Es war ein echtes Wagnis, das Familie Westhues 1892 einging. Mit sechs Kindern kehrte das Ehepaar seiner Heimat im Münsterland den Rücken und bestieg das Auswandererschiff S.S. Kaiser Wilhelm II. mit Ziel New York. Eine Reise ohne Wiederkehr mit ungewissem Ausgang stand ihnen bevor.
Die Mutter war bei ihrer Ausreise 32 Jahre alt. Sie hatte 1860 als Theresia Peters in Sythen bei Haltern, das damals noch eine eigene Gemeinde war, das Licht der Welt erblickt. Ihr Mann Wilhelm Westhues war zwölf Jahre älter und stammte aus Werne. Als dritter Sohn einer Bauernfamilie hatte er kaum Chancen, einmal zu den Landbesitzern zu gehören. So entstand der Traum vom neuen Glück in Amerika.
Außerdem war bereits ein Teil der Sythener Peters-Familie ausgewandert. Es handelte sich um Theresias Mutter, geborene Theresia Diekaute oder Dilkaute aus Dülmen, verwitwete Peters. Sie hatte sich mit fünf teilweise erwachsenen Söhnen auf einer Farm in Glasgow im US-Bundesstaaat Missouri niedergelassen und Briefe an ihre verheiratete Tochter in der Heimat geschickt.

Letztlich gehörten die Auswanderer aus Sythen und Werne zu einem Strom von Gleichgesinnten, die sich im 19. Jahrhundert auf den Weg in die Neue Welt machten. „Um 1860 und 1870 hatte fast jeder im Münsterland Freunde oder Verwandte in Missouri“, hat Kenneth Westhues, ein Nachfahre von Theresia und Wilhelm Westhues, auf einer Internetseite zu seiner Familiengeschichte veröffentlicht. Ursprünglich forcierten der Niedergang des Tuchmacher- und Weberhandwerks im Münsterland und die Armut als Folge die Ausreisen.
Kenneth Westhues ist ein emeritierter Professor für Soziologie der Universität von Waterloo in Kanada. Dank seines Engagements kann jeder die Details zur Familiengeschichte der Westhues und Peters abrufen.

Als Theresia und Wilhelm Westhues mit ihren Kindern Theodor (12), Wilhelm (10), Joseph (8), Theresa (6), Heinrich bzw. Henry (4) und Bernhard bzw. Ben (2) in den USA eintrafen, verfügten sie über ein Vermögen von 1500 Dollar. Mit dieser Summe und der Hilfe ihrer Mutter sowie einer Bank kaufte die Familie eine Farm, die 37 Hektar umfasste.
Ein Foto zeigt die Familie 1896 vor ihrem Haus in Glasgow. Die Kinderschar war auf acht herangewachsen. Mit dabei sind bereits Mary und John, Anna und Fritz sollten noch folgen.
Enkel Kenneth Westhues, das jüngste Kind von John, schreibt über die historischen Fakten: „An American dream come true.“ (Ein amerikanischer Traum wurde wahr.). Die Auswanderung der deutschen Großeltern sei ein risikoreiches Abenteuer gewesen. Als sie mit ihren sechs Kindern in Ellis Island eintrafen, wo die amerikanischen Behörden ein strenges Auswahlverfahren praktizierten, konnten sie nicht sicher sein, dass alle Familienmitglieder bestehen würden.

Aber es habe funktioniert, so Kenneth Westhues, und außerdem sei die Zeit reif gewesen, dass sich unerbittliche Arbeit und Disziplin in der Landwirtschaft auszahlen würden. Bald waren die Neubürger in der Lage, ihre Farm auf 200 Hektar zu vergrößern. Ihr Lebensentwurf wurde auch für die nachfolgende Generation zum Vorbild. Fünf Söhne und zwei Töchter gründeten Familien auf benachbarten Farmen.

Wilhelm Westhues starb 1921 bei einem Reitunfall. Sein Pferd strauchelte in den Hügeln in der Nähe seiner Farm und begrub ihn unter sich. Für die Familie sei es wie der Tod eines Königs in einer absoluten Monarchie gewesen, schreibt Kenneth Westhues. Das Oberhaupt fehlte nun. 1926 folgte Theresia ihrem Mann.

Rund ein Jahrhundert später sind die beieinander liegenden Farmen in Glasgow laut Kenneth Westhues immer noch in der Hand der Familie Westhues beziehungsweise ihrer Nachfahren. Bis heute seien hier Spuren der münsterländischen Kultur und Lebensart anzutreffen.