es im März 1990 ganz dicke. Generalunternehmer Josef Effkemann meldete beim Amtsgericht Coesfeld Vergleich an, weil er in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Die SPD erhob schwere Vorwürfe gegen den technischen Beigeordneten. Auch, weil er den ursprünglichen Entwurf des Hochbauamtes um 6000 Quadratmeter umbauten Raum (Schrägdach) erweitert und dabei die Mehrkosten nicht berücksichtigt habe. Allein mit den Kosten für diese zusätzlichen Quadratmeter ließen sich fünf Einfamilienhäuser beheizen, so die SPD. Sie hatte ein geneigtes Walmdach gefordert.

Die Firma Effkemann ihrerseits beschuldigte die Stadt, sie in den Vergleich getrieben zu haben. Gründe seien grobe Planungsfehler und eine Verzögerung bei der Baugenehmigung gewesen. Mehrkosten, die hierauf fußten, wurden strikt abgelehnt. Hans von Rüden wiederum warf der Firma schwerste kaufmännische Fehlleistungen vor. Und die Politik stritt sich untereinander.
Stadtdirektor verzweifelt
Im April entschied eine CDU/WGH-Mehrheit des Rates, das Grundstück und die Mehrzweckhalle zum 1. Mai 1990 an die Stadtwerke GmbH zu übertragen. Diese sollte die Halle weiterbauen und betreiben. Die Kosten werden inzwischen auf 5,2 Millionen DM beziffert.
Stadtdirektor Günter Zöllner warf Teilen der Politik mangelnde Verantwortungsbereitschaft vor: „Ich bin der Verzweiflung nahe, wenn ich erleben muss, dass konstruktive und im Interesse der Stadt und ihrer Bürger liegenden Vorschläge nicht oder mit Verzögerung zum Tragen kommen, weil Teile des Rates sich nicht in der Lage sehen, durch Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen.“
Unter Stadtwerke-Geschäftsführer Johannes Brylak wurde die Halle weitergebaut. Am 3. Juli 1992 erfolgte feierliche Einweihung, auch Schlagersänger Graham Bonney war zu Gast. Der technische Beigeordnete Hans von Rüden war nicht dabei, er wurde 1991 abgewählt. Im Jahr 2001 wurde die Mehrzweckhalle mit der 990 Quadratmeter großen Halle, Mehrzweckraum, Gruppenräume und 310 Quadratmeter großem Eingangsbereich ihren Namen los: Fortan heißt sie Seestadthalle.
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 7. Februar 2023.
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