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Halternerin Latifa Saljuki zurück aus Afghanistan: Tränen und Freude
Dank für Spenden
Latifa Saljuki ist zurück aus Afghanistan. Zwei Monate war sie in ihrer alten Heimat, um zu helfen. Sie weint, wenn sie von Familien erzählt, die im bitterkalten Winter hungern und frieren.
Nach einem 48-stündigen Flug ist Latifa Saljuki noch sehr erschöpft, als sie sich mit uns zu einem Gespräch in der Begegnungsstätte Vitus an der Lippstraße verabredet. Sie hat sich geschminkt und hübsch gekleidet. Für das Treffen hat die 66-Jährige alle Kraft zusammen genommen. Denn sie will den Halternern danken, die Geld gespendet haben, damit sie für Familien in Afghanistan Lebensmittel und Brennmaterial kaufen konnte.
„Meine Familie ist froh, dass ich wieder unversehrt in Haltern angekommen bin“, sagt sie, „aber meine Seele und meine Gedanken finden noch keine Ruhe.“ Am 24. November ist sie in ihre Heimat geflogen, am 19. Januar kehrte sie zurück.

Der Alltag ist trostlos und von Armut geprägt. Latifa Saljuki brachte einer Großmutter und ihrer Enkeltochter einen Sack Brennholz. © Privat
„Ich bringe einen Sack voller Dankeschön für meine Halterner Freunde mit“, sagt Latifa Saljuki. „Ich wünschte, ich könnte alle in den Arm nehmen.“ Bis heute sind über 3800 Euro an Spenden eingegangen. Einen Teil hat sie auf dieser Reise verbraucht, aber auch weiteres Geld wird zu hundert Prozent an Bedürftige fließen. Entstehende Kosten, beispielsweise für die Flüge, bezahlt Familie Saljuki selbst.

Viele Menschen leben auf der Straße oder in armseligen Häusern, gerade kämpfen sie mit einem bitterkalten Winter. © Privat
In Kabul und Herat, ihrer Heimatstadt, traf Latifa Saljuki auf Menschen, die nicht wissen, wie sie den bitterkalten Winter überstehen sollen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Afghanistan, so schätzen die Vereinten Nationen, sind von extremen Hunger bedroht. In nur kurzer Zeit hat sich die wirtschaftliche Spirale in Afghanistan abwärts gedreht.
Keine Lebensmittel, kein Heizmaterial - alles ist verloren
Es gibt keine Arbeit, fast alle haben ihre Jobs verloren, folglich können sich die Familien nichts kaufen. Latifa Saljuki brachte Reis, Mehl und Öl und auch Brennmaterial. Ein Sack Reis kostet umgerechnet 30 Euro, ein Sack Mehl 20 Euro, zehn Liter Öl kosten 15 Euro. „Damit kommt eine Familie mit fünf Kindern einen Monat lang aus. Gemüse kann sich überhaupt niemand leisten.“
Wenn die 66-Jährige in die bescheidenen Häuser (inzwischen ohne Stromversorgung) kam, haben die Familie Tränen vergossen. „Es war herzbewegend“, schildert sie die unendliche Dankbarkeit für die überlebensnotwendigen Geschenke. Aber es gab auch die traurigen Augenblicke, wenn sie sah, wie eine Großmutter mit ihren fünf Enkelkindern auf der Straße hauste oder verhungerte Menschen am Straßenrand lagen.

Auch die Frauen - hier Verwandte von Latifa Saljuki - arbeiteten in hochangesehenen Berufen und waren sehr westlich orientiert. © Privat
Latifa Saljuki wohnte in der Wohnung ihrer Schwester in Kabul. Immer wieder musste sie pausieren, sich zurückziehen, um ihre Gefühle wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wie vielen Menschen kann ich helfen, was schaffe ich?, fragte sie sich. „Es ist eine große Freude, dass Gott mir Freunde geschickt hat, die mich unterstützen“, Latifa Saljuki ist tiefgläubig. Gott werde jeden am Ende fragen: Was hast du in deinem Leben geschafft? - da ist sie sich ganz sicher. Aus diesem Glauben nährt sich ihre Hilfsbereitschaft. Überhaupt: „Ich möchte immer helfen, möchte am liebsten alle retten.“

Bevor Familie Saljuki flüchten musste, gehörte sie dem Bildungsbürgertum an und arbeitete sowohl in der Politik als auch in der Kultur in hochrangigen Ämtern. Das Foto zeigt einen Teil der Familie im Kabuler Wohnzimmer. © Privat
In Kabul war sie nicht allein, sie hatte Begleiter, die bei ihr waren und sie beschützten. Seit 32 Jahren lebt die 66-Jährige mit ihrer Familie in Deutschland. Sowohl ihre als auch die Familie ihres Mannes gehörten dem Bildungsbürgertum an, die Saljukis bekleideten hohe Ämter in Politik und Kultur und gehörten in Kabul zur privilegierten Gesellschaftsschicht.
Flucht über Pakistan und Frankreich nach Deutschland
Aus politischen Gründen musste Latifa mit ihrem Ehemann und den fünf Kindern fliehen. Ihr jüngstes Kind war da 14 Jahre alt. „Wir haben damals viel verloren.“ Über Pakistan und Frankreich kam die Familie nach Deutschland. Haltern ist für sie heute Heimat, aber die Sehnsucht nach Afghanistan bleibt.
Latifa Saljuki wird ihre Reisen in dieses landschaftlich wunderschöne Land fortsetzen. Auch wenn das als Frau nicht ungefährlich ist. In Kabul verhüllt sie sich, wie es gefordert wird. „Ich will mich durch nichts aufhalten lassen.“
Spendenkonto über Asylkreis
Halterner können die Hilfe von Latifa Saljuki durch Spenden unterstützen. Das Geld kann auf das Stadtsparkassen-Konto des Asylkreises beim Caritasverband Haltern überwiesen werden: DE 98 4265 1315 00000 68759, Stichwort Afghanistan-Hilfe, Latifa Saljuki. Dass nichts mehr so ist, wie es war, kreidet sie vor allem der großen Politik an: Amerika, Arabien, Iran - diese Länder haben ihr Afghanistan zerstört, um es auszubeuten, sagt sie. Sie weint immer wieder. „Was ist los mit dieser Welt?“, fragt sie sich angesichts des großen sozialen Ungleichgewichts. „Die einen haben viel zu viel, die anderen haben nichts. Das ist verrückt.“

Reis, Mehl und Öl vor allem brachte Latifa Saljuki zu den Familien, auch ein Waisenhaus unterstützte sie. © privat
Latifa Saljuki schreibt Bücher, Romane und Gedichte, in denen sie sich gegen Unterdrückung und Gewalt und für die Rechte von Frauen und Männern in Afghanistan einsetzt. Mit dem Schreiben verdient sie nichts: Die Erlöse spendet sie Hilfsorganisationen in ihrer Heimat.
Latifa Saljuki ist eine Kämpferin. „Natürlich habe ich Angst, wenn ich nach Afghanistan fliege, aber was tue ich Böses, wenn ich anderen helfe?“
Haltern am See ist für mich Heimat. Hier lebe ich gern und hier arbeite ich gern: Als Redakteurin interessieren mich die Menschen mit ihren spannenden Lebensgeschichten sowie ebenso das gesellschaftliche und politische Geschehen, das nicht nur um Haltern kreist, sondern vielfach auch weltwärts gerichtet ist.
